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Mitschrift

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen für unser Interview zum großen Jahresausblick 2019. Die Stadt Wien wächst weiter, die Statistik sagt uns aber, dass Wien nicht mehr so schnell wächst wie ursprünglich erwartet. Ist das jetzt gut oder schlecht und vor allem: Was bedeutet das für den Budgetpfad, fürs Nulldefizit 2020? Und was bedeutet dieses Wachstum der Stadt für die Investitionen, die die Stadt 2019 tätigen wird?

Michael Ludwig, Bürgermeister: "Ja, wir haben einen Prozess des sehr dynamischen Wachstums hinter uns gebracht in den letzten Jahren. Wir sind vor einigen Monaten die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum geworden, wir haben Hamburg in dieser Rolle überholt und wir sind jetzt schon der wichtigste Universitätsstandort im deutschsprachigen Raum. Von daher ist es uns gelungen, diesen Prozess als Stadt auch gut zu begleiten, aber es ist auch eine große Herausforderung, vor allem was Investitionen betrifft. Wir haben für das heurige Schuljahr beispielsweise drei neue Schulstandorte eröffnet, im 14., im 21. und im 22. Bezirk, wir haben einen weiteren Schulcampus eröffnen können, insgesamt 110 neue Schulklassen eröffnet. Das heißt, es gibt hier insbesondere im Bereich der sozialen Infrastruktur eine große Herausforderung, aber auch in der verkehrstechnischen Infrastruktur. Das ist auch der Grund, dass ich die Nordost-Umfahrung, den Lobautunnel, sehr stark vorantreibe, weil es eine verkehrstechnische Entlastung für die Bezirke Floridsdorf und Donaustadt bedeutet.  Aber auch die Möglichkeit schafft, entlang der Nordost-Umfahrung neue Stadtentwicklungsgebiete zu definieren und auch umzusetzen. Also von daher haben wir in den letzten Jahren versucht, mehrere Stadtentwicklungsgebiete zu präsentieren. Nicht nur das größte Stadtentwicklungsgebiet in der Seestadt Aspern, sondern auch mit dem Gebiet des ehemaligen Nordbahnhofs im 2. Bezirk oder mit dem Sonnwendviertel an der Grenze zwischen 4. und 10. Bezirk, also einem der größten innerstädtischen Entwicklungsgebiete. Viele Neubauten zum Thema Wohnen, aber auch viele neue Arbeitsplätze. Und das ist wichtig, dass es hier eine gute soziale Durchmischung in der Stadt gibt, aber auch eine sehr gute funktionale Durchmischung, also einen guten Ausgleich zwischen Wohngebieten, Arbeitsmöglichkeiten, aber auch der Entwicklung von Grün- und Freiräumen. Und das wird auch im Jahr 2019 eine der ganz großen Herausforderungen sein. Denn wenn auch die Bevölkerung jetzt in einem geringeren Ausmaß wächst, ist es trotzdem so, dass es hier weitere Herausforderungen geben wird um diesen Prozess zu begleiten. Wir haben hier eine sehr strenge Infrastrukturkommission, die auch im nächsten Jahr Prioritäten erstellen wird. Und von daher bin ich aber guten Mutes, dass wir das entsprechend unseren budgetären Möglichkeiten auch gut begleiten werden."

Zwei Stichworte – Digitalisierungs-Hauptstadt. Sie sind als neuer Bürgermeister angetreten, um Wien zur "Digi Hauptstadt" Europas zu machen. Welche Impulse erwarten Sie sich da in Zusammenhang mit der Partnerschaft mit der Wirtschaftskammer?

Michael Ludwig, Bürgermeister: "Ja, also ich habe mit dem Präsidenten der Wirtschaftskammer Wien, Diplomingenieur Walter Ruck, auch eine Zukunftsvereinbarung geschlossen, wo die Digitalisierung eine besondere Herausforderung darstellt und wo wir auch Maßnahmen definiert haben. Wir wollen insbesondere auch bei den Lehrberufen 1000 neue Lehrstellen schaffen bis zum Jahr 2025, aufgeteilt zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, weil wir beide der Meinung sind, diese Herausforderung der Zukunft werden wir nur meistern, wenn wir im Bildungsbereich einen Schritt vorausgehen. Und das reicht von Ausbilden im Lehrbereich bis hin zum universitären Sektor, und da wollen wir gemeinsam, die Wirtschaft Wien, aber auch die Stadt, hier gemeinsam diesen Weg beschreiten. Und mir ist hier wichtig die Einbeziehung aller Sozialpartner, neben der Wirtschaft natürlich die Gewerkschaften, die Arbeiterkammer, die Landwirtschaftskammer und auch die Industriellenvereinigung Wien."

Ich würde gerne auf das Thema Wohnen zu sprechen kommen. Die Mietpreise in ganz Europa galoppieren davon. Es wird mit Immobilien und Grund und Boden spekuliert. Die Profitgier ist ein Faktor. Wien hält dagegen mit sozialem Wohnbau. Heuer wird der erste "Gemeindebau neu" fertig, in der Fontanastraße. Was macht Wien sonst noch, damit das Leben in Wien leistbar bleibt?

Michael Ludwig, Bürgermeister:  "Ja, Sie haben völlig recht. Das ist eine der großen Herausforderungen in allen europäischen Großstädten. Auch in den österreichischen Städten. Das betrifft ja nicht nur Wien, sondern natürlich auch Innsbruck, Salzburg, Bregenz, Graz, Linz. Und ich denke, Wien hat hier bessere Voraussetzungen als andere Großstädte. Auch deshalb, weil wir über viele Jahrzehnte eine sehr engagierte Wohnbaupolitik in Wien betrieben haben. Wodurch unterscheiden wir uns von anderen Städten? Vor allem darin, dass wir einen sehr hohen Anteil an geförderten Wohnungen haben. Wir haben in Wien 220.000 Gemeindewohnungen, 200.000 geförderte Miet- und Genossenschaftswohnungen, das heißt rund 62 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben in einer geförderten Wohnung. Und wenn wir davon sprechen, dass auch in Wien die Mietpreise steigen, dann ist das richtig. Das gilt aber nur für das verbleibende schmale Segment des privaten Wohnhausbereiches.  Dort steigen in manchen Bereichen, vor allem bei den Neuvermietungen, dort steigen die Mieten sehr, sehr stark. Im geschützten Bereich, im geförderten Bereich, sind die Mieten in den letzten 10 Jahren ziemlich entlang der Inflationsrate gestiegen und nicht höher. Dort gibt es in der Tat für die Mieterinnen und Mieter eine sehr starke geschützte Situation. Das ist gut, das ist einmalig im internationalen Vergleich. Das hat keine andere Stadt weltweit, darauf können wir stolz sein. Das müssen wir aber auch sicherstellen. Weil es auch heute immer wieder Vorstöße gibt, auch diesen kommunalen Wohnungsbestand zu privatisieren. Da bin ich sehr massiv dagegen. Es hat sich bewiesen, dass alle Städte, die ihre Wohnungen verkauft haben, das heute bitter bereuen. Von daher war’s völlig richtig, dass die Sozialdemokratie immer drauf bestanden hat, hier einen sehr hohen Wohnungsbestand als Lenkungsinstrument am Wohnungsmarkt zu haben. Aber: Die Zeit bleibt nicht stehen. Es ist wichtig, weiterhin Grundstücksbevorratung vorzunehmen. Wir haben mit dem Wofo Wien ein Instrument geschaffen, wo wir auch heute schon 2,8 Millionen Quadratmeter Grundstücke im Eigentum des Wofo Wien haben, die wir auch schrittweise dem geförderten Wohnbau zur Verfügung stellen. Und jetzt mit der neuen Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ wird es in Zukunft möglich sein, dass wir bei neuen Widmungen, die diese Kategorie haben, einen sehr hohen prozentuellen Anteil für den geförderten Wohnbau vorsehen. Das ist auch im internationalen Vergleich ein guter, richtiger Schritt, der möglich geworden ist durch eine geänderte Spruchpraxis der obersten Gerichtshöfe. Und ich bin sehr froh, dass wir mit der neuen Bauordnung, mit der Novelle, die jetzt beschlossen worden ist, diesen Schritt in die Zukunft gehen und sicherstellen, dass auch in Zukunft wohnen in Wien günstiger sein wird als in anderen Großstädten."

Seitens der Bundesregierung weht ein sehr kalter Wind Richtung Wien. Das soziale Sicherheitsnetz wird ausgehöhlt, dem AMS werden die Mittel gekürzt. Was tun Sie, um die Interessen der Wiener da zu wahren?

Michael Ludwig, Bürgermeister: "Ja, richtig ist, dass die Bundesregierung nicht müde wird, in allen ihren Aktionen, spätestens im zweiten Satz zu erwähnen, dass das eine Maßnahme ist, die insbesondere Wien trifft. Das wird kein Zufall sein. Also hier soll Wien immer schlechtgemacht werden. Das ist für mich als Wiener Bürgermeister natürlich kein guter Aspekt, dem wir auch entgegentreten. Und ich halte die Kürzung der AMS-Mittel für keinen guten Weg. Denn wir haben in der Tat nach wie vor eine Herausforderung bei den Menschen, die längere Zeit nicht im Arbeitsprozess stehen. Das ist nicht nur eine Frage die mit der positiven Entwicklung des Arbeitsmarkts kompensiert werden kann. Sondern hier gibt es einen starken Nachholbedarf in Schulungen und Begleitungen dieser Zielgruppen. Das heißt, wir werden auch in Zukunft Mittel benötigen. Und hier geht Wien, wie ich meine, auch im Vergleich zu anderen Bundesländern, einen sehr guten Weg. Wir haben mit dem waff, dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfond ein Instrument geschaffen, wo wir besondere Zielgruppen auch finanziell unterstützen. Vor allem, um sie auch wieder in den Arbeitsprozess eingliedern zu können. Mit einer Kooperation der Sozialpartner, auf Initiative der Gewerkschaften gegründet und von der Stadt Wien sehr stark unterstützt, versuchen wir, punktgenau jenen Zielgruppen zu helfen, die es am Arbeitsmarkt besonders benötigen. Und es war von daher von der Bundesregierung sicher auch keine richtige Entscheidung, das Projekt „20.000“ zu streichen, wo es insbesondere darum gegangen ist, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Denn das sind oft sehr wertvolle Menschen, die gerne arbeiten wollen, aber aufgrund der Rahmenbedingung diese Möglichkeit nicht vorfinden. Also von daher habe ich mir vorgenommen, einen besonderen Schwerpunkt zu setzen bei den jungen Menschen die in den Arbeitsprozess eintreten, durch die Ausweitung der Lehrstellen, die es in unserer Stadt geben soll, und auf der anderen Seite hier auch einen besonderen Schwerpunkt bei Älteren zu schaffen, die eine Unterstützung besonders benötigen."

Abschließend: Ihre persönlichen Wünsche und Erwartungen für das junge Jahr 2019?

Michael Ludwig, Bürgermeister: "Naja, ich freu mich vor allem, dass wir anstehende Projekte in Angriff nehmen. Ich wünsche mir schon seit längerer Zeit auch einen Busbahnhof für Wien. Ich glaube, das wird ganz wichtig sein, dass wir auch den zunehmenden Bustourismus, den es gibt, auch entsprechend begleiten, einen attraktiven Standort haben. Aber auch für die Wienerinnen und Wiener, die mit dem Bus in andere Städte fahren wollen, ein entsprechendes Ambiente schaffen. Also das ist ein Projekt, das ich mir für den Start in das neue Jahr besonders vorgenommen habe mit dem Koalitionspartner. Aber ich freue mich vor allem, wenn es uns gelingt, viele Projekte, die wir jetzt angesprochen haben, auch umsetzen können. Und ich wünsche vor allem den Wienerinnen und Wienern, dass sie viel Zeit in ihrer Stadt verbringen können und dass sie auch spüren, wie dynamisch sich diese Stadt entwickelt. Wenn man so wie ich doch schon über einen längeren Zeitraum zurückblicken kann und wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, wie sich Wien präsentiert hat in den 60er-Jahren, und wie sich heute Wien als die lebenswerteste Stadt präsentiert, dann ist das kein Zufall, sondern das Ergebnis auch von politischen Entscheidungen, die getroffen worden sind, und dem Fleiß auch der Wienerinnen und Wiener. Dessen sollten wir uns bewusst sein, auch wenn neue Herausforderungen auf uns zu kommen, dass es wichtig sein wird, vor allem gemeinsam diese Herausforderungen in Angriff zu nehmen und da bau ich sehr auf die gute Zusammenarbeit der Stadt Wien, auch mit den Sozialpartnern, und mit der Wiener Bevölkerung. Und daher freue ich mich schon auf das Jahr 2019."

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, besten Dank fürs Gespräch und alles Gute fürs neue Jahr!

Michael Ludwig, Bürgermeister: "Danke Ihnen."      

Archiv-Video vom 28.12.2018:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Interview mit Bürgermeister Michael Ludwig zum Jahresbeginn 2019

Im Interview spricht Bürgermeister Michael Ludwig über die nächsten Projekte, Herausforderungen und seine persönlichen Erwartungen für die Stadt Wien im Jahr 2019.

Länge: 11 Min. 16 Sek.
Produktionsdatum: 2018
Copyright: Stadt Wien / W24

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