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Landtag, 42. Sitzung vom 28.01.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 72

 

lung ist, die für dieses gemeinsame Europa nicht von Vorteil sein kann.

 

Wie notwendig es ist, gemeinsam Lösungen zu finden, zeigen vor allem jene Themenschwerpunkte, die die Menschen besonders emotionalisieren. Das ist nicht zuletzt das Thema der Migration. Wir alle wissen, dass die Migrationsfrage eine der ganz wichtigen Herausforderungen für ein gemeinsames Europa darstellt und dass das fehlende Commitment der Mitgliedsstaaten mit ein Grund dafür ist, dass es in der Tat zwischen den nationalen Staaten, aber auch innerhalb der Gemeinschaft zu großen und heftigen Diskussionen kommt.

 

Diese Herausforderung wird nur gelöst werden können, wenn wir uns anschauen, welche Probleme es in den Herkunftsländern gibt, in jenen Ländern, aus denen die Menschen kommen, die zu uns flüchten, um aus den verschiedensten Gründen - das sind kriegerische Auseinandersetzungen, Konflikte, es sind aber auch die Umweltbedingungen in den Herkunftsländern - eine andere Lebenssituation bei uns vorzufinden. Die Frage ist, inwieweit wir als europäische Staaten einen Beitrag leisten können, um die Lebensbedingungen der Menschen in den Herkunftsländern zu verbessern.

 

Ich habe vor Kurzem Gelegenheit gehabt, mit dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella über diese Frage zu diskutieren, weil Italien durch die geographische Lage ein besonders betroffenes Land ist. Es ist natürlich auch eine Frage der Solidarität in einem gemeinsamen Europa, wie die Migrationsfrage gelöst werden kann. Das wird nicht gegeneinander, sondern nur miteinander zu lösen sein. Was in diesem Zusammenhang verheerend wäre, ist, die Migrationsfrage mit Menschenrechtsfragen zu verbinden, denn es ist ein Kernanliegen des gemeinsamen Europa, Menschenrechte in den Vordergrund zu rücken. Ich möchte vielleicht an den Art. 2 des Vertrages über die Europäische Union erinnern und diese demokratischen Grundsätze der EU ganz kurz zitieren, die lauten:

 

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedsstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ Wenn man sich diese Menschenrechte vor Augen führt, dann haben die meiner Meinung nach vor allem für die Kinder zu gelten, die besonders von den Auswirkungen der verschiedensten Konflikte, wegen denen ihre Familien auch flüchten, bedroht sind. Sie sind am meisten betroffen, oft in materiell schwierigen Situationen, oft auch betroffen durch psychische und politische Rahmenbedingungen.

 

Im Herbst 2019 haben wir 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention gefeiert. Da möchte ich als Wiener Bürgermeister eines besonders betonen: Jedes Kind ist gleich viel wert. Jedes Kind verdient eine faire Chance, unabhängig davon, woher es kommt, welcher Religion es angehört oder wie hoch das Einkommen seiner Eltern ist. In Wien hat jedes Kind eine faire Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Mit mir als Bürgermeister wird das auch so bleiben. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN sowie von den EP-Abgeordneten Mag. Andreas Schieder und Sarah Wiener.)

 

Ich bin stolz darauf, dass Wien die Stadt der Menschenrechte ist. Durch einen Gemeinderatsbeschluss im Dezember 2014 hat sich Wien zur Stadt der Menschenrechte erklärt. Kurz darauf, im September 2015, wurde das Menschenrechtsbüro der Stadt Wien eröffnet, das auch auf europäischer Ebene sehr intensiv die Positionen Wiens vertritt. Besonders durch die ganz starke Zusammenarbeit mit der in Wien ansässigen Agentur der Europäischen Union für Grundrechte kann das Menschenrechtsbüro dazu beitragen, dass Rechte wie der Schutz vor Diskriminierung oder der Zugang zur Justiz gefördert und geschützt werden. Da ist vor allem auch der internationale Zusammenhang ganz wichtig. Wien ist seit vier Jahrzehnten Sitz der Vereinten Nationen, im Übrigen auch vieler anderer internationaler Einrichtungen, die hier in Wien ihre Heimat gefunden haben. Ich möchte nur daran erinnern, dass das damals gar nicht so leicht war, die Vereinten Nationen in Wien ansässig zu machen, und dass es der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky war, der es trotz heftiger Widerstände geschafft hat, ein Konferenzzentrum zu errichten und damit auch sicherzustellen, dass wir zum einen Sitz der Vereinten Nationen sowie vieler internationaler Kongresse geworden sind und heute unter den Top-Veranstaltern großer internationaler Kongresse und Konferenzen gelten können.

 

Es ist auch ein Aspekt oft unbeleuchtet geblieben, nämlich die große Rolle, die der damalige Wiener Bürgermeister Leopold Gratz in diesem Prozess gehabt hat. Auch durch seine ganz gezielte politische Arbeit vor Ort in New York hat er dazu beigetragen, dass die Vereinten Nationen nach Wien kommen. Das ist aus mehreren Gründen für uns wichtig, denn die Vereinten Nationen haben nur einen Sitz in der Europäischen Union, und der ist in Wien.

 

Wir werden das auch mit vielen Ambitionen unserer, wie ich meine, sehr offensiven Stadtaußenpolitik, die wir betreiben, die Michael Häupl in die Wege geleitet hat und die wir mit großer Intensität weiterverfolgen, verbinden, nicht, um die nationale Außenpolitik zu konterkarieren, sondern - ganz im Gegenteil - diese zu ergänzen und zu begleiten. Ich bin überzeugt, dass viele Herausforderungen, die es zwischen den nationalen Staaten gibt, auf Grund guter Beziehungen zwischen den Städten wieder in Gang gesetzt werden können.

 

Dass wir einiges einzubringen haben, haben wir in Wien bewiesen. Auch in einer schwierigen Phase der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008, wo wir, wie ich meine, bewiesen haben, wie wichtig es ist, dass Städte die Möglichkeit haben, wirtschaftliche, finanzielle Investitionen vornehmen zu können. Und dass wir seit 2009 durchgehend in verschiedenen internationalen Rankings die lebenswerteste Stadt sind, hängt damit zusammen, dass wir den Wirtschaftsstandort Wien stärken konnten, damit verbunden uns aber auch ganz

 

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