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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 49

 

hin zu einer umfassenden europäischen Volkssouveränität, zu einer Entwicklung, die alternativlos ist. Entweder wird die EU eine wirkliche demokratische, soziale, politische Union der europäischen Bürgerschaft und der europäischen Völker oder sie wird als gutgemeintes, aber leider gescheitertes Projekt einiger Idealisten in die Annalen der Geschichten eingehen.

 

Wir Sozialdemokraten jedenfalls arbeiten an der Zukunft eines Europas des Friedens, des Wohlstandes, der Arbeit, der Verteilungsgerechtigkeit und der Freiheit. Gemeinsam mit den Menschen! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Johann Hatzl: Zum Wort gelangt der Abg Gudenus.

 

Abg Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Manche befinden sich ja schon mit einem Fuß im Urlaub, manche schon – wie man an den leeren Reihen sieht – mit zwei Füßen. Wir haben heute sehr viel gehört über die Positionierung der Großparteien zum Thema EU. Der Wettstreit, welche Partei ist europäischer, das ist ja eine große Rangelei. Jede Partei beansprucht für sich: Wir sind die Europapartei.

 

Für uns Freiheitliche möchten ich Folgendes feststellen: Wir sind die einzige rot-weiß-rote Partei. Wir waren immer schon eine Partei, die für eine europäische Einigung eingetreten ist, aber das muss ja nicht gleich die EU sein, wie sie heute auftritt.

 

Ich darf hier den Kollegen Klubobmann Tschirf zitieren, der gesagt hat, keine Region profitiert so sehr von der Ostöffnung wie Wien oder Ostösterreich. Das stimmt vielleicht schon. Wien ist die Drehscheibe für den Osthandel geworden, für die Wirtschaft über den Osten, aber gleichzeitig auch die Drehscheibe der Kriminalität, die vor allem aus dem Osten kommt. Das ist die Kehrseite der Medaille, dass eben hier nicht nur die positiven Aspekte zu sehen sind, sondern auch die negativen Aspekte, wie eben das Steigen der Kriminalität, was oftmals durch Statistiken geschönt wird.

 

Der Herr Klubobmann Tschirf hat gesagt, man muss die Bürger mitnehmen. Aber was ist zum Beispiel, wenn die Bürger nicht wollen? Das wäre eine Freiheitsberaubung, eine Art Entführung, ein politisches Kidnapping. Was ist, wenn die Bürger überhaupt nicht in die EU mit wollen? Das ist auch der Grund, warum Sie sich so vehement gegen eine Volksabstimmung gewehrt haben. Sie wollen die Bürger in Geiselhaft nehmen.

 

Bei manchen Rednern heute wäre man, wenn man die Augen zugemacht hätte, nie auf einen Gedanken gekommen, dass hier österreichische Politiker sprechen, man hätte eher geglaubt, dass hier ein EU-Kommissar spricht oder Vertreter der EU-Propagandamaschinerie, weil hier nur Versprechen getätigt werden und Schönfärberei betrieben wird.

 

Wenn wir schon beim Thema Propaganda sind. Was wurde den Menschen nicht alles versprochen, um ihnen ein Ja zum EU-Beitritt zu entlocken!

 

Alles wird besser, billiger, der EU-Beitritt macht alles billiger. – Wir sehen hier eigentlich das Gegenteil.

 

Der Schilling bleibt. – Das Gegenteil ist eingetreten.

 

Neutralität bleibt. – Man sieht jetzt schon, dass österreichische Soldaten im Tschad im Interesse Frankreichs unterwegs sind.

 

Und es wurde auch versprochen, dass Österreich als Mitglied bei allen wichtigen Fragen mitbestimmen kann. Tatsache ist aber, dass wir kaum etwas mitzureden haben. Und vor allem bei der Umsetzung des Vertrages von Lissabon, der Gott sei Dank an den Iren gescheitert ist, würde es so ausschauen, dass unsere Mitbestimmung vollkommen weg ist, wir zwar noch zahlen dürfen, aber nicht mehr mitreden dürfen und ab dem Jahre 2014 Österreich kein Kommissar mehr zusteht.

 

Es wurde auch versprochen, dass in der EU nur Platz ist für europäische Länder. Tatsache ist aber, dass die EU mit der Türkei über einen Beitritt verhandelt, schon Milliarden an den Bosporus pumpt, andererseits die Fortschrittsberichte der Europäischen Kommission eine mangelnde Europareife der Türkei bestätigen, und es ist anzunehmen, dass diese Europareife wahrscheinlich auch niemals erreicht werden wird. Es werden keine Lösungen erzielt bei Problemen mit sehr hoher Sprengkraft wie zum Beispiel im Zypern-Konflikt, wie zum Beispiel in der Kurdenfrage oder bei der Anerkennung des armenischen Genozids. Da gibt es überhaupt keine Lösungen. Man muss eben feststellen, dass die Türkei weder geographisch noch kulturell ein europäisches Land ist, und auch auf Grund der unzureichenden Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union ist der Schluss zulässig, dass die Verhandlungen mit der Türkei sofort abzubrechen sind. Ich bringe deswegen einen Beschlussantrag gemeinsam mit den Kollegen Schock, Ebinger und Jung ein.

 

„Der Landtag möge beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene in den entsprechenden Räten einen sofortigen Abbruch der Verhandlungen über einen Vollbeitritt der Türkei zur EU durchzusetzen.

 

In formeller Hinsicht wird die sofortige und namentliche Abstimmung beantragt.“

 

Man hat ja wirklich manchmal den Eindruck gehabt, vor allem in den letzten Monaten, als es darum gegangen ist, die Zustimmung zum Vertrag von Lissabon durchzuboxen, dass es sich hier in Österreich bei den Politikern teilweise um eine Ansammlung von Masochisten handelt, denen es anscheinend gefällt, wenn sie entrechtet und erniedrigt werden.

 

Und der besondere Skandal ist ja: Den Österreichern wurde eine Volksabstimmung über diese so essentielle Zukunftsfrage verweigert. Sie wollen eben über das österreichische Volk drüberfahren, Sie entmündigen die Österreicher, und Sie nehmen den Österreichern die Freiheit einer Entscheidung, weil Sie in Wahrheit Angst haben vor der Meinung der Menschen.

 

Ich möchte hier den Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson, zitierten, der gesagt hat: „Freiheit ist ein stürmisches Meer. Ängstliche Naturen bevorzugen die Stille des Despotismus." –

 

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