Details zur Dienstleistungsrichtlinie (DL-RL) - Daseinsvorsorge

Am 25. Februar 2004 veröffentlichte die Europäische Kommission (EK) den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes (EP) und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Ziel des Richtlinienentwurfs ist einerseits eine Kodifikation der bestehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Dienstleistungsfreiheit. Andererseits soll der Abbau von Verwaltungsbarrieren für grenzübergreifende Dienstleistungen forciert werden. Von besonderer Bedeutung ist, dass die DL-RL selbst keine Harmonisierung bestehender Dienstleistungsstandards auf europäischer Ebene, sondern die parallele Anwendung verschiedener nationaler Normen vorsieht.

Ursprünglicher Entwurf zur Dienstleistungsrichtlinie

Herkunftslandprinzip

Kernstück des ursprünglichen Entwurfes war das sogenannte "Herkunftslandprinzip" (Art. 16). Die Erbringung von Dienstleistungen sollte nicht an den Normen des Ziellandes, sondern nur an jenen der Herkunft der Dienstleister*innen gemessen werden. Laut Richtlinienentwurf hatte die Durchsetzung der mit der Dienstleistungserbringung verbundenen Vorschriften von den Behörden des Herkunftsstaates zu erfolgen. In der Praxis ist mit der Idee des Herkunftslandsprinzips die Beseitigung nationaler Schutzvorschriften verbunden, wenn nach den Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten spezifische Regelungen für die betreffende Dienstleistungserbringung fehlen oder weniger streng sind.

Inländerdiskriminierung

Gleichzeitig verzerren strengere nationale Standards die Wettbewerbsbedingung zu Lasten österreichischer Dienstleistungserbringerinnen oder Dienstleistungserbringer in Österreich und anderen EU-Mitgliedstaaten mit weniger strengen Auflagen. Dieses Phänomen wird als "Inländerdiskriminierung" bezeichnet. Dies führt in Österreich regelmäßig zur Aufhebung der strengeren nationalen Norm durch den Verfassungsgerichtshof. Umgelegt auf den Entwurf zur DL-RL würde dies zur Liberalisierung zahlreicher Dienstleistungsbereiche auf niedrigem Qualitätsniveau führen.

Horizontaler Regelungsansatz

Weiters wurden im ursprünglichen Vorschlag grundsätzlich alle Dienstleistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie (Art. 2) erfasst. Dazu zählen auch Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.

Kritik der Mitgliedstaaten

Der ursprüngliche Textvorschlag der Europäischen Kommission wurde von vielen Mitgliedstaaten – darunter auch Österreich – heftig kritisiert. Besonders die Bundesländer forderten massive Zugeständnisse im Bereich der Daseinsvorsorge. Durch intensives Lobbying gelang es, positive Änderungen des Richtlinientextes zu erzielen.

Überarbeiteter Entwurf zur Dienstleistungsrichtlinie

Nach der ersten Lesung im Europäischen Parlament vom 16. Februar 2006 legte die Kommission am 4. April 2006 einen überarbeiteten Entwurf zur Dienstleistungsrichtlinie vor. Dessen Inhalt wurde vom Ministerrat in seiner politischen Einigung vom 29. Mai 2006 weitestgehend übernommen.

Im überarbeiteten Vorschlag werden unter anderem folgende Dienstleistungen vom Anwendungsbereich ausgenommen:

  • Dienstleistungen von allgemeinem Interesse
  • Gesundheitsdienstleistungen, unabhängig davon, ob sie im Rahmen von Versorgungseinrichtungen gewährleistet werden oder nicht, ungeachtet der Art ihrer Organisation und ihrer Finanzierung auf nationaler Ebene und ihres öffentlichen oder privaten Charakters
  • Teilbereiche der sozialen Dienstleistungen

Weiters ersetzt der Grundsatz des "Freien Dienstleistungsverkehrs" das ehemalige "Herkunftslandprinzip" (Art. 16).

Nicht durchsetzen konnte sich Wien mit der Forderung nach Ausnahme aller Dienstleistungen der Daseinsvorsorge vom Anwendungsbereich der Richtlinie. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse werden vom Anwendungsbereich erfasst und nur von Art. 16 "Freier Dienstleistungsverkehr" (ehemaliges "Herkunftslandprinzip") ausgenommen.

Gemäß Art. 16 "neu" kann das Zielland aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, öffentlichen Gesundheit und des Umweltschutzes Dienstleistungserbringer*innen bei grenzüberschreitender Dienstleistung Anforderungen des nationalen Rechts auferlegen. Diese Anforderungen sind aber nur dann gerechtfertigt, wenn sie

  • Dienstleistungserbringer*innen weder direkt noch indirekt aufgrund deren oder dessen Staatsangehörigkeit diskriminieren,
  • erforderlich und
  • verhältnismäßig sind.

Hinsichtlich dieser Dienstleistungen kann der Mitgliedstaat Dienstleistungserbringer*innen die Beachtung sämtlicher Anforderungen des nationalen Rechts auferlegen. Dies betrifft etwa Dienste wie die Wasserverteilung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die Abfallbehandlung, die Verbringung von Abfällen sowie Elektrizitätsdienstleistungen.

Ausblick

Der konsolidierte Text der Richtlinie 2006/123/EG wurde im Amtsblatt der Europäischen Union, Nummer L 376, am 27. Dezember 2006 kundgemacht.

Am 29.12.2009 endete die Umsetzungsfrist für die Dienstleistungsrichtlinie auf EU-Ebene. Damit sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, eine zentrale Anlauf- und Servicestelle für Dienstleistungserbringer, einen sogenannten Einheitlichen Ansprechpartner (EAP), einzurichten. In Wien wurde dieser bei der Abteilung Gewerbewesen und rechtliche Angelegenheiten des Ernährungswesens (MA 63) installiert. Kernaufgabe des Einheitlichen Ansprechpartners Wien ist die Bereitstellung von Informationen, welche Anforderungen für die rechtmäßige Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in Österreich bestehen. Darüber hinaus finden sich auf dem EAP-Internetportal auch Informationen zu Behörden, Registern und Datenbanken.

Die Dienstleistungsrichtlinie sieht als neues Instrument eine gegenseitige Evaluierung durch die Mitgliedstaaten vor. Diese basiert auf den Ergebnissen der Überprüfung der nationalen Rechtsvorschriften, die von den Mitgliedstaaten während der Umsetzungsphase durchgeführt wurde. Am Ende des Prozesses erstellt die Kommission einen Bericht, der dem Rat und dem Europäischen Parlament vorgelegt wird.

Darüber hinaus hat die Europäische Kommission spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie zu berichten, ob das Prinzip des freien Dienstleistungsverkehrs funktioniert. Dieser Bericht über die Schlüsselergebnisse der Richtlinie soll im Laufe des Jahres 2012 von der Kommission veröffentlicht werden.

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