Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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wegen, Schweden, Finnland und Dänemark. Im Bereich der Bildung und
Ausbildung ist Österreich an 15. Stelle, deutlich hinter Dänemark. Der
Grund dafür ist - für mich auf der Hand liegend - das Bildungssystem, das wir
hier haben, das sehr selektiv und nicht integrativ ist.
Bei den Beziehungen zu Gleichaltrigen liegt Österreich an
7. Stelle, es liegt also vor Dänemark, welches an 17. Stelle liegt.
Beim subjektiven Wohlbefinden, das wohl auch nicht ganz irrelevant ist fürs
tägliche Leben, befindet sich Österreich im Ranking aller OECD-Staaten auf dem
4. Platz, während sich Dänemark auf dem 11. Platz befindet.
Das wäre jetzt sozusagen zur Information zu dieser Studie, und worin der
Grund liegt, ist in einigen Bereichen von Ihnen, Frau Mag Vassilakou, auch
schon gesagt worden: Das liegt, vor allem im Vergleich mit den skandinavischen,
den nordischen Staaten, daran, dass das österreichische - ich wiederhole und
unterstreiche noch einmal: das österreichische! - System der
Familienförderung sehr stark auf Geldleistungen und sehr wenig auf
Sachleistungen abstellt, im Gegensatz zum skandinavischen sozialdemokratischen
Wohlfahrtsstaatsmodell, das wir in Österreich nicht in diesem Ausmaß umgesetzt
haben. Von den 8 Milliarden EUR an Familienleistungen entfallen
1,5 Milliarden EUR auf die Länder und Gemeinden, also ein ganz
kleiner Teil, und gerade die Länder und Gemeinden - und hier hervorragend,
nämlich an 1. Stelle, die Gemeinde Wien - setzen sehr stark auf
Sachleistungen.
Das heißt: Was kann man tun gegen Kinderarmut? Man muss etwas tun gegen
Elternarmut, weil Elternarmut in der Regel zu Kinderarmut führt. Und wie tut
man etwas gegen Elternarmut? Indem man sich mehr auf Sachleistungen als auf
Geldleistungen in den Familienleistungen einstellt. Die Kinderarmut entsteht in
der Regel durch Elternarmut, und nach wie vor ist die Arbeitslosigkeit - so wie
Sie auch gesagt haben - eine der häufigsten Ursachen von Armut.
Jetzt lassen wir unsere Imaginationsübung beiseite und befinden uns
wieder im Wiener Gemeinderat, wo wir genau zu den Sachleistungen kommen, die
diese Stadt auch anbietet, nämlich Menschen dabei zu unterstützen, ins
Erwerbsleben einsteigen zu können und möglichst kurz aus dem Erwerbsleben aussteigen
zu müssen, und dabei insbesondere Frauen. Frauenbeschäftigung zu unterstützen,
ist die beste Möglichkeit, um Kinderarmut zu verhindern und um auch Hilfe
anzubringen.
Ganz besonders wichtig sind dabei Kinderbetreuungseinrichtungen,
Kinderbetreuungseinrichtungen mit hoher Qualität und geringen Kosten - seit dem
1. September des letzten Jahres gratis -, und natürlich Ganztagsschulen,
wofür wir ein umfassendes Ausbauprogramm haben. Darüber hinaus ist hier auch
die Unterstützung bei der Pflege ganz besonders wichtig, weil das ein zweiter
wesentlicher Punkt ist, wo Frauen aus dem Beruf aussteigen, wo damit das
Familieneinkommen sinkt und die Armutsgefährdung signifikant steigt.
Sehr entscheidend wird für mich die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
mit 1. September des heurigen Jahres sein, wo es uns in vielen Bereichen
gelungen ist, die Standards, die wir in Wien haben, auch österreichweit
umsetzen zu können.
Einen Punkt muss man schon beachten, wenn man die Sache, wie Sie sagen, sachlich
und nicht populistisch bearbeiten möchte: Die EU-SILC-Statistik ist eine
wesentliche Statistik, aber da werden Sachleistungen, die Kommunen erbringen,
natürlich nicht eingerechnet. Da schaut man sich an, was die Menschen an Geld
haben, geht aber nicht auf die Frage ein, ob in der einen Stadt der
Kindergarten gratis ist und in der anderen nicht, ob es in der einen Stadt ein
Ferienspiel gibt und in der anderen nicht, ob man - weil Sie das angesprochen
haben - gratis in Museen eintreten kann wie etwa ins Kindermuseum, völlig
unabhängig davon, ob man sich den Eintritt leisten kann oder nicht, weil sich
die Frage gar nicht mehr stellt. Das bildet sich in dieser Statistik
selbstverständlich nicht ab.
Daher denke ich, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns dem Thema
widmen, dass wir hier auch, gerade in den letzten Jahren, viele Maßnahmen
gesetzt haben, die in Richtung von mehr Sachleistungen gehen, weil es bei der
Frage der Armutsgefährdung sehr stark auch um das subjektive Wohlbefinden geht
und sehr stark um die Frage geht, ob man in die Gesellschaft inkludiert ist
oder man daraus hinausgedrängt wird. Daher sind die Maßnahmen, die insbesondere
im Bereich der außerschulischen Jugendarbeit, aber auch im Bereich der
MA 11 gesetzt werden, ganz besonders wichtig.
Da ist jedes Pathos an sich unangebracht. Daher kann ich auch, Herr
Kollege Ellensohn, wenn Sie schreiben: was kann die fünfjährige Julia dafür,
dass ihre alleinerziehende Mama zu wenig Geld hat?, Sie nur fragen: Was kann
die fünfjährige Julia dafür, dass Sie hier absichtlich Berichte zitieren, die
mit dieser Stadt genau nichts zu tun haben, und absichtlich Äpfel mit Birnen
verwechseln, nur weil für Sie damit vielleicht politisches Kleingeld zu machen
ist? (Beifall bei der SPÖ.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Damit möchte ich zur konkreten
Beantwortung kommen.
Zu den Fragen 1, 2 und 8: Laut EU-SILC 2008 liegt die Armutsgefährdung
bei Kindern insbesondere in Regionen mit über hunderttausend Einwohnern und
Einwohnerinnen und im städtischen Bereich bei rund 25 Prozent. Das
bedeutet, dass in Wien rund 80 000 Kinder in armutsgefährdeten Haushalten
leben. Ich weise hier auch noch einmal darauf hin, dass zwischen Kindern, die
in Armut leben, und Kindern, die in armutsgefährdeten Haushalten leben, ein
Unterschied ist, den ich gerne Klavier spielen könnte; dann wäre ich nämlich
Rudi Buchbinder, würde im Musikverein sitzen und nicht hier stehen.
Das ist, glaube ich, auch etwas, was den GRÜNEN
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