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Landtag, 10. Sitzung vom 28.06.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 89 von 98

 

Bescheide. Die Volksanwaltschaft kritisiert diese Vorgangsweise als hoch kompliziert und sicherlich nicht im Sinne von Kundenfreundlichkeit.

 

Dafür ein wirklich interessantes Beispiel: „Das Stadtratbüro antwortete, dass man der Kritik des Volksanwaltes bei den automatischen Bescheiden schon Rechnung getragen habe, indem man folgenden Absatz eingefügt hat." – Diesen möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: „Bei finanzieller Unterstützung aus Sozialhilfemitteln, zu denen auch die Mietbeihilfe zählt, handelt es sich um subsidiäre Leistungen. Das heißt, dass alle anderen Leistungsansprüche vorher geltend zu machen sind. Besteht ein Rechtsanspruch auf Leistung Dritter, zum Beispiel auf eine Wohnbauhilfe der MA 50, so sind diese zu beantragen.“

 

Meine Damen und Herren! Glauben Sie wirklich, dass gerade Menschen, die ein sehr niedriges Bildungsniveau haben, solche Schachtelsätze und Ausdrücke wie „subsidiär" oder „Leistungen Dritter" oder „MA 50" verstehen? – Ich denke, es sollte wirklich daran gearbeitet werden, dass diese Bescheide in einer einfachen Sprache gehalten werden, sodass sie wirklich alle verstehen können!

 

Ein weiterer Kritikpunkt sind die unwahrscheinlich langen Wartezeiten auf Auszahlung der Gelder. Ich habe am Montag beim Rechnungsabschluss einen Antrag eingebracht, man möge sich doch bemühen, die Auszahlung der Gelder bis spätestens 14 Tage nach Bescheiderstellung zu veranlassen. Leider Gottes ist dieser Antrag abgelehnt worden! Und ich bedaure, dass man auf diesbezügliche Kritik und Vorschläge der Volksanwaltschaft nicht anders reagiert!

 

Ich denke mir, dass Menschen, die Sozialhilfe beanspruchen, diese sofort und nicht erst in ein paar Monaten brauchen. Es müsste doch wirklich selbstverständlich sein, dass man versucht, jedes Hindernis bei der Gewährleistung dieser Sozialhilfe aus dem Weg zu räumen!

 

Ich bringe heute einen Antrag ein, in dem es um Menschen geht, die vom AMS auf Grund § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes gesperrt wurden. Diese Menschen haben dann kein Recht auf Sozialhilfe. Das Ganze ist ein bisschen kompliziert: Einerseits sind nämlich laut Wiener Sozialhilfegesetz die Menschen dazu verpflichtet, ihre eigene Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensbedarfes einzusetzen. Wann dieses Kriterium erfüllt ist, wird im Gesetz aber nicht ausdrücklich geregelt.

 

Ich werde Ihnen jetzt einen Fall schildern, in dem jemand vom AMS gesperrt wurde: Eine Frau Mitte 30 verliert ihren Arbeitsplatz. Sie hatte auf Grund von Personaleinsparungen nur 20 Stunden gearbeitet, also ist die Arbeitslose nicht wirklich sehr hoch. Sie stellt fest, dass ihr in Anbetracht der Zahlungen von Miete, Strom und Gas einfach zu wenig zum Leben bleibt. Da macht sie einen Fehler, den ich sicherlich nicht gutheiße: Ein Wirt bietet ihr an, dass sie abends bei ihm für 5 EUR die Stunde arbeiten und sich das Trinkgeld behalten kann.

 

Damit sie viel Trinkgeld bekommt, war sie ganz besonders freundlich. Am dritten Abend kamen zwei Herren, die sie sehr freundlich bedient hat. Die fragen sie, wie lange sie denn da schon arbeite, und sie antwortet: Seit zwei Tagen. – Auf jeden Fall war der eine ein Arbeitsinspektor, der feststellte, dass sie schwarz gearbeitet hat, was sicherlich nicht in Ordnung ist. Sie wurde dafür bestraft, indem sie 80 EUR Strafe zahlen musste und für zwei Monate gesperrt wurde. Da frage ich: Warum wird nicht der Wirt gestraft?

 

Ich finde es, wie gesagt, nicht in Ordnung, dass sie das gemacht hat. Aber jetzt beginnt das Ganze zu laufen: Sie bekommt keine Sozialhilfe, keine Arbeitslose, keinen Groschen Geld, und sie hat Schulden. Auf einen Termin bei der SchuldnerInnenberatung muss sie vier Monate warten. Jetzt sitzt die zu Hause, und man hat ihr Strom und Gas abgedreht, weil sie es nicht mehr bezahlen kann, und das Nächste ist die Delogierung. – Beugt man so der Armut vor? Da muss man doch einen Weg finden! Die Hilfe, wenn sie dann obdachlos ist, kommt ja im Grunde genommen nicht billiger! Warum kann man denn nicht einmal individuell auf solche Fälle eingehen? (Abg Godwin Schuster: Was würden Sie vorschlagen?) Dass die Sozialhilfe auch in diesem Fall gegeben wird! Sie zahlt ja eh die Strafe, aber man kann sie doch nicht einfach sperren!

 

Ich weiß nicht, warum andere vom AMS gestrichen werden! Aber wenn man schon sagt, dass sie ihre eigene Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensbedarfes einsetzen muss und das das Kriterium ist, dass man Sozialhilfe bekommt, dann muss man auch irgendwo festlegen, was das heißt und wer das bestimmt. Ich lese meinen Antrag vor:

 

„Der Landtag wolle beschließen: Die Kriterien des § 9 Wiener Sozialhilfegesetz, wann die Forderung nach dem Einsatz der eigenen Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensbedarfes ausreichend erfüllt ist, werden explizit angeführt." – Das ist zum Beispiel schon ein Weg.

 

Der 2. Punkt in meinen Antrag lautet: „In den Vollzugsrichtlinien des Wiener Sozialhilfegesetzes wird festgelegt, dass die Prüfung des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensbedarfes im Einzelfall durch das Sozialamt durchgeführt wird und auf die individuelle Situation der KlientInnen Rücksicht genommen werden muss. In den Vollzugsrichtlinien des Wiener Sozialhilfegesetzes wird festgelegt, dass eine Sperre von Bezügen des AMS auf Grund § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht als Kriterium für die Gewährung von Leistungen der Wiener Sozialhilfe herangezogen wird."

 

Ich glaube, damit habe ich Ihnen die Antwort gegeben.

 

In formeller Hinsicht beantrage ich die Zuweisung dieses Antrages an die Frau Amtsf StRin der Geschäftsgruppe Gesundheit und Soziales.

 

Wenn wir von steigender Armut sprechen, dann wäre es doch ein ganz wesentlicher Punkt, dass wir in erster Linie daran arbeiten, Armut zu vermeiden, um sie nicht nachher nur mehr verwalten zu müssen –. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Heinz Hufnagl: Als Nächste zu Wort

 

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