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Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 41 von 68

 

der Woche vorsieht. Wir halten es für ganz, ganz wichtig, insbesondere auch auf Grund der Berichte aus den vergangenen Monaten, dass die Kinder in einem geregelten Schulbetrieb bleiben können, und wir haben dementsprechend auch einen Beschlussantrag vorbereitet, für den uneingeschränkten Präsenzunterricht an den Wiener Schulen zu sorgen, und fordern den zuständigen Stadt- beziehungsweise Landesrat entsprechend hierzu auf.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich an dieser Stelle namens meiner Fraktion noch einmal herzlich für den Bericht bedanken. Bitte bleiben Sie weiter so aktiv in Ihrer Arbeit! - Danke schön.

 

Präsident Ernst Woller: Ich danke. Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Abg. Berner. Ich erteile ihr das Wort.

 

13.34.37

Abg. Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE)|: Herzlichen Dank an die Volksanwaltschaft - an Sie - für den vorliegenden Bericht und für die breite Prüfung an vielen Teilen der Stadt! Ich weiß, das ist kompliziert, und danke, dass Sie uns so einen umfassenden Bericht liefern.

 

Was gleich vorweg auffällt: Die Volksanwaltschaft erkennt ähnliche Mängel, wie die Kinder- und Jugendhilfe in Wien sie schon im Juni festgestellt hat und wie sie auch vom Stadtrechnungshof festgestellt werden. Zirka 4.000 Kinder und Jugendliche in Wien werden fremdbetreut, zirka 6.500 werden ambulant betreut. Der Bedarf liegt deutlich darüber, sagt auch die Volksanwaltschaft. Im Osten Wiens gibt es de facto keine ambulante Betreuung durch die Frühen Hilfen, die sind nur im Westen Wiens ausgebaut. Wir haben dazu schon einige Anträge eingebracht und wir hoffen, dass es, wenn das jetzt auch im Volksanwaltschaftsbericht steht, noch mehr ernst genommen wird.

 

Auch für ältere Kinder war auf Grund von Corona die ambulante Betreuung leider nicht immer sichergestellt, es braucht auch da deutlich mehr. Die ambulante, aber individuell zugeschnittene Betreuung, wie sie die Frühen Hilfen anbieten, kann - das ist breit getragene ExpertInnenmeinung - Kindesabnahmen vermeiden, weil Familien frühzeitig und nachhaltig auf die Beine geholfen und in Krisensituationen kompetent beigestanden wird, den Alltag zu meistern.

 

Wenn das alles nicht mehr geht, wenn ambulante Hilfe nicht mehr ausreicht, dann kommen die Kinder ins Krisenzentrum. Und leider, auch dort herrscht Mangel, das wird im Bericht der Volksanwaltschaft zur Kinder- und Jugendhilfe noch einmal ausgeführt. „Problematisch2, steht hier, „ist in Wien immer noch die drastische Überbelegung der Wiener Krisenzentren. Die vorgesehenen 8 Plätze waren fast das ganze Jahr mit 12, manchmal sogar mit 14 Kindern belegt.“ - Das ist eine Überbelegung von 6 Kindern oder eine Auslastung von 175 Prozent. Das ist eindeutig zu viel.

 

Weiter heißt es in dem Bericht auf Seite 34: „Dadurch ist keine umfassende, fachlich fundierte Abklärung der Lebenssituation und der Ressourcen des Kindes und der Familie, wie dies in der Krisenabklärung stattfinden sollte, mehr möglich. Die Arbeitsbelastung des Personals der Krisenzentren, das hauptsächlich aus Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern besteht, ist durch die Auslastung der Krisenzentren besonders hoch.“

 

Diese Mängel werden seit Jahren festgestellt. Bisher wurden höchstens kleine Pflaster angeboten - ein paar Dienststellen hier oder dort, eine neue WG -, aber das ist leider zu wenig, um in Wien allen Kindern in Not zu helfen. Oft müssen Kinder aber auch in den Krisenzentren bleiben, trotz der Überbelegung, weil ambulante Hilfe nicht mehr zur Verfügung steht oder weil es keine passenden WG-Plätze gibt oder weil keine passenden Pflegeeltern gefunden werden können.

 

Unter diesen Voraussetzungen ist es besonders unverständlich, warum sich das Land nicht dazu entscheiden kann, zumindest das Pflegegeld für Kinder, die nicht zu Hause leben können, den allgemeinen Kostensteigerungen anzupassen. Erhöhungen des Pflegekindergeldes um nur 1 Prozent, während die Kosten im letzten halben Jahr um 3,7 Prozent angestiegen sind! Das Pflegegeld für Krisenpflegeeltern wird überhaupt nicht angepasst und das für Kinder unter sechs Jahren auch nicht. Warum nicht?

 

Das haben wir heute in der Früh gefragt, und Ihre Antwort, Herr Landesrat, war nicht gerade empathisch: Die Pflegeeltern sollen ihre Arbeit nicht nur für Geld machen. - Sie, Herr Landesrat, appellieren also an die Solidarität von Menschen, die eh schon bereit sind, Aufgaben für die Gemeinschaft zu übernehmen. Man könnte das auch zynisch nennen. Was, glauben Sie, heißt das eigentlich konkret? - Wenn ein Kind in der Nacht im Pyjama vor der Tür der Krisenpflegemutter steht, muss diese ad hoc alles vorfinanzieren, was für den Alltag des Kindes notwendig ist: Gewand, Körperpflegemittel, Gitterbett, aber auch medizinische Geräte wie eine neue Brille oder neue Schuheinlagen.

 

Das Pflegekindergeld, das sie erst im Nachhinein ausbezahlt bekommt, kann den tatsächlichen Bedarf dafür nicht decken. Die Krisenpflegemutter ist darauf angewiesen, wieder Anträge auszufüllen und Amtswege zu nehmen, in der Hoffnung, dass sie zumindest Teile der Ausgaben refundiert bekommt. Es ist also ein Mehraufwand für diese Krisenpflegemutter. Ihr werden Steine in den Weg gelegt. Da ist es kein Wunder, wenn der emotionale Stress, ergänzt um den finanziellen Stress, viele dazu bringt, dass sie den Beruf Krisenpflegeeltern wieder aufgeben. Da reicht es nicht, an Solidarität zu appellieren, da braucht es langfristige strukturelle Maßnahmen.

 

Als erste Maßnahme schlagen wir einmal vor, das Pflegekindergeld an die tatsächlichen Kosten anzupassen. Dazu bringen wir heute einen Antrag ein. Wir bitten um die Zustimmung aller Fraktionen.

 

Die Schwierigkeiten in WGs und Krisenzentren sind auch strukturelle. Wir haben auch in der Aktuellen Stunde schon darüber geredet. Wieder ein Zitat: „In Wien waren nach der aktuellen Kinder- und Jugendhilfestatistik insgesamt 4.047 Kinder unter 18 Jahren in Fremdbetreuung. Damit blieb der Anteil der fremdbetreuten Kinder je 1.000 Einwohner unter 18 konstant bei 12,3. Wien lag wieder an 1. Stelle im Österreich-weiten Vergleich. Gleichzeitig wurden 6.316 ambulante Hilfen gewährt.“

 

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