Gespräch zum Frauentag "Frauen fordern ihre Rechte"

4 Frauen in Mänteln gehen lachend nebeneinander

Hilfe und Service für Frauen, Schutz vor Gewalt, gleiche Chancen am Arbeitsmarkt und Stadt fair teilen: Das sind Schwerpunkte der Interview-Partnerinnen Laura Wimmer (Frauenservice), Andrea Brem (Frauenhäuser), Ines Stilling (Arbeiterkammer) und Eva Kail (Stadtplanung).

Wir müssen leider mit einem aktuellen Thema einsteigen: Innerhalb weniger Tage wurden in Österreich 6 Frauen ermordet. Wie lassen sich solche Taten verhindern?

Andrea Brem: Das sind sehr unterschiedliche Fälle. Zum bestialischen Mord an 3 Prostituierten: Wir müssen darüber nachdenken, ob wir den Sexarbeiterinnen jemals genug Schutz geben können. In einigen nordischen Ländern ist die Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen verboten. Das wäre so auch in Österreich denkbar. Im einem 2. Fall wurden eine Frau und ihre 13-jährige Tochter erschlagen. Tatverdächtig ist der Vater des Mädchens, die Ermittlungen laufen. Hier ist zu prüfen, ob die Frau schon bei einer Beratungseinrichtung Hilfe gesucht hat. Ganz wichtig ist, das Umfeld in die Pflicht zu nehmen. Wenn es Probleme gibt, ist es notwendig, Beratung in Anspruch zu nehmen. Familie, Freund*innen, Nachbar*innen: Wer etwas bemerkt, sollte aktiv werden.

Laura Wimmer: Der 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien ist unter der Telefonnummer 01 717 19 rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und auf Wunsch anonym.

Die meisten Gewalttaten passieren im familiären Umfeld. Was sind Alarmsignale?

Andrea Brem: Sobald eine Frau vor dem Partner Angst hat, stimmt etwas nicht. Streitereien sind ganz normal. Aber wenn ich abgewertet, kontrolliert und beschämt werde, ist eine Grenze überschritten. Das ist wie ein Spinnennetz: Die Frauen haben auf Druck des Mannes kein soziales Umfeld mehr, sie glauben irgendwann, dass sie nichts wert sind. Und kommen nicht mehr weg. Sicher sind sie im Frauenhaus. Wir sind für Notfälle unter 05 77 22 erreichbar.

Gewaltschutz ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Trotzdem: Wie können sich Mädchen und Frauen schützen?

Laura Wimmer: Gewaltschutz als gesellschaftliche Aufgabe unterstreiche ich ganz klar. Mädchen und Frauen müssen selbstbestimmt und sicher leben können. Wichtig ist jedenfalls die Arbeit mit Buben und Männern.

Das Thema Sicherheit ist auch bei der Stadtplanung wichtig. Was tut Wien da?

Eva Kail: Der gefährlichste Raum für Frauen ist immer noch die eigene Wohnung. Im öffentlichen Raum können wir das subjektive Sicherheitsgefühl zum Beispiel durch mehr Licht erhöhen. Ein Gesicht sollte auf 10 Meter Entfernung erkennbar sein. Lichtquellen dürfen nicht eingewachsen sein, Hauseingänge gut einsichtig. Manche Frauen reagieren auf Unsicherheit mit Mobilitätsverzicht. Das wollen wir verhindern.

Was bedeutet gendergerechte Stadtplanung?

Eva Kail: Gender Planning heißt, dass wir auf den unterschiedlichen Bedarf diverser Zielgruppen eingehen. Auch mit einem Rollator, einem Kinderwagen oder einem Gipsfuß muss Mobilität möglich sein. Hinzu kommt, dass Frauen viel mehr zu Fuß gehen und den öffentlichen Verkehr nutzen. Außerdem schätzen Frauen sichere und bequeme Radwege - da tut Wien gerade viel und baut die Radinfrastruktur aus. Parks werden in Wien geschlechtssensibel geplant und bespielt - mit mehr Sitzmöglichkeiten, unterschiedlichen Sportangeboten und Treffpunkten.

Welche Angebote hat die Stadt Wien, um Frauen zu stärken?

Laura Wimmer: Seit 5 Jahren gibt es zum Beispiel das Frauenzentrum. Es ist eine zentrale Anlaufstelle für alle Themen, die Frauen betreffen: Trennung, Obsorge, finanzielle Probleme oder psychische Überlastung. Jetzt, im Rahmen der Frauenwoche, stehen unzählige Veranstaltungen auf dem Programm. Im April ist wieder Töchtertag. Wir haben in Wien 5 Frauenhäuser.

Und trotzdem verdienen Frauen immer noch weniger als Männer, sind öfter finanziell abhängig. Welche frauenspezifischen Themen sind rund ums Thema Arbeit drängend?

Ines Stilling: Wir leben in einer Stadt, in der Kindergarten und Schule so organisiert sind, dass beide Partner*innen arbeiten können. Grundsätzlich ist die Lage in Wien deutlich besser als in den Bundesländern. Wir haben Kindergärten und Schulen, die ganztags offen haben. In Wien gibt es leistbare Ferienbetreuung - und nicht nur die Oma, die im Notfall einspringt. Trotzdem: Der Kern des Problems ist, dass Berufe, in denen vermehrt Frauen arbeiten, schlechter bezahlt sind. Das muss sich ändern. Ein anderes Thema ist die Teilzeitarbeit: Frauen arbeiten oft aus einem Bedarf heraus nicht Vollzeit - und haben hohe Einbußen bei der Pension. Altersarmut ist zu einem großen Teil weiblich. Wenn Frauen in Teilzeit Überstunden machen, fallen sie fast immer um die Zuschläge um. Das Thema Pflege von Angehörigen holt viele Frauen aus dem Arbeitsmarkt. Und nicht zuletzt brauchen wir bessere Aus- und Weiterbildung.

Lässt sich die unbezahlte Care-Arbeit von Frauen - wie Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung und Hausarbeit - in Zahlen abbilden? Welchen Wert hat diese für die Gesellschaft?

Ines Stilling: Das Momentum Institut hat berechnet, dass die unbezahlte Sorgearbeit den Frauen rund 57 Milliarden Euro eingebracht hätte. Während Männer täglich etwa 2 Stunden mit Tätigkeiten im Haushalt wie Einkaufen, Putzen, Waschen, Kochen oder der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen verbringen, sind es bei Frauen fast 4 Stunden.

Eva Kail: Corona hat uns da wieder zurückgeworfen. Frauen haben wie selbstverständlich daheim die Schule ersetzt und nebenher im Homeoffice gearbeitet. Aber meistens in der Küche - den Schreibtisch hatte der Mann. Die Krise hat die politischen Prioritäten gezeigt. In Dänemark haben die Schulen als erstes wieder geöffnet - in Österreich die Baumärkte.

Andrea Brem: Das zeigt, wie wichtig es ist, dass Frauen in stärker vertreten sind. Es ist nicht viel weitergegangen in den letzten 40 Jahren. Frauen müssen mehr fordern.

Was sind die wichtigsten Punkte?

Andrea Brem: Wir müssen mehr Geld für die Gewaltprävention in die Hand nehmen.

Laura Wimmer: Die alten Rollenklischees müssen endlich der Vergangenheit angehören.

Ines Stilling: Es gibt so viele großartige Frauen da draußen - die will ich alle sehen. Frauen müssen sich mehr Raum nehmen in der Gesellschaft.

Eva Kail: Die Gesellschaft, die Wirtschaft, unser ganzer Lebensraum verändern sich radikal. Frauen müssen dabei aktiv mitgestalten können.

Welchen Rat geben Sie Mädchen und jungen Frauen, die sich gerade beruflich orientieren?

Ines Stilling: Such dir einen Job, den du gern machst. Denn du wirst ihn sehr lange machen.

Laura Wimmer: Mädchen sollten dabei die ganze Bandbreite berücksichtigen.

Eva Kail: Wir brauchen mehr Frauen in technischen Berufen, damit sie ihre Perspektive stärker einbringen.

Andrea Brem: Und wir müssen sicherstellen, dass alle Mädchen die freie Wahl haben. Das ist nicht selbstverständlich.

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