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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 22.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 91

 

Der Bundesrechnungshof hat schon 2019 einen Bericht zur Wiener Rettung verfasst und festgehalten, dass die bestehenden sechs Leitstellen der privaten Rettungsdienste verpflichtend an das Einsatzleitsystem der Wiener Berufsrettung anzubinden sind. Jetzt, vier Jahre, später berichtet der Wiener Stadtrechnungshof im August 2023 über eine Nachprüfung und hält fest, eine Einbindung aller Rettungsdienste, auch Dienste wie der Ärztefunkdienst und das Gesundheitstelefon 1450 sind weiter voranzutreiben. Darauf lautet die Antwort der Wiener Berufsrettung, dass die Erkenntnisse zur Kenntnis genommen werden und im Moment das Projekt weiterverfolgt wird. Allerdings musste man auf Grund der Covid-Krise mehrere Stellen der Wiener Landesleitzentrale schaffen - was ja auch sinnvoll ist -, aber eine Vernetzung aller Rettungsgesellschaften ist derzeit nach wie vor nicht adäquat ausgerollt. Auch die Fahrtendienstzentralen sind hier nicht inkludiert.

 

Also worum geht es? Im Moment besteht ein EDV-System, das heißt, die A1 und x.BOL in der Leitzentrale, die kann andere Rettungsdienste beauftragen, einen Transport oder Einsatz zu übernehmen, aber diese Übernahme von Einsätzen ist nicht verpflichtend. Es fehlt letztendlich gerade bei Notfällen - und ich weiß das aus persönlicher Erfahrung - an einer entsprechenden Koordination. Wir sprechen da von einem Tracking-System. Sie kennen das alle, wenn Sie ein Taxi über die Handy-App bestellen, Sie kennen das über Austro Control, dann wissen Sie genau, welches Flugzeug sich gerade im Anflug befindet, welches Taxi in der Nähe ist. Das funktioniert allerdings nicht bei den Rettungsgesellschaften, da wissen wir nur ungefähr, wo unsere Rettungsfahrzeuge stehen, sind über Funk verbunden, aber wir haben kein modernes Tracking-System, wo man weiß, welches Rettungsfahrzeug sich am Nächsten zum Notfalleinsatzort befindet. Das wäre genauso, als würde ein Flugzeug am Anflug nach Schwechat sein und anfunken, Entschuldigung, jetzt bräuchte ich langsam eine Landeerlaubnis, sonst geht mir der Treibstoff aus.

 

Das ist die Geschichte eines IT-Systems, das woanders zur Verfügung steht, hier nicht. Ich finde es ein bisschen schade, dass das auch von Seiten der Stadtregierung ein bisschen negiert wird. Mir wurde als Rückmeldung gegeben, es ist eh alles in Ordnung und alles bestens. Ich glaube, da ist viel Potenzial an Weiterentwicklung und Verbesserung drinnen. Wir haben das in den letzten Jahren im Fall einer Reanimation gesehen, das stimmt, da werden alle Funksprüche an alle Einsatzfähigen durchgegeben, inklusive Polizei und Feuerwehr - wie Sie vielleicht schon selbst wissen, ist die am ehesten bei einer Reanimation anwesend. Das ist nicht die Rettung, sondern meistens die Polizei, die Rettung kommt meist erst viel später.

 

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, wie man Ressourcen verschwenden kann. Da gibt es eine über-70-jährige alte Dame, jetzt kein lebensbedrohlicher Zustand, aber sie hat ein massives Geschwür am Unterschenkel, das wird sehr umständlich verbunden. Dieser Verband fällt am Abend herunter und diese alte Dame kann sich das nicht selbst richten, ruft also spät abends 1450. 1450 sagt, sie kann nicht vor Ort helfen, sie soll den Ärztefunkdienst rufen. Der Ärztefunkdienst kommt zu dieser alten Dame und sagt, ja, wir kennen das Problem, aber wir haben nicht genug Verbandsmaterial im Auto, sie soll die Rettung rufen. Später kommt die Rettung zu der alten Dame und sagt, an sich ist das jetzt nicht unser Job, sie muss die mobile Pflege anrufen. Es kommt wenig später die mobile Pflege zu der alten Dame und sagt, sie könnte jetzt den Verband anlegen, darf aber nicht, weil keine ärztliche Anordnung vorliegt. Also muss die Rettung gerufen werden. Die Rettung kommt und bringt diese alte Dame dann spät am Abend ins Spital, wo sie dann versorgt wird, und dann wartet sie vier Stunden lang auf den Rücktransport. Um mittlerweile 4 Uhr in der Früh kommt sie schlussendlich wieder zurück nach Hause.

 

Genau das ist etwas an Kommunikationsfehlern, die wir in diesem System haben, die man tagtäglich erlebt, weil es keine adäquate und funktionierende Interaktion unter den einzelnen Stakeholdern gibt, und das gilt es, möglichst bald zu verbessern. Wenn man nur ein bisschen über den Tellerrand schaut, braucht man gar nicht weit schauen, nämlich nach Niederösterreich, da gibt es die Leitzentrale 144 Notruf Niederösterreich, und diese ist mit allen Trägern verbunden, auch der Wasser- und Bergrettung, auch der Ärztefunkzentrale. In Niederösterreich verfügt man, anders als in Wien, über ein einheitliches EDV-System an allen vier Zentralstellen und an allen anderen privaten Rettungsdiensten. Das wäre ein Beispiel, dem man durchaus nacheifern könnte, um das Wiener System deutlich zu verbessern.

 

Ein anderes Beispiel möchte ich noch nennen, und darauf nimmt auch ein Antrag von uns Bezug. In Wien müssen alle Rettungszufahrten mit den zur Verfügung stehenden Intensivüberwachungs- oder Stroke-Units-Bereichen beziehungsweise Schockräumen koordiniert werden. Wie passiert das? In der Regel passiert das über telefonische Kontaktaufnahme, entweder von der Einsatzleitzentrale oder vom Einsatzleiter vor Ort. Es passiert nicht oft genug, dass man als diensthabender Oberarzt im Spital von einem Rettungswagen angerufen wird, ich habe jetzt einen Notfall im Auto, wo darf ich den jetzt hinfahren - und es wird dann zwischenmenschlich geklärt, aber nicht wirklich groß organisiert. Deswegen treten wir für eine Zuteilung der Patientinnen und Patienten ein, ohne zeitaufwändige und ressourcenbindende Telefonkontakte mit einer EDV-unterstützten Kommunikation zumindest zwischen der MA 70 und dem Wiener Gesundheitsverbund, um möglichst zeitnah zu erfassen, wo die nächste Intensivkapazität oder Stroke Unit oder Schockraumbehandlung möglich ist.

 

Meine Damen und Herren, wir stellen jetzt zwei Anträge. Der eine Antrag behandelt, eine Novelle des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes zu erarbeiten, damit eine gemeinsame Landesleitzentrale für alle Rettungs- und Krankentransportdienste sowie Fahrtendienstzentrale und Ärztefunkdienst und 1450 zu schaffen ist. Das ist eine Angelegenheit, die wir hier zu erledigen haben, das ist eine Aufgabe des Gemeinderates und Landtages und das ist auch eine politische Entscheidung.

 

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