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Gemeinderat, 12. Sitzung vom 28.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 106

 

nenstunden gekürzt werden. Ich rede nicht von schönen Worten, ich rede von guter Politik, und dieser verhunzte Chancenindex ist alles, nur keine gute Bildungspolitik.

 

Insofern muss ich mich auch ein bisschen wundern, dass der Kollege Konrad jetzt acht Minuten lang über den Zusammenhang von Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt gesprochen hat. Ja, 50 Prozent aller arbeitslosen Menschen haben nur einen Pflichtschulabschluss, und genau deshalb ist es so wichtig, in der Bildungspolitik von Anfang an zu investieren. Genau deshalb ist es wichtig, da Bildung, Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik zusammenhängen.

 

Aber zurück zum Thema, zur Wirtschaftspolitik. Ich habe heute schon intensiv darüber gesprochen, dass wir an einer Weggabelung nach dieser Pandemie stehen und es uns schlicht nicht leisten können, in der Wirtschaftspolitik die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Natürlich sind die Herausforderungen extrem komplex, sind zum Teil auch überfordernd, da das Bild einfach so groß ist, da die Herausforderungen so groß sind. Meine Empfehlung ist da immer, sich an den 17 SDGs zu orientieren, den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen, die sehr gut zeigen, wie die Themen Armutsbekämpfung, Klimakrise, Arbeitslosigkeit bis hin zur Verschmutzung der Gewässer eigentlich alle zusammenhängen und dass wir keine Zeit zu verlieren haben, um diese Ziele bis 2030 zu erreichen. Wovon ich überzeugt bin, ist, dass wir, um diese Ziele zu erreichen, einen völlig neuen Zugang zu Partnerschaften brauchen, zwischen privaten Anbietern und der öffentlichen Hand, und auch einen neuen Zugang dazu, wie wir die Stadtregierung, wie wir die Verwaltung gestalten, indem die Verwaltung selbst auch innovativ tätig sein kann, und zwar im technologischen, aber auch im sozialen Bereich. Es geht um das Thema soziale Innovationen, es geht um das Thema Vergabe, das ich schon angesprochen habe. Wir brauchen auch so etwas wie eine Zukunftsklausel für Wirtschaftsunternehmen, die auf ökologische und soziale Aspekte setzen, eine Förderpolitik, die sich nach solchen sozialen und ökologischen Aspekten und Kriterien ausrichtet und diese gut miteinander verbindet.

 

Ich bin überzeugt, dass die kleinen und mittleren Unternehmen, die Österreich und Wien prägen, und auch die EPUs die Treiber für diesen sozialökologischen Wandel, für diese sozialökologische Transformation sein werden. Wir müssen diese Transformation einfach mit aller Kraft vorantreiben. Und wir müssen diese Unternehmen auch dabei unterstützen, mit Fördermaßnahmen, mit passenden Rahmenbedingungen und auch, wie schon gesagt, neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen und der privaten Hand. Sieben kurze Punkte, ich folge hier der Ökonomin Mariana Mazzucato, deren neues Buch ich sehr empfehlen kann, um über so eine neue Art der Zusammenarbeit in der Wirtschaft nachzudenken:

 

Das Erste ist ein neuer Zugang zum Thema Wertschöpfung, Wertschöpfung, die tatsächlich am Gemeinwohl orientiert ist. Und was bedeutet das? - Dass wir Genossenschaften auf den Weg bringen, dass wir solidarische Ökonomien auf den Weg bringen, neue Formen auch von Beteiligungsformen in Unternehmen, dass wir soziale Unternehmen unterstützen, dass wir Social Business auf den Weg bringen - Das meint einen neuen Zugang zum Thema Wertschöpfung, die nicht auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, sondern sich am Gemeinwohl orientiert.

 

Der zweite Punkt, ein neuer Zugang zum Thema Markt: Wie gestalten wir Märkte gemeinsam? Wie können wir als Verwaltung nicht nur Marktversagen regulieren, sondern tatsächlich Märkte gemeinsam gestalten? Dafür braucht es, drittens, ein neues Verständnis von Organisationen, viel mehr Zusammenarbeit, Co-Kreation und kein Gegeneinander: Eine neue Form der Finanzierung, das haben wir heute auch schon von vielen durchdekliniert bekommen. Es wird immer von Schulden und Defiziten gesprochen, anstatt sich zu überlegen, was muss eigentlich getan werden, was ist eigentlich notwendig, was brauchen wir, sich, bevor wir sozusagen über Schulden und Defizite sprechen, die Frage zu stellen, was ist eigentlich notwendig.

 

Und Punkt vier: Verteilung und Verteilungsgerechtigkeit: Wir denken immer an Verteilungsgerechtigkeit im Nachhinein. Zuerst teilen wir den Kuchen auf, im Nachhinein verteilen wir ihn. Warum nicht schon im Vorhinein darüber nachdenken, wie wir Ressourcen ganz neu aufteilen können, wie wir Zugänge schaffen, wie wir Zugänge auch in der Wirtschaftspolitik demokratischer machen, indem wir Menschen beteiligen, indem wir quasi wirklich Formen von Beteiligung und Co-Kreation schaffen, indem wir BürgerInnenräte ermöglichen, BürgerInnenversammlungen und viel mehr Austausch zwischen den BürgerInnen und der Gemeinde?

 

Ich komme schon zum Schluss: Das Wien von 2030 wird heute gebaut, und gerade in der Wirtschaftspolitik und in der Arbeitsmarktpolitik gestalten wir dieses Wien von heute. Ich glaube, dass es essenziell ist, dass wir da an den richtigen Schlüsselstellen ansetzen, in diesen neuen Kooperationen, in diesen neuen Unternehmensformen, mit Förderungen, die auf Gemeinwohl und nicht auf weiteres Wachstum setzen. Nachhaltige Wirtschaftspolitik machen, heißt mit Sicherheit auch nicht, sich irgendeinen grünen Stempel geben oder sich ein grünes Mäntelchen umhängen, sondern es heißt vielmehr, Strukturen und Partnerschaften so zu gestalten, dass sie sozial-innovativ, mutig sind und dass eine gemeinwohlorientierte und zukunftsfähige Wirtschaftspolitik in dieser Stadt wirklich möglich wird. - Vielen herzlichen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Tatsächliche Redezeit waren jetzt sieben Minuten. Zu Wort gelangt Herr GR Grießler. Er hat acht Minuten Redezeit gewählt. Bitte, Sie sind am Wort, Herr Gemeinderat.

 

14.16.59

GR Markus Grießler (ÖVP)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren am Livestream!

 

Wir stehen mitten in der Debatte zum Rechnungsabschluss 2020, ein Rechnungsabschluss, der naturgemäß im Zentrum die Corona-Krise hatte. Eine Krise, die den Tourismus in Wien mit voller Wucht getroffen hat, und hier gibt es kaum ein Detail, das als positiv anzusehen

 

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