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Landtag, 12. Sitzung vom 28.04.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 101

 

Es gibt verschiedenste weitere Punkte der EU, die mir die drei verbleibenden Minuten nicht mehr erlauben, hier auszuführen. Ich komme einmal noch auf die Europäische Union zurück, wo ich viele strukturelle Fehler gesehen habe, die sich übrigens aus meiner Sicht im Jahr 2016 ganz besonders manifestiert haben - Sie erinnern sich -, als die Briten in einem Referendum gesagt haben, good bye, es reicht uns, wir gehen. Da gab es eine Schrecksekunde auf europäischer Ebene, und diese Schrecksekunde hat bedungen, dass die Europäische Kommission in einem sogenannten Weißbuch fünf Szenarien für die Debatte angeboten hat, wohin sich die Europäische Union entwickeln möge. Das war entweder weiterwurschteln wie bisher, eine Reduktion der Gemeinschaft auf den Binnenmarkt zu machen, eine Art Koalition der Willigen zuzulassen, dass nur diejenigen in bestimmten Projekten kooperieren, die das auch wollen. Dann gab es die Variante, auf die sich die FPÖ immer gestützt hat, weniger an Kooperation, dafür effizienter und besser. Und es gibt das fünfte Szenario, das zumindest wir nicht wollen, vielleicht hier der ein oder andere will: eine totale Vergemeinschaftung und viel, viel, viel mehr an gemeinsamem Handeln. Das würde in letzter Konsequenz heißen, eine europäische Zentralregierung zu implementieren.

 

Das sind einmal fünf Szenarien, über die man reden kann, nur hat es bis ins Jahr 2022 gedauert, bis irgendeine Reaktion der Europäischen Union stattgefunden hat - sechs Jahre lang nichts. Dann hat man jetzt eine Zukunftskonferenz implementiert, die völlig niederschwellig läuft, die ohne wirklich nennenswerte Beteiligung von Bürgern läuft, und es droht, wieder nichts herauszukommen. Wo sind denn die großen Diskussionen in den nationalen Parlamenten? Wo ist die Diskussion in der Bundeshauptstadt Wien, wohin sich diese Europäische Union entwickeln will? Wo ist die Suche, einen Konsens zu finden, dieses gemeinsame Europa so arbeitsfähig zu machen, damit die Ziele, für das es gegründet wurde, nämlich möglichst Frieden, Freiheit und Wohlstand für möglichst viele Menschen in Europa zu schaffen, entsprechend umgesetzt werden können?

 

Ich sehe sie nicht, ich sehe, dass man hinter den Kulissen versucht, Zentralisierung voranzutreiben, Bürger ein bisschen mitreden lässt, aber so niederschwellig, dass sie gar nicht richtig in die Debatte reinkommen, und den Zug, der in Wahrheit im Interesse großer Konzerne ist, so weiter vorantreibt, um diesen Kontinent möglichst optimal für Konzerne gestalten zu können. Es hat ja auch einen Grund, warum auf einen EU-Mandatar in Brüssel 40 Lobbyisten kommen. 40 Lobbyisten pro EU-Mandatar! Da stimmt etwas nicht, das gehört verändert. Unser Weg wäre es, Kompetenzen rückzuverlagern. Die Gemeinschaft der Staaten, die gemeinsam Europa bilden, soll auf Augenhöhe und in Freundschaft miteinander kooperieren. Sie sollen aber weder ihre Selbstständigkeit, ihre individuelle Gestaltungsfähigkeit dabei verlieren, sondern gemeinsam eine Zukunft entwickeln, die im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ist. Und dann, sage ich Ihnen, wird diese Europäische Union nicht mehr katastrophal niedere Zustimmungswerte haben, sondern die Menschen werden sagen: Ja, hier ist etwas gelungen, hier ist etwas Gutes, und dort hin sollten wir uns entwickeln und nicht den Weg gehen, den ich jetzt versucht habe, auf Grund weniger fehlerhafter Entwicklungen in die Kritik zu bringen. Meine Zeit ist abgelaufen. Ich danke für Ihr Ohr, das Sie mir geliehen haben.

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Danke schön. Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Gamon. Ich erteile es ihr. Bitte sehr.

 

12.04.36

EP-Abg. Claudia Gamon, MSc (NEOS)|: Hallo!

 

Ich freue mich sehr, dass ich hier sein kann. Ich werde Sie nicht mit 20 Minuten meiner Gedanken quälen, sondern probieren, es ein wenig kürzer und knapper zu halten, aber man muss ja schon ein wenig darauf reagieren, was Herr Vilimsky hier gesagt hat.

 

Ich freue mich sehr darüber, dass wir als EU-Abgeordnete die Möglichkeit haben, hier sprechen zu können, und möchte mich auch sehr bei Wien bedanken, als europäische Stadt, die diesen europäischen Geist auch gerne lebt, dass das hier auch jetzt zu diesem Zeitpunkt im Landtag diskutiert wird, denn es ist genau die Zeit, in der wir auch darüber sprechen müssen, wie wir Europa weiterentwickeln können und was Europa für alle seine Bürgerinnen und Bürger und vor allem für die Wienerinnen und Wiener noch bedeuten kann. Ich möchte mich beim Landeshauptmann für seine Worte bedanken, weil ich denke, dass es eben jetzt wichtig ist, darüber zu reden, was Solidarität in Europa wirklich bedeutet.

 

Wir sehen jeden Tag neue Bilder der Grausamkeiten, die in der Ukraine passieren, Kriegsverbrechen, Exekutionen, Vergewaltigungen. Es sind Bilder, die kaum zu ertragen sind, aber doch auch Bilder, die uns zum Handeln zwingen müssen. Es muss etwas in uns auslösen, und ich merke das bei ganz vielen Menschen, mit denen ich zum Sprechen komme, die sagen, sie hätten sich gar nicht gedacht, dass es so etwas in Europa, in unserer Nachbarschaft in ihrem Leben noch einmal geben würde. Es bewegt uns, und ich denke, was wir daraus ableiten sollten, ist, wozu es uns bewegt, in der Europäischen Union zu tun und zu verändern. Gerade wir, die politische Verantwortung haben - in Wien, in Österreich, in der Europäischen Union -, sind die, die auf gar keinen Fall wegschauen können, sondern die das zum Anlass nehmen müssen, um etwas zu tun.

 

Ich würde auch gerne in Richtung der FPÖ sprechen, aber sie sind, glaube ich, auf einen Kaffee gegangen. Was Herr Vilimsky hier nämlich gemacht hat, ist natürlich typisch für die Reaktionen, die Rechtspopulisten im Moment in der Europäischen Union haben, die auch unter einer ganz tragischen Amnesie leiden, weil sie leider vergessen haben, dass sie diejenigen waren, die Wladimir Putin in Europa hofiert haben, mit seiner Partei Deals und Vereinbarungen abgeschlossen haben, die sich angebiedert haben. Das waren die Rechten, die Rechtspopulisten und Rechtsextremen in der Europäischen Union, die einen Beitrag dazu geleistet haben, wie diese Gefahr, die von Russland ausgegangen ist, in der Europäischen Union kleingeredet worden ist. Das haben wir denen zu verdanken.

 

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