Grundpositionen zum automatisierten Fahren

Das Auto der Zukunft wird sich selbstständig im Verkehr bewegen können. Für die Stadt Wien stellt sich die Frage, wie automatisiertes Fahren einen Beitrag dazu leisten kann, dass Wien eine der lebenswertesten Städte der Welt bleibt.

Startknopf in einem selbstfahrenden Auto leuchtet "Grün"

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich vollautomatisiertes Fahren großflächig durchsetzen wird.

Wie könnte urbane Mobilität dann aussehen? Wird es mehr oder weniger Autoverkehr geben? Welche Auswirkungen wird diese Entwicklung auf den öffentlichen Raum in der Stadt haben? Wer wird in Zukunft im Verkehr für uns denken und welche Moralvorstellungen werden uns begleiten? Diese Fragen rund um das Zukunftsthema "autonomes Fahren" werden von der Stadt Wien in einem Grundsatzpapier erörtert.


Wiener Antworten zum automatisierten Fahren

Schon heute ist Wien im internationalen Vergleich eine der lebenswertesten Städte der Welt. Jetzt geht es darum, auch in der Frage der Mobilität eine Vorreiterrolle einzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich vollautomatisiertes Fahren auch in Wien großflächig durchsetzen wird. Es müssen jedoch noch ein paar Weichen richtig gestellt werden, damit ein für alle akzeptables, dem Gemeinwohl verpflichtetes Mobilitätssystem entsteht.

Grundpositionen und Regelungsbedarf

Während die technologische Entwicklung durch die Fahrzeug- und IT-Industrie vorangetrieben wird, ist es Aufgabe der Öffentlichen Hand auf die Wirkungen und Nebenwirkungen zu achten.

Raum und Effizienz

Raum von drei gängigen Verkehrsmitteln in einer Stadtstraße – Autos, Fahrräder und einem Bus

Ein nachhaltiges Verkehrssystem muss hocheffizient mit dem knappen öffentlichen Raum umgehen.

Was für die Bebauung in Städten gilt, gilt auch für das Verkehrssystem. Der knappe Raum muss möglichst effizient genutzt werden. Für Verkehr in der Stoßzeit gilt dies besonders. Der öffentliche Verkehr auf den Hauptachsen ist in dieser Hinsicht unschlagbar. Die Hochleistungsachsen des öffentlichen Verkehrs sind daher wegen ihrer Energie- und Raum-Effizienz unersetzbar.


Grundpositionen der Stadt

  • Fokussierung auf Randlagen und Verbindungen zwischen den Hauptachsen
    Autonome Services können attraktive und bedarfsorientierte Angebote für Stadtrandbereiche und die "letzte Meile" (als Zubringer zur U-Bahn und Wohnadresse) sein. In Randlagen sollen selbstfahrende Sammeltaxis den öffentlichen Verkehr ergänzen und unterstützen. Auch auf Verbindungen, wo aufgrund geringer Gesamtnachfrage größere Fahrzeuge nicht wirtschaftlich sind, wie zum Beispiel quer zu Hauptachsen, könnten bedarfsorientierte Mobilitätsdienste einen Mehrwert schaffen.
  • Anreize zu hohen Besetzungsgraden
    Die Anzahl der Personen pro Fahrzeug stellt einen enormen Hebel zur Vermeidung von Stau, Energieverbrauch und Emissionen dar. Daher sollen Ridesharing-Lösungen, also das Nutzen freier Sitze durch Mitfahrende, seitens der Stadt weiter ausgebaut werden. Diese sind ökonomisch und ökologisch sinnvoll.
  • Zusammenarbeit in der Region
    Wien strebt nachhaltige Siedlungsstrukturen in der gesamten Stadtregion an. Eine Region der kurzen Wege ist ökologisch und gesellschaftlich vorteilhaft.
  • Nachfrage nach Dauerstellplätzen sinkt
    Sharing-Flotten automatisierter Autos verbringen mehr Zeit mit Transportdienstleistungen als mit unproduktivem Parken. Bei konstanter Fahrleistung sinken somit die Flottengröße und der Stellplatzbedarf.
  • Öffentlicher Raum
    Selbstfahrende Autos bewegen sich regeltreu, defensiv und emissionsarm. Das eröffnet neue Chancen für attraktive öffentliche Räume zum Flanieren, Plaudern und Spielen.

Sicherheit

Visualisierung von selbstfahrenden Autos im Straßenverkehr

Autonome Fahrzeuge müssen im Verkehr mit konventionellen VerkehrsteilnehmerInnen zurechtkommen.

Selbstfahrende Autos dürfen in Wien erst dann zugelassen werden, wenn sie nachweislich signifikant sicherer fahren als Menschen.


Grundpositionen der Stadt

  • Eigensicherheit hat Vorrang
    Auch mit Teilausfällen von Systemen oder schlechter Witterung müssen autonome Fahrzeuge umgehen können.
  • Sicherheit im Mischverkehr
    Selbstfahrende Autos müssen im Verkehr mit konventionellen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern zurechtkommen. Besonders mit nicht-automatisierten Fahrzeugen im Mischverkehr sowie mit Radfahrenden sowie mit Fußgängerinnen und Fußgängern. Für diese sollen keine neuen Verpflichtungen entstehen, wie zum Beispiel das Mitführen von Geräten, durch die sie von den autonomen Fahrzeugen leichter erkannt werden könnten.

Infrastrukturen

E-Tankstelle im öffentlichen Raum

Mit Strom und ohne FahrerIn unterwegs in der Zukunft.

Das selbstfahrende Auto wird nicht plötzlich auf unseren Straßen auftauchen. Die Entwicklung erfolgt in mehreren Stufen. Das hat Auswirkungen nicht nur in der Verkehrsplanung, sondern auch in der Raumordnung und in der Parkraumbewirtschaftung. Tatsache ist: Der öffentliche Raum ist für alle Menschen da.


Grundpositionen der Stadt

  • Autonome Fahrzeuge müssen mit den bestehenden Verkehrsleiteinrichtungen und Verkehrszeichen umgehen können.
  • Es soll keine neuen, aufwändig hergestellten Infrastruktur-Einrichtungen im öffentlichen Raum geben, um in Übergangsphasen noch bestehende Schwächen von selbstfahrenden Autos auszugleichen. Dies soll durch technologische Weiterentwicklung am Fahrzeug selbst erfolgen.
  • Autonome Fahrzeuge dürfen sich nicht darauf verlassen, dass die öffentliche Infrastruktur sie in die Lage versetzt, sicher zu fahren. Das ist ihre eigene Aufgabe, auch haftungsrechtlich. Dabei passen sich automatisierte Fahrzeuge an öffentliche Räume an, nicht umgekehrt.
  • Die internationale Standardisierung darf nicht zu Lasten der Straßen-ErhalterInnen gehen.
  • Barrieren durch Verkehrsinfrastrukturen in städtischen Räumen sollen nicht zunehmen.

Verkehrssteuerung

Selbstfahrende Autobusse in Aspern

Probefahrt mit autonomen E-Bussen in der Seestadt aspern

Auf welchem Weg sich ein Fahrzeug zum Ziel bewegt, wird zunehmend von Algorithmen entschieden. Daher wird die Verkehrssteuerung in Zukunft stärker datenbasiert erfolgen. Zu etablierten Steuerungstechniken wie Verboten und Geboten sowie durch die Gestaltung von Straßenräumen kommen Anreizsysteme hinzu. Dieses erweiterte Repertoire ermöglicht eine treffsicherere Steuerung des Verkehrs. Durch Automatisierung und Digitalisierung wird dies zukünftig für alle Beteiligten einfacher umsetzbar und nutzbar.


Grundpositionen der Stadt

  • Datenbasierte Steuerung erfordert Daten
    • Autonome Fahrzeuge generieren viele Daten über den Straßen- und Verkehrszustand, Routen und Reisezeiten. Diese Daten müssen der öffentlichen Hand für Zwecke der Planung und Verkehrssteuerung anonymisiert und kostenfrei zugänglich sein.
    • Beim automatisierten Fahren sollen demokratisch legitimierte verkehrs-, umwelt- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen verfolgt werden.
  • Routing orientiert sich am Systemoptimum
    • Die Routenwahl ist entscheidend. Es soll keine Schleichwege durch Wohngebiete oder Schulstandorte geben.
    • Die Vorteile der vorhandenen Hochleistungs-Achsen des öffentlichen Verkehrs sollen genutzt werden
    • Überlastungszustände sollen vorausschauend erkannt und minimiert werden. Im Idealfall kommunizieren die vernetzten Navigationssysteme der autonomen Fahrzeuge ihre Streckenführung über eine Schnittstelle an die Wiener Verkehrsleitzentrale. Dabei wird besonders auf datenschutzkonforme Lösungen geachtet.
  • Mehr Lebensqualität und saubere Umwelt auch ohne Verzicht sind möglich
    Dazu müssen automatisierte Fahrzeuge über einen Kohlenstoff-freien Antrieb verfügen und einen hohen Besetzungsgrad aufweisen. Sie müssen ergänzend, nicht konkurrierend zu bestehenden Hochleistungsachsen des öffentlichen Verkehrs eingesetzt werden. Würden die gefahrenen Kilometer jedoch massiv ansteigen, würden diese sehr positiven Effekte überkompensiert und ins Gegenteil verkehrt.

BürgerInnen-Dialog im April 2019

Im April 2019 wurde in Wien ein Dialogtag abgehalten. 100 Wienerinnen und Wiener waren eingeladen, um gemeinsam zum Thema "Automatisierte Mobilität" zu diskutieren.

Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden in Wien dem Thema eher positiv gegenüberstehen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass es spürbare Verbesserungen bei der Verkehrssicherheit und klare Regeln für den Umgang mit Daten gibt. Aus den Ergebnissen der Veranstaltung wurde deutlich, dass eine reine Umstellung von konventionellen auf automatisierte Privat-Pkw nicht die Lösung unserer Herausforderungen im Mobilitätsbereich sein kann. Präferenzen für Zukunftsszenarien, die sich am öffentlichen Verkehr oder neuen Sharing-Angeboten orientieren, waren deutlich.

Das Format fand auch in anderen Städten des Landes und in der ganzen Welt statt. In Österreich wurde die Veranstaltung durch AustriaTech koordiniert. Um international Vergleichbarkeit zu ermöglichen, waren die Themen abgestimmt.

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