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Landtag, 12. Sitzung vom 28.04.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 101

 

schade! Das ist dieser Europastunde sicherlich nicht würdig!

 

Kollege Taborsky hat davon gesprochen, dass beim aktuellen kriegerischen Konflikt Worte nicht mehr reichen und man mit allen Mitteln intervenieren muss. Was ist das, bitte, wenn nicht der direkte Aufruf zum Krieg?! Was ist das, wenn nicht der direkte Aufruf dazu, unsere Neutralität zu beenden und unser Land wahrscheinlich in den Abgrund zu stürzen? - Im Hinblick darauf appelliere ich wirklich an alle Beteiligten und besonders an Sie, Herr Taborsky, sich zu überlegen, welcher Worte und welcher Rhetorik man sich hier bedient! Das kann nämlich definitiv nicht der richtige Weg sein.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ja doch noch ein junger Mensch, und es gibt heute auch noch einen Antrag zu jugendpolitischen Strategien der Europäischen Union. Man hat uns jungen Leuten immer gesagt, dass die EU zwar manche Fehler hat, dass sie aber im Endeffekt zumindest ein Friedensprojekt ist. Ich glaube, nun wurde dieses letzte große Versprechen gebrochen, das man jungen Menschen gegeben hat, nun wurde sogar diese „last line of defense“ in der Argumentation betreffend die Vorteile der Europäischen Union überschritten. Sogar dieses Friedensprojekt wird jetzt nicht nur gefährdet, sondern wird von Ihnen mutwillig zerstört.

 

Man hat den Menschen und besonders den jungen Menschen versprochen, dass die EU bei den großen Fragen unserer Generation helfen würde. 2015 hatten wir dann die Flüchtlingskrise, und da haben wir gesehen, dass es gerade bei diesem großen gesamteuropäischen Problem ein Totalversagen der europäischen Institutionen gegeben hat. Die europäischen Institutionen haben überhaupt nichts Positives zur Lösung dieses Konflikts beigetragen, außer dass man Teil des Chors jener war, die immer mehr Menschen nach Europa locken wollten. Wir haben in der Corona-Krise, die zweifelsohne eine globale und europaweite war, gesehen, dass die europäischen Institutionen zu keinem Zeitpunkt einen positiven Beitrag geleistet haben, um wirtschaftlich abzufedern und auf medizinischer Ebene Lösungen zu suchen. Wir haben erlebt, dass die Europäische Union diesbezüglich wieder versagt hat.

 

Auch jetzt, bei der dritten großen Krise, die wir in den letzten fünf Jahren in Europa zu bewältigen haben, nämlich bei der Ukraine-Krise, erleben wir nicht, dass es eine Europäische Union gibt, die vernünftig agiert. Nein. Wir erleben eine Europäische Union, die keine Rücksicht auf die Neutralität Österreichs nimmt. Wir erleben eine Europäische Union, die in vielen Belangen falsche und unvernünftige Politik macht. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Friedensprojekt, das den jungen Menschen versprochen wurde, haben Sie in den letzten Wochen und Monaten endgültig begraben.

 

Wenn jetzt auch der Erweiterungsprozess angesprochen wurde und manche Politiker ernsthaft fordern, dass man der Ukraine möglichst rasch eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union ermöglichen sollte, dann kann man wirklich nur den Kopf schütteln! Dazu kann man nur sagen: Eine Mitgliedschaft der Ukraine kann es langfristig vielleicht irgendwann geben. Das darf allerdings auf keinen Fall heute, morgen oder in den nächsten Jahren zur Debatte stehen.

 

In diesem Zusammenhang erwähne ich jetzt, dass Großbritannien ja vor einigen Jahren die Europäische Union verlassen hat und damals prophezeit wurde, dass Großbritannien zusammenbrechen wird, Massenarbeitslosigkeit ausbrechen wird und die Menschen dort verarmen werden. In Wahrheit ist überhaupt nichts davon eingetreten, ganz im Gegenteil: Großbritannien ist weitaus besser durch die Corona-Krise gekommen als die meisten europäischen Länder. In Anbetracht dessen weiß man auch, was man von vielen dieser Prognosen, die auf EU-Ebene gemacht werden, zu halten hat.

 

Heute war Herr Abg. Mandl da. Jetzt ist er leider auch schon weg. Er gehört zu jenen EU-Abgeordneten, der unbedingt eine Erweiterung der Europäischen Union in Richtung Balkan haben möchte, der massiv betreibt, dass mafiöse Staaten wie der Kosovo, Albanien oder auch Bosnien-Herzegowina, die alles andere als europareif sind, möglichst schnell in die Europäische Union kommen sollen. Dazu kann man nur sagen: Nein! Es darf keine Erweiterung der Europäischen Union in diese Richtung geben! Es dürfen hier keine weiteren Problemfelder geschaffen werden! Wir brauchen nicht noch mehr Armenhäuser in der Europäischen Union!

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele, besonders die GRÜNEN, sind immer sehr vorschnell. So geißeln sie beispielsweise die Wahlen in Ungarn, denn sie bezeichnen ja bekanntlich Ergebnisse, die bei Wahlen herauskommen und ihnen nicht gefallen, gleich gerne als undemokratisch und sagen, dass da irgendetwas im Vorfeld nicht gestimmt hat. - Ich kann Ihnen nur sagen: Ich war, im Übrigen gemeinsam mit unserem EU-Abg. Harald Vilimsky, in Ungarn als Wahlbeobachter tätig. Wir haben dutzende Wahllokale besucht. Wir haben den Wahlvorgang genau observiert. Und ich sage Ihnen: Dieser Wahlvorgang hat genauso wie in Österreich stattgefunden beziehungsweise sogar noch besser als vergangene Wahlen in Österreich. Ich denke jetzt beispielsweise an die Präsidentschaftswahl 2016, als die Wahl wiederholt werden musste, weil Kuverts nicht richtig zugeklebt worden waren. Hören Sie also auf, hier ständig mit dem Finger auf unseren Nachbarn zu zeigen, und kehren wir vielleicht lieber einmal vor der eigenen Türe, meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Ich kann Ihnen sagen: Junge Menschen, die vielleicht durchaus europakritisch waren, hatten zumindest dieses Friedensprojekt, von dem ich zu Beginn gesprochen habe, immer im Hinterkopf, um zu sagen: Ja, deswegen ist die Europäische Union doch eine gute Sache. Jetzt begeben sich nicht nur Politiker auf europäischer Ebene auf einen völlig falschen Weg. Nein! Wir haben auch eine Bundesregierung, die unsere verfassungsmäßig festgeschriebene Neutralität begräbt und nicht mehr ernst nimmt. Herr Taborsky hat hier davon gesprochen, dass 1955 unsere Unabhängigkeit festgeschrieben wurde und dass die Unabhängigkeit auch immer verteidigt werden muss. Ja. Neben dieser Unabhängigkeit wurde maßgeblich aber auch unsere Neutralität festgeschrieben, und

 

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