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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 27.11.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 100

 

als auch die Regierungsparteien in der Bundesregierung, die hier in der Opposition sitzen. Aber wir könnten da gemeinsam sehr wohl einen Schulterschluss im Sinne der Kunst und Kultur schaffen. Es hat sich nämlich leider an der sozialen Situation der Künstler und Künstlerinnen im Großen und Ganzen seit den letzten zehn Jahren nicht viel verändert. Es ist eigentlich gleich schlecht geblieben. Die soziale Absicherung ist eigentlich eines Sozialstaates wie Österreich nicht wirklich würdig. Sie wissen, dass Künstler und Künstlerinnen von Armut eigentlich extrem betroffen sind. 41 Prozent der darstellenden KünstlerInnen sind überproportional von der Armut gefährdet. Es muss nur passieren, dass man krank wird, dass man vielleicht einen Auftrag nicht mehr bekommt, und man ist schon in der Armutsspirale. Das ist etwas, das uns allen sehr zu denken geben muss. Es haben sehr viele Künstler und Künstlerinnen eine akademische Ausbildung, einen akademischen Grad. Dennoch ist es für viele der Künstler und Künstlerinnen nicht möglich, von ihrem Gehalt, ausschließlich vom Kunst- oder Kulturgehalt zu leben. Die meisten, das sind ungefähr 70 Prozent der Künstlerinnen und Künstler, sind auf einen zweiten und einen dritten Job angewiesen. Ich finde, das ist einer Kulturnation wie Österreich eigentlich nicht wirklich würdig. Und, wie gesagt, wir brauchen da einen gemeinsamen Schulterschluss im Interesse der Künstler und Künstlerinnen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Weiters muss man, glaube ich, nicht extra darauf hinweisen, dass der überwiegende Großteil jener, die in prekären Lebenssituationen und Arbeitssituationen drinstecken, vor allem Frauen sind, vor allem weibliche Künstler sind. Da gilt es vor allem, ein besonderes Augenmerk darauf zu legen. Und vorher habe ich das quasi in so einem Nebensatz gesagt, aber man muss sich das einfach nur einmal auf der Zunge zergehen lassen oder sich ganz, ganz, ganz intensiv überlegen und sich hineinfühlen, was das eigentlich bedeutet. Künstler, Künstlerinnen, Kulturschaffende sind natürlich extrem leidenschaftsgetriebene Menschen, die am liebsten die Welt von heute auf morgen aus den Angeln aushebeln wollen, die die Welt besser machen wollen, und das natürlich quasi vor allem über die Kunst und Kultur, und dann müssen sie aber Taxi fahren, oder sie müssen kellnern, oder sie müssen andere Tätigkeiten machen. Das ist natürlich etwas, das kann ich einfach nicht so stehen lassen beziehungsweise ich kann das einfach nicht so hinnehmen und will einfach im Rahmen meiner politischen Tätigkeit, ich weiß nicht, wie lange ich da noch drinnen bin, wenigstens irgendeinen kleinen Beitrag dazu leisten, dass sich das ein bisschen verändert, weil das ist, wie gesagt, einer Kulturnation wie Österreich nicht wirklich würdig.

 

Weiters entsteht dann natürlich, nachdem Künstler und Künstlerinnen auf zwei oder drei Jobs angewiesen sind, eine sehr, sehr, sehr mühsame und sehr komplexe Versicherungsstruktur für den jeweiligen Künstler, für die jeweilige Künstlerin, was natürlich auch dazu führt, dass bestimmte Risiken auftreten und man wegen einer Kleinigkeit dann sofort wiederum in der Problemsituation drinnen ist. Weil es so notwendig ist und weil es für die Künstler und den Künstlerinnen, die Kulturschaffenden in Wien und in Österreich auf Grund ihrer eigenen Versicherungssituation und ihrer Anstellungssituation so mühsam ist, ist es umso notwendiger, dass die Stadt Wien, die natürlich keinen Einfluss auf die Versicherungsgesetzgebung hat und hierbei keinen positiven Beitrag leisten kann, das kann man natürlich nur auf Bundesebene, dann aber wenigstens das tun kann, wozu wir die Möglichkeit haben, um die Situation zu verbessern. Und da bin ich der Frau Stadträtin sehr dankbar, dass sie sich einmal die Fördersysteme bezüglich Planungs- und Rechtssicherheit angeschaut hat.

 

Also oft ist es so, dass ein beträchtlicher Anteil der Zeit und der Energie bei einem Kunstprojekt oder bei einem Kulturprojekt nicht darauf verwendet wird, dass man sich kreativ überlegt: Okay, wer ist die Zielgruppe? Was will ich tun? Wie kann ich das umsetzen, und so weiter? Sondern für die Auftragserteilung beziehungsweise für den Förderantrag wird eigentlich unglaublich viel Zeit und Mühsal aufgewendet. Das ist etwas, das wir uns jetzt genauer anschauen und was sich jetzt auch die Kollegen und Kolleginnen in der MA 7 anschauen, was ich auch für extrem notwendig finde, weil wir langfristig oder mittelfristig zu einer Förderstruktur kommen müssen, die nicht unbedingt, und das haben meine Vorredner und Vorrednerinnen eh schon gesagt, auf das Bittstellertum, sondern auf die Servicekultur fokussiert. Das finde ich auch extrem positiv und hervorhebenswert. Somit soll einfach bürokratischer Aufwand sowohl beim Künstler, also auch im Magistrat gespart werden. Und natürlich sollen über diese Art der Zeit- und Geldeinsparungen auch die Förderungen langfristig besser werden.

 

Weiters ist es wichtig, dass wir jetzt schon und in Zukunft verstärkt Qualität vor Quantität setzen werden und auf die Dreiheit blicken wollen, nämlich einerseits auf die Recherche, auf die Produktion, aber vor allem, und das wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder hintangestellt und es wurde zum Teil da auch in der Finanzierung nicht mehr bedacht, auf die Vermittlung, weil wozu habe ich ein tolles Projekt? Wozu habe ich eine tolle Theaterproduktion, wenn ich dann nicht dazukomme, dass ich dieses Projekt, dieses Kunstwerk quasi auch an die richtige Zielgruppe in der größtmöglichen Breite vermittle? Deswegen bin ich auch dankbar dafür, dass sich diesbezüglich da endlich auch etwas tut. Das einmal zu der strukturellen Veränderung der Förderabläufe.

 

Was mich als Musikinteressierten, als ehemaligen Komponisten natürlich besonders freut, ist die Neuausrichtung der Musikförderung, etwas, das sowohl von der Opposition als auch von vielen Regierungsabgeordneten immer wieder, unter anderem von mir, eingefordert wurde, worum gebeten wurde, das passiert jetzt nämlich: Eine massive oder eine erkleckliche Erhöhung der Gelder für das zeitgenössische Musikschaffen, da vor allem für „Klangforum Wien“ und „Wien modern“. Und wir haben einen neuen Topf für die Klubkultur, was auch, glaube ich, langfristig sehr viel bedeuten wird, vor allem für

 

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