Reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen - Wiener Programm für Frauengesundheit

Die Geschichte der Sexualität der Frauen und ihrer Reproduktion ist eine Geschichte männlicher Deutungshoheit über den weiblichen Körper. Bis vor einigen Jahrzehnten fehlten Frauen zentrale Rechte über den eigenen Körper. Die Frauenbewegung hat viel erreicht, Schwangerschaftsabbruch ist seit 1975 straffrei, Vergewaltigung in der Ehe seit 2004 gesetzlich verboten, die "Pille danach" seit 2009 ohne Rezept erhältlich, seit 2020 kann der medikamentöse Abbruch auch im niedergelassenen Bereich durchgeführt werden. Viele Forderungen wurden erfüllt. Dennoch bieten die weibliche Sexualität und das reproduktive Verhalten von Frauen sowie sexuelle Aufklärung und Bildung immer wieder eine Kampfzone für Ideologien, Religionen, Kulturen und gesellschaftliche Strömungen.

Selbstbestimmte weibliche Sexualität wird Anfang des 21. Jahrhunderts erneut von konservativen Kräften bedroht und in Frage gestellt. Das Wiener Programm für Frauengesundheit steht für sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen und stärkt diese mit seinen Aktivitäten.

Videoserie "Nächster Halt: Intimzone"

Eine Jugendliche mit Kopfhörern in einem öffentlichen Verkehrsmittel, Haltegriffe im Hintergrund - Titel "Nächster Halt: Intimzone"

Sexuelle Bildung in Österreichs Schulen wird auch 2022 noch nachrangig behandelt und viele Problemstellungen sind ungeklärt. Lehrkräfte verfügen oft nicht über das nötige Wissen, Schüler*innen fühlen sich nicht wohl dabei, tabuisierte Themen mit ihren Lehrer*innen zu bereden. In Biologiebüchern sucht das weibliche Geschlecht seit Jahrzehnten nach Gleichstellung. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind in Biologiebüchern unterrepräsentiert und werden auf die inneren Fortpflanzungsorgane und deren Funktionen reduziert. Außerdem werden sie meist fehlerhaft dargestellt und beschrieben. Die Begriffe "Jungfernhäutchen" oder "Schamlippen" sollten längst der Vergangenheit angehören. Noch immer betrachten Mädchen und Frauen, im Unterschied zu Burschen, ihre Geschlechtsorgane mit wenig Selbstwertgefühl und Achtung. Das bestätigen steigende und besorgniserregende Zahlen zu chirurgischen Eingriffen im Intimbereich.

In Zusammenarbeit mit der Wiener Gesundheitsförderung beauftragte das Wiener Programm für Frauengesundheit 2021 das Animationsstudio Polarfux mit der Erstellung eines 3-teiligen altersgerechten Informationsvideos zur Entmystifizierung der weiblichen Intimzone. Die Physiologie von Vulva, Klitoris und Hymen (veraltet: Jungfernhäutchen) soll darin anschaulich und divers dargestellt werden. Die animierten Videos wenden sich an Mädchen, aber auch Burschen.

Das vermittelte Wissen soll dazu beitragen, das Selbstbewusstsein der Mädchen zu stärken, die Themen zu enttabuisieren und falsche Vorstellungen zu korrigieren. Das Wiener Programm für Frauengesundheit hatte für die fachliche Begleitung 3 sexualpädagogisch versierte Expertinnen eingeladen: Kerstin Pirker vom Frauengesundheitszentrum Graz und Katherina Schönborn-Hotter vom Frauengesundheitszentrum FEM in Wien und Mitautorin des Kinderbuchs "Lina die Entdeckerin" sowie Sexualpädagogin Bianca Burger begleiteten die gesamte Entwicklung des Videos fachlich.

Seelische Gesundheit bei künstlicher Befruchtung

Ein Ausschnitt aus dem Cover einer Publikation zum Thema künstliche Befruchtung zeigt eine Injektion eines Spermiums in eine Eizelle.

Ein unerfüllter Kinderwunsch stellt für viele betroffene Paare großen psychologischen Stress dar. Fortpflanzungsmedizinische Angebote sind oft die letzte Hoffnung, ein eigenes Kind zu bekommen. Dabei liegt der Fokus auf der Schwangerschaft - die physischen und psychischen Herausforderungen werden oft nur unzureichend oder gar nicht bedacht.

Die Fragestellungen und Verarbeitungsprozesse, die sich für die werdenden Eltern, vor allem für die werdenden Mütter stellen, sind für Eltern und Kind äußerst komplex und bedeutend. Zum Leidensdruck, weil es bisher nicht geklappt hat, kommt die Angst, es könnte auch jetzt nicht funktionieren. Unklar sind auch die Auswirkungen auf die weitere Lebensplanung und welche Herausforderungen eine Samen- oder Eizellspende für das Paar, das familiäre und soziale Umfeld und auch für das Kind bringt. Deshalb müssen die psychosozialen Aspekte in allen Behandlungsschritten mitgedacht und betreut werden.

Für die behandelnden Expert*innen ist es nicht immer einfach, diese Aspekte zu thematisieren. Daher wurde mit einem Fachbeirat das Konsensuspapier "Psychosoziale Aspekte bei der Assistierten Reproduktion" erarbeitet. Das Papier gibt Anleitungen und Empfehlungen, wie Frauen und Paare durch diese anspruchsvolle Zeit begleitet werden können. Die ganzheitliche Begleitung von Kinderwunsch-Paaren beginnt beim Ansprechen von psychosozialen Belastungen. Dieser Weg ist wesentlich für den Erhalt der psychischen Gesundheit von Frauen und Männern mit Kinderwunsch und deren Vorbereitung auf ihre Elternschaft.

Konsensuspapier herunterladen (450 KB PDF)

Broschüre zur Verhütung und der weiblichen Intimzone

Bunte Regenschirme am Himmel und Text "Wir haben Lust drauf - aber sicher!"

Sexualität genießen und leben zu können, ohne Angst vor einer Schwangerschaft, ist eine wichtige Errungenschaft der Sexualmedizin für die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Frauen. Die Auswahl an verfügbaren Verhütungsmitteln ist seit den 1960er-Jahren deutlich angestiegen, besonders die Methoden der hormonellen Verhütung haben sich weiterentwickelt. Ein guter Überblick über die am Markt verfügbaren Verhütungsmittel ist notwendig.

Es ist auch wichtig, den eigenen Körper, den Menstruationszyklus und die damit zusammenhängende Fruchtbarkeit zu verstehen. Um erfüllte Sexualität leben zu können, sollte man aber nicht nur wissen, wie man sich vor einer ungewollten Schwangerschaft schützt. Es braucht auch einen wohlwollenden Blick auf den eigenen Körper und Kenntnis darüber, wie die weiblichen Geschlechtsorgane funktionieren:

  • Was ist der Menstruationszyklus?
  • Wann ist der Eisprung?
  • Welche Aufgabe hat die Klitoris?

Verhütung betrifft Frauen und Männer gleichermaßen

Auch wenn Verhütung überwiegend als Frauensache angesehen wird: Verhütung betrifft beide Geschlechter. Männer verlassen sich bei der Verhütung gerne auf die Frauen, auch weil fast alle Verhütungsmethoden von Frauen angewendet werden müssen. Männer haben beim Thema Verhütung aber auch Verantwortung zu übernehmen. Jene, die in Beziehungen leben, sollten sich unbedingt am Entscheidungsprozess beteiligen.

Die Broschüre "Wir haben Lust drauf - aber sicher! Verhütung im Überblick" kann ein ausführliches Gespräch mit der Frauenärztin oder dem Frauenarzt nicht ersetzen, aber unterstützen.

Broschüre herunterladen (9 MB PDF)

Die Broschüre des Wiener Programms für Frauengesundheit wurde mit der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung und dem Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch erstellt.

Folder zu Schwangerschaftsabbruch in Wien

Linien eines Labyrinths auf hellem Hintergrund

Nicht jede Frau wird gewollt schwanger. In Österreich können Frauen eine ungewollte Schwangerschaft in den ersten 3 Monaten nach Beginn der Schwangerschaft straffrei abbrechen. Dieses Recht, genannt "die Fristenlösung", hat die Frauenbewegung in den 1970er-Jahren erkämpft. Bis 1975 war ein Schwangerschaftsabbruch in Österreich unter Strafe verboten. Ungewollt schwangere Frauen suchten verbotene Hilfe bei "Engelmacherinnen" oder verletzten sich beim Versuch, die Schwangerschaft selbst zu beenden. Diese Methoden führten häufig zu Unfruchtbarkeit, gesundheitlichen Schäden oder zum Tod der Frau.

Für die Gesundheit von Frauen ist es sehr wichtig, eine Schwangerschaft medizinisch sicher abbrechen zu können. Und zwar legal und straffrei, ohne Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen. Jeder Frau in Wien, die ungewollt schwanger ist, muss rasch, respektvoll und professionell geholfen werden. Frauen durch eine Schwangerschaft zu zwingen, hat negative psychische Auswirkungen auf die Frau.

Der Folder "Meine Entscheidung: Schwangerschaftsabbruch in Wien" stellt die ungewollt schwangere Frau und ihre Entscheidung ins Zentrum und informiert über die Möglichkeiten, eine Schwangerschaft medikamentös oder operativ zu unterbrechen. Weitere Inhalte des Folders sind Kosten, mögliche Anlaufstellen und das Thema Verhütung.

Folder herunterladen (180 KB PDF)

Videoserie "Liebe, Sex und Klartext"

Das Wiener Programm für Frauengesundheit geht von einer ganzheitlichen sexuellen Bildung aus. Diese umfasst körperliche, emotionale, soziale und kulturelle Aspekte und beschränkt sich nicht auf die Vorbeugung von Krankheiten. Wir möchten eine positive Grundhaltung zu sexuellem Wohlbefinden vermitteln:

  • Mädchen sollen Sexualität selbstbestimmt leben können.
  • Mädchen sollen ein starkes Selbstwertgefühl entwickeln.
  • Mädchen sollen sich in ihren Körpern gut fühlen.
  • Mädchen sollen geschlechterspezifische Rollen hinterfragen.
Drei Mädchen lachen über die Frage 'Wer kurze Röcke trägt, ist nur auf Sex aus?'.

In der 14-teiligen Videoserie Liebe, Sex und Klartext unterhalten sich Mädchen und junge Frauen über Sex-Mythen, Missverständnisse, Gerüchte und Tabuthemen und beantworten dabei die Fragen "Wahr?" oder "Falsch?".

Videoserie "Liebe_Sicher!"

Für die 5-teilige Videoserie Liebe_Sicher! wurden Mädchen unter anderem zu den Themen Liebe, Verhütung, LGBT und Pubertät interviewt.

E-Learning-Plattform "Ready for Red" an Wiener Schulen

Eine 2017 durchgeführte Studie hat gezeigt, dass das Thema Menstruation bei Mädchen und Burschen sehr negativ besetzt ist und sie nur unzureichend über das Thema informiert sind. "Ready for Red" ist eine E-Learning-Plattform von erdbeerwoche, die sich den Themen Regelblutung und Monatshygiene auf altersgerechte Weise nähert. Fragen wie "Was ist der Zyklus?" oder "Warum soll ich als Bursche über die Regelblutung Bescheid wissen?" werden hier beantwortet. "Ready for Red" soll von Lehrkräften im Unterricht eingesetzt werden.

Ein Mädchen sitzt auf der Toilette mit ratlosem Blick.

Bereits im Schuljahr 2018/2019 hat das Wiener Programm für Frauengesundheit in Kooperation mit der Wiener Gesundheitsförderung den ansonsten kostenpflichtigen Zugang zum E-Learning finanziert und so über 1.000 Schüler*innen aus 15 Neuen Mittelschulen erreicht. Für das Schuljahr 2020/2021 wurden weitere finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, 30 Schulen und erstmalig auch Jugendeinrichtungen mit der Plattform zu erreichen.

Downloads

  • Wir haben Lust drauf - aber sicher! Verhütung im Überblick, 2020: 9 MB PDF
  • Dogru karar verin... sevgide, cinsellikte ve hamilelikten korunmada (Entscheiden Sie sich richtig... bei Liebe, Sexualität und Verhütung), 2010: 3 MB PDF (Türkisch)
  • Verhütung auf einen Blick - Treffen Sie Ihre Wahl: 50 KB PDF
  • Broschüre "Besuch bei der Frauen-Ärztin. Fragen und Antworten in leichter Sprache": 1 MB PDF
  • Folder "Meine Entscheidung: Schwangerschaftsabbruch in Wien", 2021: 180 KB PDF
  • Psychosoziale Aspekte bei der Assistierten Reproduktion - Konsensuspapier, 2020: 450 KB PDF
  • Weitere Broschüren finden Sie unter Publikationen zum Download - Wiener Programm für Frauengesundheit.
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