"Wir erreichen genau jene Menschen, die unsere Hilfe brauchen." - Interview mit Bürgermeister Michael Ludwig

Bürgermeister Michael Ludwig spricht im MEIN WIEN-Interview über die nächsten Projekte, Herausforderungen und seine persönlichen Erwartungen für die Stadt im Jahr 2019.

Video: Interview mit Bürgermeister Michael Ludwig zum Jahresbeginn 2019

MEIN WIEN: Wien wächst weiter, wenn auch langsamer. Was bedeutet das für die Investitionen der Stadt?

Bürgermeister Michael Ludwig: Wien ist mittlerweile die zweitgrößte Stadt und der wichtigste Uni-Standort im deutschsprachigen Raum. Für uns bedeutet dieses dynamische Wachstum vor allem Investitionen in die soziale und die verkehrstechnische Infrastruktur. So haben wir fürs neue Schuljahr 3 neue Standorte im 14., 21. und 22. Bezirk eröffnet, einen neuen Bildungscampus und insgesamt 110 neue Schulklassen. In den Stadterweiterungsgebieten achten wir auf eine gute funktionale und soziale Durchmischung: Für Wohnen, Arbeiten, aber auch für Grün- und Freiräume. Die Stadtentwicklungsgebiete links der Donau brauchen auch eine Verkehrsentlastung. Daher ist der Bau des Lobautunnels so wichtig.

MEIN WIEN: Vor einem halben Jahr gaben Sie uns ein Sommerinterview als neuer Bürgermeister an der Alten Donau. Was hat sich bislang in der Stadt verändert?

Bürgermeister Michael Ludwig im Gespräch

Ludwig: Mit dem Start der neuen Stadtregierung haben wir Schwerpunkte definiert. Einer davon ist die Digitalisierung. Sie umfasst alle Lebensbereiche: den Arbeitsmarkt, die Bildung, das zwischenmenschliche Zusammenleben. Einerseits müssen wir die technische Infrastruktur schaffen - dazu läuft gerade ein Testbetrieb des schnellen 5G-Netzes am Rathausplatz. Andererseits müssen wir achten, dass mit der Digitalisierung keine Zweiteilung der Gesellschaft kommt, nämlich in jene Menschen, welche die neuen Möglichkeiten nutzen können und jene, die zurückbleiben. Wir setzen da schon bei den Jungen an: Wir statten alle Schulklassen mit WLAN aus, und mit dem Projekt "WAALTER" machen wir die ältere Generation mit den Vorteilen der neuen Technologien vertraut. Diese Haushaltshilfen können Isolation im Alter verhindern. Die Stadt zieht hier mit allen Sozialpartnern an einem Strang, das unterscheidet uns auch von der Bundesregierung.

MEIN WIEN: Stichwort "Digital-Hauptstadt" - welche Impulse erwarten Sie sich von der Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer?

Ludwig: Mit Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck habe ich eine Zukunftsvereinbarung zur Digitalisierung beschlossen. Wir setzen im Bildungsbereich an: Bis 2025 schaffen wir 1.000 neue Lehrstellen in öffentlicher und Privatwirtschaft. Wir können die Herausforderungen der Digitalisierung nur meistern, wenn wir im Bildungsbereich einen Schritt voraus sind. Die Stadt und die Wiener Wirtschaft gehen diesen Weg gemeinsam, mit allen Sozialpartnern - Gewerkschaft, Landwirtschafts- und Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung.

MEIN WIEN: In ganz Europa steigen die Mietpreise, aus Profitgier wird mit Immobilien spekuliert. Wie hält Wien dagegen?

Bürgermeister Michael Ludwig im Gespräch im Rathaus

Ludwig: Steigende Mietpreise sind tatsächlich eine große Herausforderung in allen österreichischen Städten und in Europa. Wien hat bessere Voraussetzungen als andere. Wir haben 220.000 Gemeindewohnungen und 200.000 geförderte Miet- und Genossenschaftswohnungen. Dort leben 62 Prozent der Wienerinnen und Wiener. Das ist einzigartig, das hat keine andere Stadt der Welt. In diesem geschützten Bereich steigen die Mieten nur im Bereich der Inflationsrate. Da, wo es wirklich zu starken Preissteigerungen kommt, ist der private Wohnhausbereich. Deswegen bin ich massiv dagegen, kommunale Wohnungen zu privatisieren - jede Stadt, die das getan hat, hat es bitter bereut. Die Sozialdemokratie hat zu Recht immer darauf bestanden, einen hohen Bestand an Grundstücken und Wohnungen zu halten, auch als Lenkungsinstrument für Wohnpreise am Markt. Mit dem Wohnfonds Wien haben wir 2,8 Millionen Quadratmeter an Flächenreserve, die wir schrittweise für geförderten Wohnbau zu Verfügung stellen. Und mit der neuen Bauordnung und der Flächenwidmung 'Geförderter Wohnbau' stellen wir sicher, dass es auch in Zukunft bei Neubauten einen hohen Anteil leistbarer Wohnungen gibt.

MEIN WIEN: Aus der Bundesregierung weht ein kalter Wind nach Wien. Das soziale Sicherheitsnetz wird ausgehöhlt, dem AMS werden Mittel gekürzt. Wie vertreten Sie die Interessen Wiens?

Ludwig: Die Bundesregierung wird nicht müde, bei allen Aktionen spätestens im zweiten Satz Wien schlecht zu reden. Als Bürgermeister trete ich dem entschieden entgegen. Dem AMS die Mittel zu kürzen oder die "Aktion 20.000" abzudrehen, ist kein guter Weg. Wir stehen vor Herausforderungen bei älteren Menschen und jenen, die schon länger nicht mehr in Arbeit sind. Das kann die positive Wirtschaftsentwicklung nicht kompensieren - diese Menschen brauchen Unterstützung und Begleitung. Mit dem waff und gemeinsam mit den Sozialpartnern geht Wien einen anderen Weg. Wir nehmen Geld in die Hand und erreichen genau jene Menschen, die unsere Hilfe brauchen.

MEIN WIEN: Bald startet am Rathausplatz der größte Eistraum der Geschichte, im Sommer freuen wir uns auf das Filmfestival und eine neue Event-Halle ist in den Startlöchern. Warum ist das wichtig für die Stadt?

Ludwig: Der neue Eistraum wird die schönste Eisfläche weltweit, andere Städte kopieren uns schon - etwa San Francisco. Es ist mir wichtig, den Wienerinnen und Wienern kostenfreien oder günstigen Zugang zu Kultur und Freizeitmöglichkeiten zu bieten, damit sie ihre Zeit auch gerne in der Stadt verbringen. Wir freuen uns aber auch über Wien-Besucherinnen und -Besucher aus den Bundesländern und dem Ausland. Sie geben ihr Geld hier aus - davon profitieren Hotellerie und Gastronomie, das belebt die Wirtschaft und bringt Arbeitsplätze.

MEIN WIEN: Sie sind viel in den Bezirken unterwegs, setzen auf Aktionen wie den Bürgermeistertag. Was erzählen Ihnen die Menschen, die Sie da treffen?

Ludwig: Ich höre viel Interesse heraus an den Vorhaben der Stadt, aber natürlich auch von Sorgen und Nöten: Wie geht es für mich weiter am Arbeitsmarkt, wie bekomme ich die beste Ausbildung für meine Kinder und die beste Pflege, wenn ich alt bin? Von Mensch zu Mensch so etwas zu erfahren, ist für mich viel wichtiger als jede Meinungsumfrage.

MEIN WIEN: Ihr Koalitionspartner, die Grünen, bekommen mit Birgit Hebein eine neue politische Spitze. Was erwarten Sie von der Zusammenarbeit?

Ludwig: Ich will die Punkte im Koalitionsabkommen abarbeiten. Davon ist schon vieles gelungen, manches noch offen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich mit Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und danach mit Birgit Hebein dies in Angriff nehme und freue mich auf eine sehr gute Zusammenarbeit.

MEIN WIEN: Abschließend: Ihre persönlichen Wünsche und Erwartungen an das Neue Jahr?

Ludwig: Schon länger wünsche ich mir einen neuen Busbahnhof für Wien. Den bald auf Schiene zu bringen, habe ich mir besonders vorgenommen. Und ich freue mich, das bisher Angesprochene umzusetzen. Den Wienerinnen und Wienern wünsche ich, dass sie spüren, wie dynamisch sich die Stadt entwickelt. Wenn man über einen langen Zeitraum zurückblickt - vom Wien der 1960er-Jahre bis heute als lebenswerteste Stadt der Welt, dann sieht man: Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis politischer Entscheidungen und des Fleißes der Wienerinnen und Wiener. Sind wir uns dessen bewusst und gehen wir die Herausforderungen gemeinsam an.

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