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Landtag, 12. Sitzung vom 28.04.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 47 von 101

 

weil es ein Verteidigungskrieg ist. Das scheint mir sehr wichtig zu sein. Das ist nicht eine pazifistische Einstellung, sondern das ist eine Haltung im Sinn des Friedens. Der Spruch „Si vis pacem, para bellum!“ klingt garstig, ist aber nicht unrichtig. Das spricht auch dafür, dass man in der Neutralität wehrhaft ist. Das Wesen unserer Neutralität ist die Haltung. Das heißt, wir sind neutral im Konflikt, aber nicht neutral in der Haltung und der Zuordnung von Rechten und Pflichten in der Menschheitsfamilie.

 

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die NATO glaubhaft vermitteln kann, dass sie diese Werte immer repräsentiert und repräsentiert hat. Es wurden nämlich auch Angriffskriege ohne Mandat der Vereinten Nationen geführt, und diese waren nach meinem Verständnis menschenrechtswidrig, waren Kriegsverbrechen oder Völkerrechtsverbrechen. Man kann zwar 100 Mal argumentieren, dass diese Kriege notwendig waren, das Zusammentreffen der Worte „notwendig“ und „Krieg“ ist allerdings problematisch, da würde ich sehr vorsichtig sein. - Im Hinblick darauf wünsche ich mir, dass wir einmal, unabhängig vom gegenwärtigen Anlass, über die Frage Europa und Verteidigung von Europa diskutieren. Ich bin in regem Kontakt mit FreundInnen aus meiner Koalitionspartnerin, und wir sind nicht einmal so weit auseinander in der Frage, wie das denn mit Europa, Identität und Wehrhaftigkeit wäre. Das wäre einmal eine Diskussion wert. Diese kann man jedoch im Hinblick auf den konkreten Krieg nicht führen, weil dann die Gefahr des schnellen über Bord Werfens von Hemmnissen droht. Reden wir aber einmal drüber, wenn es hoffentlich bald wieder Frieden gibt!

 

Nun komme ich wieder zurück auf die Frage der Europäischen Union: Ein Erfolg der Europäischen Union in der momentanen Situation zeigt sich in unserer Kohäsionspolitik und in der Flexibilität unserer Kohäsionspolitik. Das ist eine wesentliche Säule sowohl bei der Bewältigung der Krise der Wirtschaft, aber besonders bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, also einer Krise, mit der wir konfrontiert sind, weil viele Menschen zu uns flüchten. In diesem Zusammenhang hat sich die Europäische Union sehr bewährt.

 

Es ist nicht an mir, aber in diesem Fall habe ich große Lust, es zu tun, nämlich zu diesem Vorwurf Stellung zu nehmen, dass die Europäische Union nichts zu Wege bringt und dass wir ein Europa der Einzelstaaten brauchen. - Erstens befinden wir uns in einem Europa der Einzelstaaten, und zweitens bringt die Europäische Union tatsächlich sehr viel zu Wege. Diesen Vorwurf muss man also zurückweisen. Die Europäische Union ist ein sinnvolles, funktionales Projekt. Das war sie in der Pandemiebekämpfung, und das ist sie besonders jetzt in der Flüchtlingskrise. Die Massenzustrom-Richtlinie ist eine Errungenschaft, meine Damen und Herren, auf die wir stolz sein können.

 

Wenn wir von Europa reden, dann müssen wir aufpassen, dass wir nicht - und ich übertreibe jetzt absichtlich - quasi dem Rest der Welt, wobei ich die Vereinigten Staaten auslasse, kommunizieren: Wir sind Europa. Wir sind wir. Wir sind die Guten. Wir sind auf dem Weg, uns militärisch dementsprechend aufzustellen, und wir legen die Spielregeln auf dieser Welt fest. - Das ist eine bestimmte Spielart White Supremacy, die anderswo - diesbezüglich kann ich Ihnen aus meinen internationalen Funktionen berichten - nicht goutiert wird. Wir sollten sensibler sein, was diese Fragen betrifft, denn je sensibler wir im Umgang mit dem Rest der Welt außerhalb Europas sind, desto glaubhafter sind wir bei unserem Appell im Sinne von Menschenrechten und Liberalität. Das eine hängt eng mit dem anderen zusammen.

 

Diese unsere Grundwerte sollten wir insgesamt immer und ohne Abstriche diskutieren. Im Hinblick darauf weise ich jetzt darauf hin, dass wir in Europa eine Diskussion haben werden, wie wir es damit halten, dass in den Vereinigten Staaten in bestimmten Bundesstaaten das Wahlrecht von Minderheiten eingeschränkt ist: Ich bin dafür, dass wir unsere Positionen in diesem Zusammenhang genauso konsequent durchhalten. Das sage ich jetzt nicht, weil ich gegen die Vereinigten Staaten bin. Ganz im Gegenteil: Ich bin für die Vereinigten Staaten und möchte, dass sie das Ziel, der Hort der Freiheit zu sein, auch wirklich einlösen können. Sie waren das nicht immer und wir auch nicht. Darüber müssen wir aber reden.

 

Es gibt etwas, was ich mir für alle Menschen in der Russischen Föderation und der Ukraine, in China im Hinblick auf die Uiguren, in Lateinamerika, in Afrika und in Europa wünsche, nämlich: Unser Motto muss sein: Weg vom Nationalismus, global hin zu einer regionalen, föderativen Demokratie. Das klingt ambitioniert. Ich meine aber, dass es die einzige Chance ist, die die Menschheit haben wird. Es geht nämlich um die Menschheit. Es geht um uns alle. Und im Hinblick darauf, dass ich damit angefangen habe, mit Ihnen über die Kinder zu reden, sage ich: Es geht um die Kinder. Es geht um die Zukunft der Kinder, und da sind Frieden, soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Empathie und Pluralismus das Wichtigste. - Das ist das Europa, das mir vorschwebt. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Präsident Ernst Woller: Danke. Das waren 16 Minuten Redezeit, es verbleibt eine Redezeit von 4 Minuten. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Maximilian Krauss. Bitte.

 

14.10.38

Abg. Maximilian Krauss, MA (FPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Herr Florianschütz hat das Europa der Regionen genannt, und er hat einige Appelle an die EU-Abgeordneten mitgegeben. Einzig schade dabei ist, dass Ihr Appell ungehört bleibt, denn es haben, wenn man von unserem Vertreter, Abg. Vilimsky, absieht, alle anderen EU-Abgeordneten den Saal bereits vor Ihrer Rede verlassen. Ich meine, es ist doch einigermaßen bezeichnend, dass kein grüner EU-Abgeordneter den Weg hier her findet beziehungsweise dass alle anderen Mandatare sofort wieder gehen. Das zeigt bis zu einem gewissen Grad diese Doppelbödigkeit, die von linker Seite oft kommt: Es wird von Demokratie, von Partizipation, von Prozessen und von Dialog gesprochen, wenn dann aber eine Europastunde stattfindet, dann kommt man entweder gar nicht oder liefert einen fünfminütigen Beitrag ab und hört dann niemand anderem mehr zu. Das finde ich

 

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