Maria Mayrhofer

Maria Mayrhofer hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, "das Thema Hass im Netz zu einer Agenda zu machen, die nicht die Privatsache von Frauen ist." (zitiert nach Wiener Frauenpreis 2016, Jury-Begründung) Die Geschäftsführerin der Kampagnenaktion #aufstehn ist deshalb 2016 mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet worden.

Maria Mayrhofer mit dem Frauenpreis

Preisträgerin Maria Mayrhofer

Im Sommer 2016 sind in Österreich erstmals vier von Online-Hass und sexualisierten Drohungen im Internet betroffene Journalistinnen an die Öffentlichkeit gegangen. In der Falter-Titelgeschichte "Uns reicht's" erzählen Ingrid Thurnher, Corinna Milborn, Barbara Kaufmann und Hanna Herbst von Hass, Vergewaltigungs- und Morddrohungen, die sie im Internet erhalten haben (vergleiche FALTER 24/16 vom 14. Juni 2016). Mit dem #solidaritystorm initiierte die unabhängige Kampagnenorganisation #aufstehn eine digitale Kampagne, um die Journalistinnen zu unterstützen. Denn gerade sexistische Gewalt hat oft keine Öffentlichkeit, da sie tief in Gesellschaft und Kultur verankert ist. In wenigen Stunden erklärten sich fast 15.000 Menschen mit den Betroffenen solidarisch. "Das war ein wichtiges Signal", betont Mayrhofer, "Wir als Zivilgesellschaft haben deutlich gemacht, dass wir diesen Hass nicht tolerieren." (zitiert nach Maria Mayrhofer, 2016: "#aufstehn gegen Hass im Netz")

Verbale Attacken im Internet richten sich gegen alle, die nicht in ein bestimmtes Weltbild passen, "weil sie sich kritisch äußern, weil sie vielleicht nicht hier geboren sind, weil sie selbst entscheiden wollen, wen sie lieben, oder ganz oft schlichtweg einfach nur deshalb, weil sie Frauen sind." (zitiert nach ebenda) Richten sich die Attacken gegen Frauen, kommt eine spezielle Form von Hass ins Spiel: Die Körper und das Geschlecht von Frauen werden zur Angriffsfläche, um Frauen mit sexualisierten Gewaltdrohungen einzuschüchtern. "Frauen werden auf ihren Körper reduziert und bedroht - nicht zuletzt mit dem Ziel, dass sie sich schämen, sich alleine fühlen, sich zurückziehen und aufhören, öffentlich ihre Meinung zu sagen." (zitiert nach ebenda) 70 Prozent aller im Internet aktiven Frauen, so Mayrhofer, haben schon einmal Hass erlebt. Sexualisierter Hass betreffe Politikerinnen genauso wie Sportreporterinnen, die ein Fußballspiel kommentieren, oder "die Schülerin oder die Nachbarin von nebenan." (zitiert nach ebenda)

Biografie und beruflicher Werdegang

"Ich glaub, ich hab immer schon einen recht ausgeprägten Gerechtigkeitssinn gehabt", erzählt Mayrhofer im Porträt als Frauenpreisträgerin von ihrer Kindheit (Wiener Frauenpreis 2016: Maria Mayerhofer). Maria Mayrhofer wurde 1987 in Lilienfeld, Niederösterreich, geboren. Bereits als Studentin der Internationalen Entwicklung und Politikwissenschaft in Wien und Costa Rica engagierte sich Mayrhofer für Menschenrechtsthemen. In ihrer Diplomarbeit beforschte Mayrhofer den Zusammenhang von Geschlecht und nationaler Identität vor dem Hintergrund des Westsahara-Konflikts. Darin untersucht sie die Lebensumstände und Möglichkeiten saharauischer Frauen, politisch aktiv zu werden: im Widerstand wie bei der Organisation des täglichen Lebens in den Flüchtlingslagern. Für diese Arbeit wurde Mayrhofer 2011 mit dem Nachwuchspreis der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGP) ausgezeichnet. 2012 ist ihre Arbeit im Peter Lang Verlag erschienen.

Nach dem Studium war Mayrhofer journalistisch tätig, sammelt Erfahrung in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den Bereichen Migration, Menschenrechte und Gender und arbeitete mehrere Jahre als Pressesprecherin eines gemeinnützigen Vereins.

Kampagnenorganisation #aufstehn

2015 gründete Mayrhofer gemeinsam mit dem Kampagnenberater Yussi Pick die gemeinnützige Kampagnenorganisation #aufstehn. Als Geschäftsführerin ist sie seither für den Aufbau der Organisation hauptverantwortlich. Mayrhofer leitet ein mehrköpfiges Team, plant und koordiniert Kampagnen, schmiedet Koalitionen und vertritt die Interessen der Unterstützerinnen und Unterstützer in der Öffentlichkeit und in den Medien.

Das Internet bietet Mayrhofer nach große Chancen für jene Gruppen, "die sonst nicht so gehört werden." Es wäre fatal, nur jenen zuzuhören, "die am lautesten schreien oder mit den bösesten Worten um sich werfen", gibt Mayrhofer zu bedenken (zitiert nach Maria Mayrhofer, 2016: "#aufstehn gegen Hass im Netz"). Was im Internet passiere, komme schließlich wie ein Boomerang im echten Leben wieder an (vergleiche ebenda). Deshalb nutze #aufstehn das Internet, um für ein respektvolles Miteinander, Chancengleichheit und soziale und ökonomische Fairness zu kämpfen (vergleiche ebenda). Der Verein zur Förderung zivilgesellschaftlicher Partizipation versteht sich als eine Gemeinschaft von über 50.000 Engagierten, die mit dem politischen Stillstand in Österreich unzufrieden sind. Das Ziel der Kampagnenorganisation ist es, durch digitale Technologien Zugangsbarrieren zu politischen Prozessen abzubauen und neue Mitbestimmungsmöglichkeiten zu schaffen: "Damit die Themen, die vielen von uns schon lange unter den Fingernägeln brennen, endlich ins Licht der Öffentlichkeit und auf die politische Agenda kommen." (zitiert nach Website von #aufstehn: "#aufstehn stellt sich vor")

Aktionen gegen Hass im Netz

Für Maria Mayrhofer geht es aber auch darum, "wirklich aufzustehen für die Dinge, an die man glaubt" (zitiert nach Wiener Frauenpreis 2016: Maria Mayrhofer). Das Internet könne nur der erste Schritt sein. Dem Namen der Kampagnenorganisation entsprechend bleibt es nicht bei digitalen Tools. So folgte der #solidaritystorm-Aktion gegen Hass im Netz ein Flashmob am Wiener Karlsplatz: Etwa 100 Personen haben Reaktionen gegen sexualisierte Online-Gewalt nachgestellt. Die entstandenen Bilder können seither gegen Hasspostings im Internet eingesetzt werden. Darüber hinaus wurde ein Fünf-Punkte-Programm mit konkreten Forderungen an die Politik entwickelt, das dem Justizminister gemeinsam mit den 16.773 Unterstützungserklärungen überreicht wurde. Mit Erfolg: Einige der Forderungen, wie eine Beratungs- und Meldestelle gegen Hass im Netz, wurden bereits realisiert. Mittlerweile bietet #aufstehn auf www.solidaritystorm.at eine Plattform an, auf der man gegen Hass und sexualisierte Online-Gewalt aktiv werden kann.

Engagement für unterschiedliche Themen

Solche Formen des Engagements im Internet wie im echten Leben strebt Mayrhofer mit #aufstehn in unterschiedlichen Themenbereichen an. Auch gegen Rechtsextremismus hat #aufstehn sichtbare Zeichen gesetzt. "In Traiskirchen haben wir als Antwort auf Flugblätter der Identitären, die Flüchtlinge abschrecken sollten, eine Gegenaktion gestartet", erzählt Mayrhofer im Interview mit dem Profil (zitiert nach Christina Feist auf profil.at, 2016: "#aufstehn: 'Wir wollen Alternativen anbieten'"). Tausende Willkommensbotschaften an Geflüchtete wurden von Freiwilligen übersetzt, auf Postkarten gedruckt und verteilt.

2016 hat sich #aufstehn gegen den Akademikerball engagiert. Die Organisation rief dazu auf, das jährliche Zusammentreffen schlagender Burschenschaften und rechter Politikerinnen und Politiker aus ganz Europa in ein Charity-Event zu verwandeln und somit auf den Kopf zu stellen. Ballkarten unterschiedlicher Preiskategorien konnten auf der Website von #aufstehn durch Spenden umgewidmet werden. Der Erlös wurde dem Projekt "Flüchtlinge Willkommen" gespendet.

Anlässlich der Bundespräsidentschaftswahl 2016 ist #aufstehn unter dem Motto "Amoi geht's no!" aktiv geworden und hat 50.000 Türhänger produziert. Zugleich entwickelte #aufstehn ein eigenes Online-Tool mit Telefon- und Messengerdiensten. Damit konnten sich Menschen außerhalb von Parteistrukturen engagieren und ihr persönliches Umfeld zur Wahl motivieren. Mit der Initiative sollten jene erreicht werden, die von der traditionellen Wahlwerbung nicht angesprochen werden oder von der Wahlwiederholung frustriert waren (vergleiche Presseaussendung "'Amoi geht's no!': 50000 Wahltürhänger für ganz Österreich").

In Österreich sei diese Art des politischen Aktivismus noch neu, erklärt Mayrhofer dem Magazin The Gap. Graswurzelbewegungen, die aus der Zivilgesellschaft entstehen, sind in anderen Ländern wie den USA und Großbritannien viel stärker verbreitet. #aufstehn sieht sich als solche Bewegung und versteht sich als Teil eines internationalen Netzwerkes progressiver Online-Kampagnenorganisationen (vergleiche Barbara Fohringer auf thegap.at, 2016: "Wir sind viele und wir stehen hinter euch"). Als solche hat #aufstehn in den letzten zwei Jahren zahlreiche Themen bearbeitet und sich zum Beispiel gegen die Handelsabkommen TTIP und CETA, für eine Senkung der Steuer auf Tampons, gegen Umweltzerstörung, für den freiwilligen Schulbesuch jugendlicher Flüchtlinge und für eine menschliche Asylpolitik engagiert. "Du wirst das eh nicht ändern. Und du, Mädel, wirst es schon gar nicht ändern." (zitiert nach Wiener Frauenpreis 2016: Maria Mayrhofer) Diese landläufige Meinung, dass man die Dinge eh nicht ändern könne, hat Maria Mayrhofer inzwischen eindeutig widerlegt.

Publikationen

Maria Mayrhofer. 2012. Gender und Nationale Identität im Westsahara-Konflikt. Implikationen für saharauische Frauen und weiblichen Aktivismus. Frankfurt am Main: Peter Lang

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