«  1  »

 

Gemeinderat, 69. Sitzung vom 01.07.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 94

 

Das nächste Gesundheitsziel, Selbstständigkeit und Lebensqualität bis ins hohe Alter fördern und erhalten, ist eine Selbstverständlichkeit; aber wenn man sich’s im Detail anschaut, ist auch da viel zu tun. Da hat sich durchaus etwas verändert. Es hat vor einigen Jahrzehnten niemand die Versorgungsheime kritisiert, sondern man war froh, dass es die Pflegeheime gegeben hat – in der Form, wie es sie gegeben hat.

 

Nur ist die Gesellschaft vielfältiger geworden und es ist auch das Alter „diffiziler“. Seniorinnen und Senioren sind nicht gleich Seniorinnen und Senioren, es gibt die „jungen Alten“, es gibt die „mittleren Alten“ und es gibt die hochaltrigen Personen. Und es gibt Gott sei Dank immer mehr sehr hochaltrige Menschen, die oft noch gut beisammen sind, aber es gibt auch viele, die schwer pflegebedürftig sind.

 

Es gibt daher die unterschiedlichsten Bedürfnisse, nämlich von ganz wenig Unterstützung bis zur totalen Pflege. Die Menschen sollen möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben, das ist unser Ziel, das ist definiert, das haben wir schon im Geriatriekonzept definiert. Man darf nicht vergessen, es gibt auch Menschen mit Pflegestufe 6 und 7, die zu Hause betreut werden, nämlich im Rahmen der Pflege und Betreuung des Fonds Soziales Wien.

 

Wichtig ist aber auch die Teilhabe an der Lebenswelt und die Wertschätzung älteren Menschen gegenüber – das ist auch für die psychische Gesundheit wichtig. Ältere Menschen zu animieren, sich vielleicht ehrenamtlich zu betätigen, und zwar nicht nur im Einzelfall, sondern institutionalisiert, wäre eine wichtige Sache, um auch der Vereinsamung in der Großstadt entgegenzuwirken. Das sind alles Dinge, die man konkret angehen kann und die man konkret angehen wird, wobei es schon viele Ansätze in diese Richtung gibt.

 

Ganz wichtig ist mir im Zusammenhang mit älteren Menschen die Rehabilitation, nämlich das Recht auf Rehabilitation. Ich habe noch Zeiten erlebt, als gesagt worden ist, einen Rehab-Antrag für die Frau soundso können wir nicht stellen, denn eine Rehabilitation ist dazu da, damit man wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert wird. Das war auch ursprünglich die Definition von Rehabilitation, ist aber, milde ausgedrückt, Altersdiskriminierung, da stimmen Sie mir zu. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Ja!) Ich bin daher für das Recht auf Rehabilitation. Aber das allein ist zu wenig, da müssen wir natürlich auch etwas tun.

 

Deswegen ist es auch definiert und angeführt, dass jeder ältere Mensch ein Recht auf Rehabilitation hat (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN sowie von GRin Ingrid Korosec.), damit er nämlich gesund alt werden kann. Wenn man nämlich alt wird und 20 Jahre in irgendeinem Bett herumliegt, dann hat man nicht viel davon. Es ist wichtig, dass man sich bewegen kann; und die Medizin kann heutzutage viel mehr tun, als manchmal getan wird.

 

Gesundheitsziel integrierte Versorgung etablieren: Ein erfolgreicher Behandlungsprozess oder Heilungsprozess erfordert eine kontinuierliche Ablauforganisation, die über die Bereichsgrenzen der einzelnen Dienstleister hinausgeht. – Was heißt das? Das ist vorhin schon von Kollegin Kickert erwähnt worden, nämlich dass man diese Barrieren überwinden muss – zwischen niedergelassenem Bereich, Spital, Kuraufenthalt oder Rehab-Aufenthalt oder Selbsthilfegruppe, was auch immer. Das gehört in Wirklichkeit so strukturiert, dass es für den Patienten nicht merkbar ist, dass das unterschiedliche Träger, unterschiedliche Dienstleister sind. Das ist ein hehres Ziel, und da sind wir schon auf einem guten Weg.

 

Ich sage jetzt etwas Provokantes: Am Telefon zu sagen, nehmen Sie zwei Aspirin und rufen Sie mich morgen wieder an, ist genau das, was wir nicht haben wollen. Sondern wir wollen, dass ein Mensch, der eine Erkrankung hat, vom Anfang bis zum Ende, nämlich im Idealfall bis zum Gesundwerden, ohne Verzögerungen durch das Gesundheitswesen sozusagen gleitet, in für ihn möglichst beschwerdefreiem Setting.

 

Beispiel Diabetes, integrierte Versorgung: Es ist ein bisschen traurig, dass sehr viele niedergelassene Ärzte da einfach nicht mit machen. Aber es machen auch welche mit, und die, die das machen, sind meistens sehr engagiert und machen das gut. Was bedeutet eigentlich integrierte Versorgung? Das heißt am Beispiel Diabetes, dass die Zuckerkrankheit, meistens die Altersdiabetes, eine chronische Erkrankung ist, die viel mehr erfordert, als dass man wenig Zucker isst; sondern da geht es auch um regelmäßige Kontrollen der Augen, regelmäßige Kontrollen der Füße – Beispiel offener Fuß –, regelmäßige Kontrollen des Blutdruckes, der Blutfette. Es ist nämlich eine umfassende Stoffwechselerkrankung, die oft zu Herzinfarkt und Schlaganfall führt, unbehandelt auf jeden Fall, und daher eine ganz genaue Vorgangsweise in der medizinischen Behandlung erfordert.

 

Da bin ich bei den Leitlinien und Richtlinien, die ich für sinnvoll halte. Es muss für eine Ärztin immer die Möglichkeit geben, individuell zu handeln. Dann muss man begründen, warum man sich an eine medizinische Leitlinie nicht hält; aber grundsätzlich sollte klar sein, dass es keinen Diabetiker mehr geben darf, der nicht jährlich zu einer Augenuntersuchung geht, bei dem die Füße nicht angeschaut werden oder der einen zu hohen Blutdruck hat, ohne dass dies behandelt wird. (StR David Lasar: Dann brauchen wir auch den Augenarzt dazu!) – Das geht nicht, den Augenarzt brauche ich nicht dort sitzen haben, nicht unbedingt. (Ruf: Schauen Sie sich mal die Wartezeiten an, drei bis vier Monate!) – Das ist schlecht, genau

 

Darum komme ich gleich auf den Punkt. Ich wiederhole, falls es jemand nicht gehört hat: drei bis vier Monate Wartezeit beim Augenarzt. Das ist schlecht, deswegen brauchen wir die medizinischen Zentren, wie sie gedacht sind, wo vielleicht auch der Augenarzt sitzt und wo man gleich drankommt, nämlich diese Primary Healthcare Centers. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Da gibt es dann auch eine Krankenschwester oder einen Krankenpfleger, der die Verbände machen kann, wenn einer schon einen offenen Fuß hat. Das können die Ärztinnen und Ärzte nämlich nicht. – Also ich kann es nicht fachgerecht machen, vielleicht können Sie es bei einem diabetischen Fuß. Da muss wer hin, der das kann.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular