Zeynep Elibol

Zeynep Elibol wurde 2008 für ihr Engagement im Bereich »Bildung« mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.

Zeyneb Elibol

Als Direktorin der Islamischen Fachschule für Soziale Bildung ist es Zeynep Elibol ein großes Anliegen, ihre Schülerinnen und Schüler in ihren persönlichen Interessen und Begabungen zu unterstützen. Mädchenförderung ist dabei ein zentraler Aspekt und bedeutet für sie, Mädchen die Möglichkeit zu geben, Verantwortung zu übernehmen und eigene Entscheidungen zu treffen, sie nicht zu entmündigen. Dafür wird sie 2008 mit dem Frauenpreis der Stadt Wien ausgezeichnet.

Biografie

Zeynep Elibol wird 1964 in Istanbul geboren. Im Alter von vier Jahren geht sie mit ihren Eltern nach Schleswig Holstein in Deutschland, wo sie die Schule besucht. Als die Familie später wieder nach Istanbul zieht, schließt sie dort das Gymnasium ab und inskribiert technische Physik an der Technischen Universität Istanbul. 1986 entschließt sie sich dazu, ihre Ausbildung in Wien fortzusetzen. Um sich das Studium zu finanzieren, bewirbt sie sich bei der "Islamischen Glaubensgemeinschaft" als Religionslehrerin. Sie legt die dafür notwendige Prüfung ab und belegt pädagogische, soziologische und didaktische Fächer an der "Pädagogischen Akademie".

Seit 1988 unterrichtet sie islamische Religion, zunächst an Pflichtschulen, später an AHS und BHS. Der Unterricht bereitet ihr Freude, fordert sie allerdings auch. Wenn sie am Schulanfang in eine neue Klasse kommt, fragen die Schülerinnen und Schüler oft sofort, wie viele Kinder sie hat. In Istanbul aufgewachsen, überrascht sie die Selbstverständlichkeit der Mädchen, mit siebzehn oder achtzehn zu heiraten. Sie diskutiert mit ihnen Rollenverständnisse, vermittelt ihnen die Bedeutung von Bildung und einer eigenen ökonomischen Basis. Nachdem ihr nicht nur der praktische Aspekt ihrer Arbeit gefällt, sondern auch die theoretischen Diskussionen an der Hochschule, inskribiert sie schließlich an der "Universität Wien Bildungswissenschaften und Politikwissenschaft. 1999 schließt sie das Pädagogikstudium mit einer Vergleichsstudie über soziale und Bildungsprobleme türkischer Frauen in Österreich, Deutschland und der Türkei ab.

Zeynep Elibol bereut es keineswegs, sich davor so viele Jahre mit Physik beschäftigt zu haben. Eine naturwissenschaftliche Ausbildung ist ihrer Meinung nach eine Bereicherung im Leben jedes Menschen. Als muslimische Frau hat sie sich an der "Technischen Universität Wien" allerdings mit einer doppelten Hürde konfrontiert gesehen. Nicht nur fällt sie wegen ihrer Kopfbedeckung auf, sie ist als Frau in den 1980er-Jahren eine seltene Erscheinung an einer technischen Hochschule in Österreich. Es gibt damals kaum weibliche Studierende, schon gar keine Assistentinnen, Dozentinnen oder Professorinnen. Der Schock ist groß gewesen, erzählt sie, schließlich war sie aus Istanbul einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent im Physikstudium gewöhnt. Der Ellenbogentechnik und Resistenz der Männer will sie sich irgendwann nicht mehr aussetzen.

Lehrerin für Physik und Umweltbildung sowie Direktorin an der "Islamischen Fachschule"

Neben ihrer Tätigkeit als Direktorin unterrichtet sie heute Physik an der "Islamischen Fachschule". Die Einrichtung entsteht 2002 auf Initiative der "Islamischen Glaubensgemeinschaft". Mit ihr gemeinsam soll ein Schultyp konzipiert werden, der jene Schülerinnen und Schüler von der 9. bis zur 11. Schulstufe fördert, die im allgemeinen und berufsbildenden höheren Schulsystem aufgrund der hohen Anforderungen oder restriktiven Aufnahmekriterien nicht Fuß fassen können.

Eine wichtige Motivation ist es damals auch, Mädchen und jungen Frauen Perspektiven jenseits einer frühen Heirat zu geben, sie in ihren Begabungen zu bestärken und ihnen eine berufliche Orientierungshilfe zu bieten. An der Fachschule bekommen die Schülerinnen und Schüler (der Mädchenanteil liegt bei etwa 85 Prozent) Einblicke in verschiedene Berufsfelder, wobei der Fokus auf sozialen und Gesundheitsberufen liegt. So wird beispielsweise das Basismodul für Assistenzberufe im Gesundheitsbereich angeboten, das nach dem Schulabschluss mit einem Aufbaumodul in einer Einrichtung ergänzt werden kann, in der sich die Schülerinnen und Schüler auf Ordinationsassistenz, Laborassistenz oder OP-Assistenz spezialisieren können.

Manche Absolventinnen und Absolventen, die aufgrund ihrer Zweisprachigkeit sehr gefragt sind, interessieren sich für den Pflegeberuf, andere werden diplomierte Krankenpflegerin oder diplomierter Krankenpfleger oder sie studieren später Medizin. Zusätzlich wird die Möglichkeit geboten, in den Bereich der Elementarpädagogik hineinzuschnuppern. In der Schule wird Pädagogik, Psychologie und elementare Musikerziehung unterrichtet, im letzten Schuljahr haben die SchülerInnen außerdem die Gelegenheit, ein Praktikum in einer Kindergruppe zu absolvieren. Nach Schulabschluss können sie als Assistentin oder Assistent in einer Kindergruppe/im Kindergarten arbeiten oder diesen Beruf ausüben, um sich das Studium zu finanzieren.

Die Schülerinnen und Schüler werden außerdem im Bereich Kommunikation und Präsentationstechniken geschult. Immer wieder gestalten sie Beiträge, die auf „Radio Orange“ gesendet werden. Geschlechtergerechter Unterricht gehört zentral zum Schulprofil: Neben den Genderbeauftragten unter den Lehrerinnen und Lehrern gibt es zusätzlich noch genderbeauftragte Schülerinnen und Schüler in jeder Klasse, die Augen und Ohren offen halten und mitunter auch Lehrerinnen und Lehrer an die Verwendung geschlechtergerechte Sprache erinnern, erzählt Zeynep Elibol.

Sie selbst unterrichtet neben Physik auch Umweltbildung. Darin geht es um Umweltschutz, schonenden Umgang mit Ressourcen, Wasser- und Abfallwirtschaft. Mit der relativ kleinen Anzahl von sieben Klassen übernimmt sie den Großteil der administrativen Tätigkeiten selbst und kümmert sich um Stundenpläne, Einteilung von Supplierstunden und Öffentlichkeitsarbeit. Unterstützt wird sie dabei lediglich von einer Sekretärin. Sie führt kontinuierlich Gespräche mit Lehrerinnen, Lehrern und Eltern. Von den Eltern fühlt sie sich in ihrer Funktion generell sehr respektiert, sie muss aber durchaus Überzeugungsarbeit leisten, zum Beispiel damit Schülerinnen auf die Schullandwoche mitfahren dürfen. Sehr positive Momente erlebt sie, wenn ehemalige Schülerinnen und Schüler sie besuchen, sich bedanken und erzählen, was sie erreicht haben. Auch wenn sie in der Vergangenheit als Frau bereits in ihrer Führungsposition in Frage gestellt worden ist, gibt es aktuell ein sehr gutes und solidarisches Klima im Kollegium.

Vortragstätigkeit und Engagement

Neben ihrer Tätigkeit als Direktorin hält Zeynep Elibol immer wieder Vorträge zu transkulturellen und interreligiösen Themen. So spricht sie etwa 2008 an der Universität Wien in der Ringvorlesung "Zwangsfreiheiten" über ihren Beitrag zur Kopftuchdebatte im gleichnamigen Sammelband. (Elibol, Zeynep (2008): "Politisierter Stoff – Perspektiven zwischen Selbstbestimmung und Fremdzuschreibung". In: Sauer, Birgit; Strasser, Sabine (Hgg.) "Zwangsfreiheiten. Multikulturalität und Feminismus". Wien.)

Außerdem wird sie in Gesundheitseinrichtungen als Expertin im Bereich "Palliative Care" (Versorgung unheilbar Schwerkranker und Sterbender) eingeladen. Dabei kann sie auf ihre Praxis als Seelsorgerin für muslimische Patientinnen und Patienten zurückgreifen, der sie während ihrer Zeit als Religionslehrerin in den 1990er-Jahren vor allem an der "Wiener Semmelweisklinik" ehrenamtlich nachgegangen ist.

Die Wichtigkeit von "lebenslangem Lernen" vermittelt sie nicht nur ihren Schülerinnen und Schülern, sie praktiziert es auch selbst. Kürzlich hat sie die Ausbildung zur diplomierten "Burnout-Prophylaxetrainerin" abgeschlossen und widmet sich nun zum Ausgleich zu ihren administrativen Tätigkeiten der Praxis des Qigong. Sich selbst und ihr Umfeld für einen gesunden Zugang zu sich zu sensibilisieren, andere darin zu bestärken, das Leben zu genießen, liegt ihr am Herzen. Aktuell denkt sie über eine Publikation in diesem Bereich nach.

Zeynep Elibols Tätigkeiten im Bildungsbereich

  • Förderung von Mädchen in ihrer Arbeit als islamische Religionslehrerin (1988 bis 2002)
  • Konzeption und Direktion der Islamischen Fachschule für Soziale Bildung, Wien (seit 2002)
  • Expertin im Bereich "Palliative Care"
  • Vortragende und Autorin zu transkulturellen Themen
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