Geschlechtswechsel

Wir gehen heute von einem Geschlechtskontinuum zwischen den beiden Polen "weiblich" und "männlich" aus, also von einer großen Vielfalt möglicher Geschlechtspositionen und Trans*Identitäten.

Das Geschlecht wird bei der Geburt zugeordnet und im späteren Lebenslauf immer wieder auf das Neue vom sozialen Umfeld zugeschrieben. Deckt sich diese Zuschreibung nicht mit der subjektiven Empfindung, erzeugt dies Unbehagen in der Selbstwahrnehmung und in der sozialen Interaktion. Daher wollen viele Menschen, die so empfinden, ihr Geschlecht wechseln. In dieser Personengruppe gibt es eine Fülle unterschiedlicher, sehr individueller Ansichten über Geschlechter, Geschlechtszugehörigkeiten und auch sehr unterschiedliche Wünsche und Zugänge. Dennoch können Gemeinsamkeiten erkannt und beschrieben werden.

Unter Geschlechtswechsel wird meist der Übertritt vom einen zum anderen der herkömmlichen Geschlechter verstanden und an Menschen gedacht, die ständig und dauerhaft ihr Identitätsgeschlecht leben wollen.

Um Transgender-Personen ihren Weg zwischen den Geschlechtern zu erleichtern, hat der Wiener Landtag in einem Resolutionsantrag am 5. April 2013 Verbesserungen gesetzlicher Rahmenbedingungen zur Erleichterung der Lebensbedingungen von Transgender-Personen auf Bundesebene gefordert und sich für die freie Wahl des Vornamens sowie für die umfassende Anerkennung des gelebten und empfundenen Geschlechts ausgesprochen.

Zahlreichen internationalen Entwicklungen und neuen Erkenntnissen im Bereich Trans*gender Rechnung tragend, wurden die österreichischen "Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie beziehungsweise Transsexualismus nach der Klassifikation in der derzeit gültigen DSM beziehungsweise ICD-Fassung" von einer vom Gesundheitsministerium einberufenen multiprofessionellen, interdisziplinären ExpertInnen-Gruppe unter Einbindung des für Personenstandsrecht zuständigen Bundesministeriums für Inneres überarbeitet und 2014 neu herausgegeben. Sie gelten für erwachsene Menschen, also für Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Darin wurden auch die Wiener Regelungen zur Personenstandsänderung aufgegriffen und als für ganz Österreich verbindlich eingeführt. In weiterer Folge wurden auch Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie von Kindern und Jugendlichen von einer vom Gesundheitsministerium einberufenen multiprofessionellen, interdisziplinären ExpertInnen-Gruppe erarbeitet und am 19.12.2017 veröffentlicht.

  • Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Erwachsenen: 300 KB PDF
  • Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Kindern und Jugendlichen: 400 KB PDF

Wie kann das Geschlecht geändert werden?

Die neuen Empfehlungen für den Behandlungsprozess des zuständigen Bundesministeriums für Gesundheit orientieren sich in weiten Teilen an:

  • "Standards of Care for the Health of Transsexual, Transgender, and Gender Nonconforming People, The World Professional Association for Transgender Health, 7th Version, Atlanta/USA, 2011"
  • "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder, Version 5" (DSM-5) der American Psychiatric Association

Sie richten sich an alle am Behandlungsprozess beteiligten Berufsgruppen beziehungsweise an die mit der Vollziehung des Personenstandsrechts betrauten Verwaltungsbehörden, implizit auch an Betroffene.

In ihnen wurde der bisherige Zwang zu mindestens 50 Stunden Psychotherapie aufgehoben. Der diagnostische Prozess zur grundsätzlichen Feststellung des Vorliegens einer Geschlechtsdysphorie beziehungsweise Transsexualismus hat in 3 Teilen zu erfolgen:

  • Psychiatrische Diagnostik
  • Klinisch-psychologische Diagnostik
  • Psychotherapeutische Diagnostik

Die Ergebnisse der jeweiligen diagnostischen Prozesse sind dann in einem Konsensbeschluss durch eine sogenannte "Fallführende" beziehungsweise einen "Fallführenden" in einer Stellungnahme zusammenzufassen. Die oder der Fallführende ist eine oder ein von der Patientin beziehungsweise dem Patienten selbst bestimmte Vertreterin beziehungsweise selbst bestimmter Vertreter der bereits eingebundenen Fachkräfte. Bei Vorliegen von Geschlechtsdysphorie beziehungsweise Transsexualismus ist für den Zeitraum der Behandlung der Patientin beziehungsweise des Patienten auf Verlangen eine Bestätigung einer behandelnden Fachkraft auszustellen, aus der die diagnostische Zuordnung sowie die Darstellung des Zusammenhanges zwischen der Behandlung und dem äußeren Erscheinungsbild hervorgehen.

Zur Freigabe für jeden Behandlungsschritt (Hormone und/oder geschlechtsangleichende OP) genügen jedoch zwei Stellungnahmen, worin diese Schritte empfohlen werden, wovon eine durch die Fachärztin beziehungsweise den Facharzt für Psychiatrie ausgestellt sein muss. Diese beiden Stellungnahmen werden von der/dem Fallführenden in einem Konsensbeschluss zusammengefasst. Das heißt, erst bei Indikationsstellung zur Einleitung somatischer Behandlungsschritte darf eine Hormontherapie erfolgen, die jedenfalls ärztlich begleitet werden muss. Dies gilt in Österreich als Heilbehandlung und wird daher von der Krankenkasse bezahlt. Parallel dazu ist die klinisch-psychologische oder psychotherapeutische Behandlung nach Bedarf fortzusetzen, bei der es auch um die Begleitung bei der real life experience geht.

Unabhängig von somatischen Maßnahmen, kann eine Personenstands- und Vornamensänderung beantragt werden. Eine geschlechtsanpassende Operationen in Form genitalchirurgischer Eingriffe, sind nach etwa einem Jahr Hormontherapie möglich. Sie sind aber nicht mehr Voraussetzung für die Personenstandsänderung.

Sozialer Geschlechtswechsel

Hier geht es um die Anerkennung im Identitätsgeschlecht durch das soziale Umfeld.

Der soziale Geschlechtswechsel ist ein langer Prozess und zugleich der wichtigste Schritt ins eigene Geschlecht, das ohne soziale Anerkennung kaum entwickelt und gelebt werden kann. Die soziale Anerkennung im Identitätsgeschlecht ist eng mit sexistischen Erwartungshaltungen verknüpft: Angepasste Geschlechtsdarstellungen sollen verkörpert, geschlechtsspezifische Rollenbilder sollen erfüllt werden.

Körperlicher Geschlechtswechsel

Darunter versteht man die Anpassung des Körpers an das Identitätsgeschlecht durch medizinische Behandlungen.

Für viele Transgender-Personen ist es wichtig, den Körper mit dem empfundenen Geschlecht in Einklang zu bringen, um sich vollständig im eigenen Geschlecht akzeptieren und wohlfühlen zu können. Durch eine Hormonbehandlung passen sich die sekundären Geschlechtsmerkmale im möglichen Rahmen an. Die Hormonbehandlung ist auch für die soziale Anerkennung im empfundenen Geschlecht von großer Bedeutung, da sie das äußere Erscheinungsbild geschlechtsspezifisch verändert. Hormone haben auch wesentlichen Einfluss auf Gefühle und Emotionen. Die primären Geschlechtsmerkmale können durch genitalanpassende Operationen angeglichen werden. Welche Behandlungen gewünscht werden, ist individuell sehr verschieden.

Juristischer Geschlechtswechsel

Dieser hat zwei wesentliche Komponenten: Die Änderung des Personenstandes und die Änderung des Vornamens.

Der Vorname ist ein wesentliches Identifikationsmerkmal für uns selbst und unser soziales Umfeld. Es ist kaum möglich, sich im eigenen Geschlecht einzuleben und anerkannt zu werden, wenn der Vorname diesem Geschlecht widerspricht.

Eine Personenstandsänderung bedeutet die Änderung des Geschlechtseintrags im Geburtenbuch. Sie ist nötig, um auch offiziell im gelebten Geschlecht anerkannt zu werden und passende Dokumente zu erhalten.

Weiterführende Informationen

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Stadt Wien | Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten
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