Brigitte Ederer

Brigitte Ederer wurde 2006 für "besondere Leistungen im Bereich Wirtschaft und Management" mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.

Als Brigitte Ederer 1995 Bundesgeschäftsführerin der SPÖ wird, schenken ihr die Jugendorganisationen, in denen sie früher selbst aktiv gewesen ist, Boxhandschuhe - ein Symbol, an das sie sich auch in ihrer späteren beruflichen Laufbahn erinnern möchte und stets sichtbar in ihrem Büro platziert. Durchboxen müssen sollte sich Brigitte Ederer nicht nur in ihren politischen Ämtern, sondern auch in ihrer späteren Karriere als Industriemanagerin.

Biografie

1956 in Wien geboren, studiert sie an der Universität Wien Volkswirtschaft. Die 1970er-Jahre sind von einer "Aufbruchsstimmung" und sozialen Aufstiegschancen geprägt. Nicht zuletzt die Kreisky-Ära hat den Möglichkeitsraum dafür geschaffen, so Ederer, dass sie - als Kind einer alleinerziehenden Arbeiterin - studieren kann. Während des Studiums ist sie beim VSStÖ (heute: Verband Sozialistischer Student_Innen) aktiv und findet schließlich eine Anstellung in der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK (Kammer für Arbeiter und Angestellte). Brigitte Ederer hat 1980 ihr Studium abgeschlossen und ist in den kommenden Jahren stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Jugend. Zu dieser Zeit beginnt sie sich auch in der SPÖ Leopoldstadt zu engagieren. 1983 wird sie schließlich Nationalratsabgeordnete. 1990 wird sie zur stellvertretenden Klubobfrau gewählt und hat diese Position bis zu ihrer Ernennung zur Staatssekretärin für Europafragen 1992 inne.

Als sie kurz nach Amtsantritt als Staatssekretärin im Radio Ö1 "in Journal zu Gast" ist, möchte der interviewende Reporter wissen, warum sie sich niemals mit der doch so wichtigen Frage der Frauenemanzipation beschäftigt habe (Mittagsjournal, 11.4.1992). Ob sie das Thema nicht mehr betroffen hätte, weil sie zu jung sei, um noch eine Benachteiligung gespürt zu haben? Dieser These muss sie widersprechen. Gerade weil sie oft als einzige Frau in politischen Gremien sitzt -die prinzipiell mit der Anrede "sehr geehrte Herren" eingeleitet werden - weiß sie sehr wohl um die Geschlechterungleichheit. Für sie selbst waren eben andere Themen genauso brennend, muss sie sich rechtfertigen, wie die Ausgestaltung der Staatstätigkeit, die politische Zukunft der Sozialdemokratie oder der Kampf gegen Ungleichheit angesichts komplexer und heterogener werdender Bedürfnisse.

Die politischen Themen, mit denen sie sich in den kommenden Jahren als Staatssekretärin auseinandersetzt, stehen eng mit der Frage des EU-Beitritts in Zusammenhang. "Österreich kann nur als EG-Mitglied weiter Österreich bleiben", wirbt Brigitte Ederer damals vor dem Referendum (zitiert in: Ö1 Mittagsjournal, 3. 8.1992). Mit dem "Ederer-Tausender" prophezeit sie Ersparnisse für Konsumentinnen und Konsumenten. Obwohl sie damals gemeinsam mit Alois Mock in Brüssel verhandelt, ist es dennoch in erster Linie der ÖVP-Außenminister, der nach der positiven Volksabstimmung im Juni 1994 mit dem österreichischen EU-Beitritt assoziiert wird. Zehn Jahre nach dem Beitritt ziehen Ederer und Mock im "Falter" ein Resümee ihrer damaligen Zusammenarbeit, für das Ederer angeblich zum ersten Mal die ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse betritt. Während Ederer Mock das Versprechen abringen kann, sie künftig nicht mehr als Sozialistin, sondern als Sozialdemokratin zu bezeichnen, erzählt Alois Mock, er habe sich bei Brigitte Ederer immer gefragt: "Ist sie eine Linke oder ist sie keine? Es kam ja selten vor, dass wir unterschiedlicher Meinung waren" (zitiert in: Falter 29/5).

Unter Brigitte Ederer bezieht die SPÖ übrigens zum ersten Mal Stellung gegen die §§ 220 und 221, die Lesben und Schwule diskriminieren. (§ 220 StGB: Werbung für gleichgeschlechtliche Handlungen, § 221 StGB: Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Handlungen) In keinem anderen Land der EU gibt es eine derart diskriminierende Gesetzeslage, argumentiert sie und sie fordert die Streichung der Paragraphen, die 1997 auch tatsächlich erreicht wird.

Von 1995 bis 1997 ist Brigitte Ederer Bundesgeschäftsführerin der SPÖ , danach wechselt die Volkswirtschafterin von der Bundes- in die Landespolitik und übernimmt in Wien die Funktion der Finanz- und Wirtschaftsstadträtin. 2000 verabschiedet sich Ederer schließlich aus der Politik. In der Zeitung liest sie zwar noch immer den Politikteil als erstes, wie sie später erzählt, die Umgangsformen der Politik vermisst sie allerdings nicht.

Wirtschaftliche Karriere nach politischer Laufbahn

Nach Beendigung ihrer politischen Laufbahn macht sie auch in der Wirtschaft innerhalb weniger Jahre Karriere. Nach nur fünf Jahren als Vorstandsmitglied von Siemens Österreich wird sie 2005 zur Generaldirektorin und Vorstandsvorsitzenden ernannt.

Als sie 2006 mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet wird, argumentiert die Jury ihre Entscheidung damit, dass Ederer als "mächtigste Managerin des Landes" eine Vorbildfunktion für Mädchen und Frauen einnimmt - "eine wichtige Begleiterscheinung ihrer Karriere". Im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit nimmt Brigitte Ederer immer wieder Bezug auf die Schwierigkeiten, denen Frauen im Erwerbsleben begegnen. Sie ist überzeugt davon, dass immer mehr Frauen den hart erkämpften Zugang zum Berufsleben nicht mehr aufzugeben bereit sind und Männer künftig stärker in die Verantwortung für die traditionell weiblichen Tätigkeitsbereiche wie Haushaltsführung und Kindererziehung genommen werden müssen. Gleichzeitig kritisiert sie, dass es insbesondere in Österreich und Deutschland schwer ist, eine Erwerbsbiographie mit Mutterschaft zu vereinbaren. Frauen, die sich wie sie selbst gegen Kinder entscheiden, wird vonseiten der Gesellschaft zudem oft ein schlechtes Gewissen eingeredet. Alles lässt sich im Leben aber nicht unter einen Hut bringen, meint sie kürzlich und warnt vor dem Burnout-Risiko, das perfektionistische Ansprüche oft mit sich bringen: "Gerade junge Leute sind heute so aufgewachsen, als wäre alles möglich. Es ist aber nicht alles möglich. Man kann nicht einen sehr spannenden Job haben, sehr gut verdienen, Kinder haben, eine vollkommen funktionierende Familie und dann abends ausschauen wie Claudia Schiffer. Das wird nicht klappen. Diese Erkenntnis ist der heutigen Gesellschaft fast am schwierigsten zu vermitteln." (zitiert in Zeit online: 14.8.2014)

Berufliche Stationen als "erste Frau"

Brigitte Ederer war in vielen Tätigkeiten die erste Frau, etwa die erste Nationalratsabgeordnete der SPÖ unter dreißig, die erste weibliche Bundesgeschäftsführerin der SPÖ und die erste Finanz- und Wirtschaftsstadträtin Wiens. Auch im Siemens Konzern war sie die erste Frau in einer solchen Position. Obwohl sie in den zahlreichen Aufsichtsräten, in denen sie aktiv ist, hauptsächlich von Männern umgeben ist, lehnt Brigitte Ederer eine gesetzlich festgelegte Frauenquote in Aufsichtsräten ab, wie sie vor einigen Jahren erklärt. Die Aufsichtsratquote würde zu spät in der Biografie von Frauen greifen. Vielmehr müssten Frauen zwischen dreißig und vierzig gefördert werden, damit sie später für eine solche Position qualifiziert sind.

2010 wird Brigitte Ederer nicht nur Obfrau des Fachverbandes des Elektro- und Elektronikindustrie innerhalb der Österreichischen Wirtschaftskammer, sie wechselt auch zur Siemens AG nach München, wo sie unter anderem den Bereich Corporate Human Resources betreut. Bis zu ihrer frühzeitigen Abberufung im September 2013 ist sie dort für rund 370.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig. Ein Jahr später beginnt mit der Wahl zur Präsidentin des ÖBB-Aufsichtsrates ein neues Kapitel in Ederers Berufsleben.

Wichtige Etappen ihrer beruflichen Tätigkeit

  • Staatssekretärin für Europafragen (1992 bis 1995)
  • Bundesgeschäftsführerin der SPÖ (1995 bis 1997)
  • Wiener Finanz- und Wirtschaftsstadträtin (1997 bis 2000)
  • Geschäftsführerin von Siemens Österreich (2005 bis 2010)
  • Personalchefin der Siemens AG, München (2010 bis 2013)
  • Präsidentin des ÖBB-Aufsichtsrates (seit 2014)

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