Andrea Brem

Andrea Brem wurde 2018 in der Kategorie Gewaltschutz mit dem Frauenpreis ausgezeichnet.

Andrea Brem mit dem Frauenpreis in den Händen

Preisträgerin Andrea Brem

"Jede Frau, der es irgendwie gelingt, aus [der] Gewaltsituation zu entkommen, jedes Kind, bei dem es gelingt, dass es aus der Gewaltspirale aussteigt und später einmal nicht selbst Täter oder Opfer wird, ist ein großer Gewinn", benennt Andrea Brem eine der wichtigsten Motivationen für ihr Engagement im Kampf gegen Gewalt an Frauen (zitiert nach diestadtspionin.at, März 2011). Schon mit 14 Jahren war es ihr Ziel, Sozialarbeiterin zu werden. Sie wollte mit Frauen arbeiten und diese dabei unterstützen, Krisensituationen zu überwinden. Während ihrer Ausbildung an der Sozialakademie Anfang der 1980er-Jahre war Andrea Brem Praktikantin im Wiener Frauenhaus - und wenige Jahre später kehrte sie 1988 als angestellte Mitarbeiterin dorthin zurück.

Inzwischen gibt es etwa 30 Frauenhäuser in Österreich, 4 davon in Wien. Andrea Brem hat 3 der Wiener Häuser konzeptioniert sowie auch deren Raumplanung und Einrichtung mitgestaltet. 2001 wurde Brem Geschäftsführerin und seitdem ist der Verein Wiener Frauenhäuser stark gewachsen: Das Angebot an Plätzen und Prekariumswohnungen wurde nahezu verdoppelt, auch wurden Qualitätsstandards entwickelt und die Zahl der Mitarbeiterinnen auf mehr als 100 erhöht.

Aktive Öffentlichkeitsarbeit für Frauenhäuser

1978, als eine Gruppe von Studentinnen der Sozialakademie mit Unterstützung von Politikerinnen wie Johanna Dohnal und Irmtraut Karlsson in einer Wiener Altbauwohnung das erste Frauenhaus eröffnete, waren noch viele der Meinung, dass Gewalt gegen Frauen in der Familie nicht existiere. Inzwischen herrscht gesellschaftlicher Konsens, dass häusliche Gewalt zu verurteilen ist, und die Relevanz der in den Frauenhäusern geleisteten Arbeit ist im Bewusstsein verankert - nicht zuletzt aufgrund der steten und sensiblen Öffentlichkeitsarbeit der Wiener Frauenhäuser, die wesentlich von Andrea Brem gestaltet wird.

Gemeinsam mit einer Werbeagentur hat sie in den letzten Jahren zahlreiche Kampagnen entwickelt. Die Plakatserien, Poster, Freecards, Radio-, TV- und Kino-Spots sprechen das Thema Gewalt gegen Frauen offensiv an: zum einen, um die Problematik zu enttabuisieren und gesellschaftlich sichtbar zu machen, zum anderen, um betroffene Frauen zu erreichen und sie zu informieren. Die Kampagnen wurden mehrfach ausgezeichnet: beispielsweise die "Wohnungsanzeige" aus dem Jahr 2010, eine Online-Kampagne, die als Immobilienanzeige getarnt auf das häusliche Umfeld als häufigsten Ort von Gewalt gegen Frauen hinweist und unter anderem in Cannes auf der Shortlist stand. Die aktuellste Kampagne aus dem Jahr 2016/17 betont Empowerment und zeigt betroffene Frauen, die sich wehren und es schaffen, aus der Gewaltspirale auszusteigen.

Wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit sind auch die Schulungen und Vorträge in sozialen Einrichtungen, Polizeibehörden und Schulen, die Andrea Brem und ihr Team seit Jahren durchführen und die die Zusammenarbeit mit den Behörden stark verbesserten.

Medienarbeit und Studien

Andrea Brem macht sich auch in anderen Medienbereichen für die Sichtbarkeit von Frauen stark. Im ORF-Stiftungsrat, in den sie von 2010 bis zu dessen Neubesetzung 2018 für die Bundesregierung entsandt war, war es ihr ein Anliegen, Frauenthemen zu stärken. Als Mitglied des Österreichischen Werberats arbeitete sie an der Entwicklung des "Ethik-Kodex" mit, einer freiwilligen Selbstbeschränkung, die diskriminierende, die Würde des Menschen verletzende oder irreführende Werbemaßnahmen verhindern soll. Brem leitete die Arbeitsgruppe, die die Themenbereiche Gewalt und Kinder in der Werbung thematisierte.

Trotzdem sich seit 1978 vieles - auch rechtlich - verbessert hat, ist in Österreich immer noch jede 5. Frau zumindest einmal in ihrem Leben häuslicher Gewalt ausgesetzt - physischer wie psychischer. Letztere vor allem werde bis heute oft tabuisiert oder bagatellisiert, betont Andrea Brem. Um Probleme wie diese ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und Aufklärungsarbeit zu leisten, aber auch um praktische und theoretische Ansätze weiterzuentwickeln, initiierte und organisierte sie mehrere Tagungen und Studien, wie beispielsweise 2011 die Fachkonferenz und Studie "Selber schuld?" zu sexualisierter Gewalt, in der verharmlosende Vorurteile und Mythen dekonstruiert sowie Begriffsdefinitionen und progressive Handlungsansätze entwickelt wurden.

2013 und 2014 veranlasste sie eine Studie zu psychischer Gewalt in Partnerschaften, die gemeinsam mit der Gesundheitsbeauftragten der Stadt Wien und der Karmasin Motivforschung durchgeführt wurde.

Gewalterfahrungen betreffen potenziell alle Frauen: "Die Grausamkeit der Gewalt ist nicht an irgendetwas geknüpft. Es ist kein Thema der Herkunft, es gibt keine Kultur, in der Gewalt gegen Frauen nicht vorkommt." (zitiert nach Interview in Das Milieu, 15.08.2018). Allein die Form der Gewalt ändere sich und insofern suchen Frauen unterschiedlichster Herkunft und Hintergründe Hilfe: Andrea Brem ist es wichtig zu betonen, dass die Frauenhäuser alle aufnehmen, egal woher sie kommen. "Ich möchte es nicht erleben, dass eine Frau, lediglich, weil sie keinen Platz bekommen hat, weiterer oder schlimmerer Gewalt ausgesetzt ist." (zitiert nach ebenda)

Weitere Tätigkeitsbereiche

2013 gründeten die Wiener Frauenhäuser, das Frauenhaus in Graz und das Haus der Frau in St. Pölten den Zusammenschluss Österreichischer Frauenhäuser (ZÖF), um sich besser zu vernetzen. Andrea Brem wurde dessen Vorsitzende.

Im Herbst 2018 feierte sie mit dem Verein Wiener Frauenhäuser dessen 40-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass entstand die Ausstellung "'Am Anfang war ich sehr verliebt …'- 40 Jahre Wiener Frauenhäuser" im Volkskundemuseum, die Brem gemeinsam mit Anne Wanner auch ko-kuratierte. Sie zeichnete hierfür die Entwicklungslinien der Frauenhäuser nach, thematisierte die Erfolge und Rückschläge dieser Jahre sowie die Aktualität der Problemfelder und Arbeitsbereiche. Diese Debatten, so Brem, "sind aktueller denn je" und Frauenpolitik zu betreiben heute ebenso wichtig wie in den 1970ern - besonders angesichts der frauenpolitischen Rückschritte der vergangenen Jahre.

Als Beispiel dafür nennt Andrea Brem die geteilte Obsorge, die Frauen, die häusliche Gewalt erfahren, häufig betrifft, sie erpressbar macht und einer möglichen weiteren Drangsalierung des Partners ausliefert. Und da Frauen noch viele Führungspositionen verschlossen bleiben und Frauen mit Kindern am Arbeitsmarkt benachteiligt werden, fordert Andrea Brem Frauenquoten. "Besonders in Entscheidungsgremien und Aufsichtsräten sind diese eine Notwendigkeit", ist sie überzeugt, so lange, bis Ausgeglichenheit hergestellt ist und die Machtverhältnisse sich verändert haben.

Sie versteht ihre Arbeit als politisch, besonders jene in den Frauenhäusern. Ihr Ziel ist das Sichtbarmachen von Gewalt gegen Frauen und Kindern und die Selbstermächtigung der betroffenen Frauen. Und trotz des seit einiger Zeit wahrnehmbaren Backlash in der Frauenpolitik: Die Akzeptanz für die Arbeit der Frauenhäuser ist heute unumstritten. Und jede ehemalige Klientin, die erzählt, dass es ihr jetzt gut gehe, bestärkt Andrea Brem und ihre Mitarbeiterinnen in ihrer Arbeit. In den vergangenen Jahren wurde sie dafür mehrfach geehrt, zum Beispiel mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien.

Andrea Brem erhielt 2018 den Wiener Frauenpreis im Bereich Gewaltschutz, damit ihre Arbeit und die ihrer Mitarbeiterinnen noch sichtbarer wird und damit auch die Frauen und Kinder, für die sie sich einsetzen, sichtbar werden.

Ausgewählte Publikationen und Studien

  • Verein Wiener Frauenhäuser (2015): "Beschädigte Seele". Über Zusammenhänge zwischen häuslicher Gewalt und psychischer Erkrankungen. ZÖF-Tagungsreihe 2015, Graz - Wien - St. Pölten: 1,2 MB PDF
  • Karin Berger, Andrea Brem (2008): Am Anfang war ich sehr verliebt. Frauen erzählen von Liebe, Gewalt und einem Neubeginn im Frauenhaus. Wien: Mandelbaum Verlag

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