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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 49

 

Forderung nach einer Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch die so genannte dreistufige Volksgesetzgebung, wo Initiativ- und Abstimmungsrecht gekoppelt sind. Sämtliche Entscheidungen des Europäischen Parlaments stünden so unter einem Popularvorbehalt, somit würden sie auch wirkliche demokratische Legitimität erfahren.

 

Als unerlässlich wird die so genannte Medienbedingung angesehen.

 

Der „Wiener Appell", der auf „www.impuls21.net“ zu finden ist, meint etwa: Damit das Prinzip der Souveränität der europäischen Rechtsgemeinschaft kein bloß abstraktes beziehungsweise bloß aufs Wählen reduziertes bleibt – womit ja die Souveränität zwar ausgeübt, aber im selben Augenblick auch pauschal an die so genannten repräsentativen Organe abgegeben wird – muss nach dem Vorschlag des „Wiener Appells" ein dreifaches Grundrecht als permanent verfügbar eingerichtet werden.

 

1. Das außerparlamentarische Initiativrecht. Mindestens eine Million Bürgerinnen und Bürger der EU sollen sich zusammenschließen können, um eine Gesetzesinitiative oder ein allgemeines politisches Anliegen an das Europäische Parlament zu richten. Findet dies die mehrheitliche Zustimmung im Parlament, erlangt es Rechtskraft.

 

2. Das Bürgerschaftsbegehren. Es kann eingeleitet werden, wenn das Parlament den Antrag ablehnt. Es müssen mindestens zehn Millionen Erklärungen für das Begehren gesammelt werden, danach kann das Anliegen erneut auf die Agenda des Parlaments kommen.

 

3. Der Bürgerschaftsentscheid. Er findet nach dem Abschluss des Bürgerschaftsbegehrens statt, und verbindlich wird, was die Mehrheit der an der Abstimmung Teilnehmenden beschließt.

 

Von entscheidender Bedeutung im Prozess eines solchen dreistufigen Verfahrens wäre jedoch, welche Rolle den Medien für die Urteilsbildung der Bürgerschaft zur jeweiligen Sache zukommt.

 

Eine Medienbedingung ist in der heutigen massenmedialen Gesellschaft erforderlich. Deshalb bedürfte es im plebiszitären Verfahren einer geeigneten Regelung, damit in der Zeit bis zum Bürgerschaftsentscheid für das Pro und Contra zum jeweiligen Sachverhalt, den eine Initiative auf die Agenda gestellt hat, die freie und gleichberechtigte Information und Diskussion gewährleistet ist. Die Institution eines Ombudsrates sollte mit den Vertretern der beiden Seiten – der InitiativträgerInnen einerseits und der Medien andererseits – das Entsprechende vereinbaren.

 

Soweit die zentralen Punkte des „Wiener Appells".

 

Meine Damen und Herren! Unabhängig davon, ob ich persönlich oder meine Fraktion diese Vorschläge aufgreifen werden oder nicht, mit diesem Beispiel möchte ich aufzeigen, dass es nie falsch ist, die Menschen nach ihrer Meinung zu fragen. Wie Sie sehen, hat die Zielgesellschaft praktikable und durchdachte Lösungsansätze parat. Die vorhin zitierten Gedankengänge und Vorschläge bergen etwa das Potenzial in sich, das Demokratieproblem der EU langfristig lösen zu können. Und so wie diese gibt es auch viele andere gute Vorschläge und Ideen, die diskutiert und geprüft werden sollten.

 

Die SPÖ ist jene politische Bewegung, die tabulose und offene Diskussionen führen möchte, und auch deswegen sind wir näher bei den Menschen als alle anderen politischen Gruppierungen.

 

Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Kernpunkte noch einmal zusammenfassen:

 

Die EU bürgt für und garantiert Frieden und hat vielen EuropäerInnen mehr Wohlstand gebracht.

 

Die EU ist ein Projekt der Zukunft, und sie kann wesentlich mehr als traditionelle Nationalstaaten.

 

Wem die EU wirklich am Herzen liegt, der darf sie nicht Lobbyisten und VertreterInnen von Partikularinteressen überlassen. Ein Selbstbedienungsladen EU für einige wenige Hyperkonzerne ist nicht die europäische Vision meiner Generation.

 

Die EU muss eine politische Sozialunion werden, die eine Demokratie auf der Höhe der Zeit leben wird. Die EU kann es sich nicht erlauben, im Verhältnis zu Nationalstaaten demokratiepolitische Rückschritte zu machen. Vielmehr muss sie mutig und innovativ vorangehen.

 

Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen tragen als einzige politische Bewegung die Demokratie auch im Namen. Sie bedeutet keine leere Worthülse, sondern sie ist unsere Verpflichtung, und zwar seit den ersten Tagen der ArbeiterInnenbewegung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir wissen: Ohne die Lösung des Demokratiedilemmas auf europäischer Ebene wird es letzten Endes auch nicht die Lösung der sozialen Frage geben.

 

Die Geschichte zeigt uns: Immer dann, wenn die Demokratie gelitten hat, wo Volkssouveränität in Frage gestellt oder gar verunmöglicht wurde, immer dann hat dies auch zwangsweise zu sozialen Schieflagen und in weiterer Folge zu Katastrophen geführt.

 

Ich möchte es aus unserer sozialdemokratischen Perspektive wie folgt umschreiben: Der neoliberale Kapitalist duldet die Demokratie maximal, jedenfalls braucht er sie nicht, jedoch für die alleinerziehende Mutter ist Demokratie in letzter Konsequenz existenzsichernd.

 

Die EU ist bisher von oben herab entstanden – das ist historisch erklärbar und nicht zu verurteilen, …

 

Präsident Johann Hatzl (unterbrechend): Bitte zum Schluss zu kommen! 

 

Abg Petr Baxant (fortsetzend): Ich bin gleich fertig – … aber die europäischen Völker haben immer stärker das Bedürfnis, selbst Teil dieses einzigartigen Projektes zu sein. Wir haben die Verpflichtung, die Europäische Union mit den Menschen gemeinsam zu bauen, in die Zivilgesellschaft hineinzuhören und uns durch Ideen inspirieren zu lassen.

 

Wir SozialdemokratInnen sind für einen ehrlichen, kritischen und zukunftsorientierten Diskurs mit den Menschen, deren Lebensumstände unmittelbar von Entscheidungen in der EU betroffen sind. Wenn am Ende eines Diskurses eine Volksabstimmung stehen sollte, sehen wir das nicht als Katastrophe, sondern als zarte Vorhut zu einer Entwicklung zu wahrhaftiger Demokratie,

 

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