Wien Kulturgut: Historische Landschaftsentwicklung

Bis zum Hochmittelalter floss die Donau direkt an den Stadtmauern vorbei und verlagerte sich seither immer weiter weg von der Stadt nach Norden. So lautet zumeist etwas verkürzt dargestellt die Geschichte der Wiener Donau.

Ganz so einfach war die Sache aber nicht, denn seit dem späten 15. Jahrhundert zeichnen sich im Wiener Donausystem mehrere flussmorphologische Phasen ab. In jeder dieser Phasen entwickelte der Fluss einen stark gewundenen, zeitweise sogar mäandrierenden Hauptarm, der sich immer weiter von Nussdorf aus Richtung Stadt vorschob. War der Flusslauf zu stark gewunden, dann kürzte die Donau den Flussbogen bei einem größeren Hochwasser weiter im Norden wieder ab und das Spiel begann von vorne. Seit ungefähr 1450 nach Christus haben vermutlich drei solcher Zyklen stattgefunden, wobei jeder einzelne davon circa 100 bis 130 Jahre dauerte. Beim vierten Zyklus kam im Jahr 1870 die Wiener Donauregulierung dazwischen.

Die Donau-Auen waren im ausgehenden Mittelalter keineswegs mehr ungenutztes Land. Vielmehr hingen zahlreiche Interessen an den Ressourcen der Flusslandschaft: Holzgewinnung, Jagd, Fischerei, Weidenutzung und nicht zu vergessen die Funktion der Donauarme als Transportwege. Durch die hohe Dynamik der Donau ergaben sich zahlreiche, zum Teil über Jahrhunderte andauernde Probleme und Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessenvertreterinnen und -vertretern. Am bekanntesten sind die intensiven Bemühungen der Wienerinnen und Wiener, die wichtigste Versorgungsroute zur Stadt, den Wiener Arm (heutiger Donaukanal), schiffbar zu erhalten. Dieser Kampf gegen die Dynamik der Donau währte zumindest seit dem 15. Jahrhundert bis zur Donauregulierung von 1870 bis 1875.

Ab den 1770er-Jahren wurden entlang der Donauarme erste größere Hochwasserschutzdämme errichtet, um die Aulandschaft besser nutzen und besiedeln zu können. Mit zunehmendem Nutzungsdruck stieg auch die Notwendigkeit, weitere Regulierungen und Schutzbauten vorzunehmen. Richtig ausbreiten konnte sich die Stadt Wien in den Donau-Auen aber erst nach dem Abschluss der Donauregulierung 1875.

Ab diesem Zeitpunkt ist auch eine sprunghafte Ausweitung der Siedlungsgebiete im Umland der Donau und ihrer Wiener Zubringer erkennbar. Der Wienfluss mit seinem Hang zu springflutartigen Hochwässern nahm bis ins späte 19. Jahrhundert weite Flächen des Wientales ein. Bis zu 250 Meter breit war sein Flussbett, das beim Schloss Schönbrunn und innerhalb des Linienwalls (heutiger Gürtel) bereits früh reguliert wurde. Obwohl er zeitweise nur sehr wenig Wasser führte, existierten hier bereits seit dem Hochmittelalter zahlreiche Mühlen; lange Mühlbäche säumten den Fluss. Nicht viel anders war es an der Liesing, deren Bett ehemals bis zu 70 Meter breit war. Ihr Wasser wurde fast vollständig durch zahlreiche Mühlbäche ausgeleitet.

Die Rekonstruktion der Wiener Landschaft beruht auf der interdisziplinären GIS-basierten Auswertung von mehr als 1.000 historischen Karten und Ansichten, schriftlichen Quellen, Berichten, geologischen und archäologischen Daten. Die Arbeiten wurden im Rahmen der beiden FWF-Projekte "ENVIEDAN" (P22265-G18) und "URBWATER" (P25796-G18) durchgeführt (Projektleitung: Verena Winiwarter, AAU Klagenfurt).

Bei den angeführten Jahreszahlen der Rekonstruktionen handelt es sich zumeist um eine "mittlere" zeitliche Einstufung. Denn einige Kartenwerke sind im Laufe mehrerer Jahre entstanden oder es wurden verschiedene Detailkarten mit geringfügig abweichender Datierung verwendet. Beispielsweise beruht die Rekonstruktion 1780 auf der Josephinischen Landesaufnahme 1773 bis 1781, der Wienfluss-Aufnahme von Brequin 1783, dem Stadtplan von Nagel 1770 bis 1781 und zahlreichen anderen Detailplänen von 1775 bis 1783.

Konzept und Entwurf: Severin Hohensinner, BOKU Wien
Bearbeitung Donau-Auen: Bernhard Lager, Verena Schuller und Andreas Hahmann (2012 bis 2014); Wienfluss: Julian Reichstein (2014 bis 2015); Liesingbach und Umland: Julia Tanzer und Alexander Streitberger (2014 bis 2015)

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