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Gemeinderat, 70. Sitzung vom 24.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 147

 

in Schulen, die zum Teil im letzten Jahrhundert konzipiert worden sind und deshalb nicht mehr unseren heutigen Ansprüchen genügen. Wir arbeiten in Wien schon lange daran, dass die Straßen kinderfreundlicher werden, weil sie dann auch menschenfreundlicher sind. Je mehr Schattenspender, je mehr Bankerl - also Bankerl zum Ausruhen -, je mehr Wasserspiele zur Abkühlung, je mehr Bäume, desto eher kann die Straße auch ein Rückzugsort sein, von dem man nicht schnell flüchten will, sondern wo man gerne das Leben verbringt.

 

Für alle anderen arbeiten wir natürlich insbesondere auch daran, dass die Schule an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts herangeführt wird. Mehr gemeinsame Räume, mehr Rückzugsräume sind gefragt - schauen Sie sich Konzepte aus Finnland an -, wenn Kinder den ganzen Tag zusammen an einem Ort sein sollen, Orte zum gemeinsamen Mittagessen, zum Ausruhen, im besten Fall getrennt von den Lehrräumen vom Vormittag, und Orte für Bewegung.

 

Wir müssen weiter daran arbeiten, dass die Schulen in Wien solche Orte werden. Einige sind uns schon gelungen, aber es kann natürlich immer mehr sein und soll auch mehr sein. Jedes Kind in Wien soll einen angenehmen Schulplatz haben, an dem es den ganzen Tag gerne ist und an dem es sich gerne, gemeinsam mit seinen Freunden und Freundinnen, auf ein Leben nach der Schule vorbereitet.

 

Die Schule als Disziplinierungseinheit war eine Idee des 19. Jahrhunderts. Wir werden für die Zukunft aber keine Militärs brauchen, wir brauchen kreative Wesen, die in der Lage sind, sich ständig neuen Herausforderungen zu stellen. Wir brauchen Menschen, die ihre angeborene Neugier behalten, die bereit sind zu experimentieren, auch wenn das ein Scheitern bedeuten kann. Die Wiener Schule der Zukunft muss ein Lebensort werden, wo wir alle miteinander ins Gespräch kommen können, egal, welche Religion die Eltern haben, egal, ob sie viel verdienen oder wenig, egal, ob sie arbeitslos sind oder nicht, ein Ort, wo jeder einfach einmal da ist, wo die Stärken gestärkt und die Schwächen unterstützt werden, ein Lernort, der ein Tor zur Welt ist, an den man sich gerne zurückerinnert. Genau so ein Ort können die neuen Ganztagsschulen sein, und wir arbeiten hart daran, dass sie auch solche Orte werden.

 

Was aber braucht ein solcher Ort? - Zunächst einmal braucht es Vertrauen, Vertrauen in die Kinder, dass sie es schaffen werden, und dann auch Vertrauen in die Lehrenden, die ausreichend bezahlt sind, um sich gut vorbereiten zu können. Es braucht regelmäßige Schulsozialarbeit vor Ort, an die man sich immer wenden kann, wenn es Probleme gibt, egal, ob zu Hause oder in der Klasse. Es braucht einen gemeinsamen Ethikunterricht, in dem sich alle Kinder auf gemeinsame Regeln verständigen können, wie sie miteinander umgehen wollen, in dem sie lernen, was grundlegende Menschenrechte sind und wie man mit denen auskommen kann, die einem zunächst ganz fremd sind. Die Kinder brauchen genug Platz, um sich frei zu bewegen und sich auszuprobieren. Sie brauchen Anregung und Begleitung, wenn sie Neues ausprobieren wollen. Eine Schule muss ein sicherer Ort sein, wo klar Grenzen gesetzt werden, wenn Aggression oder Gewalt im Spiel ist, wo Schwächere immer geschützt werden.

 

Natürlich muss eine Schule für die Zukunft auch klimagerecht sein, das ist ja klar. Da haben wir als Stadt die Chance, zu beweisen, dass nachhaltige Bauweisen möglich sind, dass Kühlung nicht unbedingt Stromfresser bedeutet und dass mitten in der Stadt spezifische Pflanzen wachsen können, die auch Pflege erfordern, und dass die Kinder an den Pflanzen in ihrer Schule lernen können, wie ein nachhaltiges Leben funktionieren kann. Je mehr Kinder in Schulen und Kindergärten bei der gesunden Jause erfahren, wie gut Obst und Gemüse schmecken können, desto eher werden sie auch in Zukunft eine gesündere Ernährung bevorzugen. Je mehr Kinder bei gemeinsamen Ausflügen die Stadt und ihre Kultureinrichtungen wie Museen und Theater, aber auch ihre Erholungsräume wie die Wälder am Stadtrand kennen lernen, desto eher werden sie diese Stadt Wien auch als ihren Abenteuerspielplatz oder später als ihre eigene Stadt abspeichern. Ihre Stadt, die sie mitgestalten können und in der sie sich wohlfühlen und ein gutes Leben führen können.

 

Das ist eine Schule, in der ich gerne den ganzen Tag verbringen würde und in die ich hie und da vielleicht auch als Elternteil zu Besuch kommen kann. So stelle ich mir die Ganztagsschulen der Stadt Wien vor. Ich glaube, viele haben das schon geschafft, zumindest in großen Teilen, und dafür werde ich auch weiterarbeiten, und ich hoffe, Sie arbeiten mit mir daran.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Berger-Krotsch. Ich erteile es ihr.

 

13.13.55

GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch (SPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Saal, auf der Galerie und via Livestream!

 

Unser Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky hat es gestern am Ende des Bildungsausschusses für mich so treffend gesagt, nämlich: Wir schicken heute und morgen aus der Geschäftsgruppe viele wichtige Pakete, wunderbare Pakete auf die Reise. Die kostenlose Ganztagsschule, die heute zur Beschlussfassung vorliegt, ist eines davon, und das freut mich als Gemeinderatsausschussvorsitzende natürlich besonders. Es macht mich auch sehr stolz, dass wir den Tag mit einem Bildungsschwerpunkt in der Debatte beginnen.

 

Ja, und obwohl mein lieber Kollege Bildungssprecher Heinz Vettermann und auch die KollegInnen der GRÜNEN bereits sehr viel dazu ausgeführt haben, wollte auch ich es mir nicht nehmen lassen, noch kurz das Wort zu ergreifen und meiner großen Freude Ausdruck zu verleihen. Freuen Sie sich doch alle mit mir für die Eltern und Kinder in dieser Stadt, denn die Ganztagsschule wirkt. Die positiven Effekte sind auch international bestätigt, die Schulform in vielen Ländern Standard.

 

Wir haben es heute in der Debatte schon vielfach gehört, dass wir eben ab Herbst 2020 keine Beiträge für den Besuch von verschränkten Ganztagsschulen in Wien einheben und dass das Angebot vorerst für sage und

 

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