Der Friedhof der Namenlosen

Video: Friedhof der Namenlosen

Der Friedhof der Namenlosen ist nicht einfach zu finden. Nur ein paar Schilder am Wegesrand weisen auf diesen Ort beim Stromkilometer 1.918 mitten im Alberner Hafen hin. Ein Wasserwirbel fing hier bis 1939 neben morschem Treibholz auch an die 600 Menschenleichen ein.

Weltweit ist dieser Friedhof die einzige Begräbnisstätte, die ausschließlich den Opfern eines Flusses vorbehalten ist. Bis 1940 fanden Ermordete, Unfallopfer und Opfer ungeklärter Kriminalfälle hier ihre letzte Ruhe. Dabei handelte es sich meistens um unbekannte Tote, die hier angeschwemmt und gleich begraben wurden.

Schlichte eiserne Kreuze

Friedhof der Namenlosen

Schlichte Kreuze aus Schmiedeeisen sind die einzigen Zeugen, die an die Opfer des Flusses erinnern. Manchmal findet man an den Kreuzen noch ein Schild, meistens von Hand beschrieben: "Namenlos", "unbekannt", "männlich", "weiblich" und vielleicht ein Datum, an dem die Leiche angeschwemmt wurde. Nur bei wenigen Gräbern findet sich ein Hinweis darauf, wie diese Menschen gestorben sind.


Geschichte des Friedhofs

Eingang zum Friedhof der Namenlosen

Der Friedhof der Namenlosen besteht aus 2 Teilen. Der ältere Bereich des Friedhofs ist heute kaum mehr zu sehen. Bäume und Sträucher haben die Begräbnisstätte überwuchert. Immer wieder wurde dieser Friedhofsteil überschwemmt. Der Auwald hat heute die Totenstätte wieder in Besitz genommen. Auf diesem Teil des Friedhofs wurden bis zur Jahrhundertwende die angeschwemmten Wasserleichen bestattet.

Der neuere Friedhofsteil entstand 1900 jenseits des Schutzdammes. 1935 erhielt der Friedhof bei den Arbeiten zur Verstärkung des Schutzdammes eine steinerne Umfassungsmauer und die Auferstehungskapelle. Auf dem neuen Teil des Friedhofs der Namenlosen wurden im Zeitraum 1900 bis 1940 insgesamt 104 Wasserleichen beerdigt. Nur 43 davon konnten identifiziert werden.

Auferstehungskapelle beim Friedhof der Namenlosen

Auferstehungskapelle

Im Jahr 1939 wurden der Alberner Hafen und die Getreidesilos gebaut. Durch die Hafenregulierung änderten sich die Strömungsverhältnisse im Donaustrom. Seither werden kaum mehr Leichen an dieser Stelle angeschwemmt. Und wenn doch, werden diese Toten auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt.

Auf dem Friedhof der Namenlosen fand nach offiziellen Quellen die letzte Beerdigung im Jahr 1940 statt. Der stillgelegte Friedhof der Namenlosen wird heute vom Hafen Wien sowie der Stadt Wien erhalten.

Totengräber Josef Fuchs

Grab am Friedhof der Namenlosen

Mit der Geschichte und der Erhaltung des Friedhofs ist der ehrenamtliche Totengräber Josef Fuchs untrennbar verbunden: Er hat den Friedhof mit großer Sorgfalt betreut und bis 1939 die Wasserleichen begraben. Fuchs kümmerte sich auch nach seiner Pensionierung noch um die Gräber, bis er im Frühling 1996 im Alter von 90 Jahren starb.

Für seine unermüdliche Arbeit wurde Josef Fuchs vom Land Wien mit dem Goldenen Verdienstzeichen geehrt. Auch eine Gedenktafel bei der Auferstehungskapelle erinnert an den ehemaligen Totengräber.

Fuchs hat auch dafür gesorgt, dass ganz im Widerspruch zum Namen des Friedhofs viele der Toten nicht ganz namenlos geblieben sind. Wenn eine Leiche aus der Donau gefischt wurde, begann Josef Fuchs zu recherchieren. Von all den Leichen, die er selbst begrub, konnte Fuchs bis auf eine einzige alle identifizieren.


Jährliche Gedenkfeier

Den Opfern der Donau und den Toten auf dem Friedhof der Namenlosen wird jedes Jahr gedacht. Am Nachmittag des ersten Sonntags nach Allerheiligen versammeln sich die Mitglieder des Fischervereins Albern, um ein von ihnen gebautes Floß, geschmückt mit Kränzen, Blumen und brennenden Kerzen, zu Wasser zu lassen.

Auf dem Floß befindet sich ein symbolischer Grabstein mit der Inschrift "Den Opfern der Donau" und der in den Sprachen Deutsch, Tschechisch und Ungarisch verfassten Bitte, das Floß, wenn es am Ufer hängen bleiben sollte, einfach weiterzustoßen.

Der Prozessionszug zieht dann zum Ufer der Donau hinunter, begleitet von einer Musikkapelle. Mit einer Holzzille bringen die Fischer das Floß in die Mitte des Stroms, um es zum Gedenken an die anonymen Opfer des Donaustroms den Fluten zu übergeben. Manche dieser Flöße sollen sehr weit getrieben sein, bis sie sich auflösten.

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