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Gemeinderat, 18. Sitzung vom 26.01.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 23 von 76

 

leben.

 

Ich mache das ja auch. Es ist ja immer gut, wenn man das persönlich illustrieren kann. Meine Frau ist aus Holland. Unsere drei Kinder gehen in Wien unter anderem in eine holländische Schule. Das ist leicht übertrieben, das sind zwei Stunden in der Woche, aber wir legen extremen Wert darauf, dass die Kinder natürlich auch perfekt Holländisch sprechen. Das ist wichtig für uns. Sie sollen beides können, weil sie sich unter anderem mit der Verwandtschaft unterhalten können sollen.

 

Wir legen Wert darauf, dass sie auch die holländischen Bräuche kennen, die ja in Österreich nicht so geläufig sind: Da gibt es einen Königinnentag, der ist dort wichtig; da gibt es Oliebollen, die man zu Silvester isst, ich erkläre nicht, was das ist – etwas Süßes, das essen sie, bis sie genug davon haben. Das alles ist uns wichtig.

 

Da sagt keiner etwas dagegen, ist ja holländisch, das passt ja eh. Aber warum soll das, was meine Söhne tun, nämlich beide Kulturen kennen lernen und leben, warum soll das der Sohn von Senol Akkilic nicht machen? Weil ich in London geboren bin und meine Frau in Rotterdam und er in – da muss ich immer nachschauen – Pülümür. Das ist in der Türkei, falls man es nicht gleich erraten hat wegen der vielen ü’s. Warum soll sein Sohn nicht genau das Gleiche machen, nämlich auch mit zwei Sprachen aufwachsen?

 

Wenn ich mir die Leute anschaue, die bei uns hier sitzen, jetzt rede ich noch gar nicht von den Partnern und Partnerinnen, so sind wir, ja, auch in Wien und irgendwo anders in Österreich geboren, aber auch in Bangkok, in Pülümür, in Athen und London. So schaut’s aus. Wenn man nicht begreift, dass das ganz, ganz viele Chancen sind, dann hat man vieles nicht begriffen in dieser Stadt. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Es ist wichtig, Mehrsprachigkeit als Vorteil zu begreifen. Natürlich, das muss man ganz schnell sagen, natürlich ist es super, wenn wir alle möglichst zügig gut Deutsch können. Eine gemeinsame Sprache verbindet, das macht Sinn, aber das kann man unaufgeregt sagen, da ist überhaupt kein Stress, das sehen ohnehin alle so. Deswegen macht man auch eine ganze Menge Angebote wie Kurse, deswegen haben wir auch den Gratiskindergarten. Wir haben als einziges Bundesland immer noch einen Kindergarten, wo man Ein-, Zwei-, Drei- oder Vierjährige hinbringen kann, ohne dass man gleich brennt wie ein Luster. Das nützt etwas.

 

Jetzt müssen wir einmal fragen: Kennen alle dieses Projekt von der Stadt Wien? Und wissen Sie, wie viele Leute von denen, die neu herkommen, das in Anspruch nehmen? 10 Prozent? 20 Prozent? 50 Prozent? Weil es immer wieder heißt, die würden sich verweigern: 90 Prozent der Leute, die neu herkommen, gehen durch dieses Programm, lernen dort Sprache, Kultur und alles Mögliche. Da gibt es ein Riesenangebot, ein tolles Angebot, das auch sehr gut angenommen wird. Übrigens, zu den restlichen 10 Prozent, die das nicht annehmen, gehören mitunter auch Leute aus Bremen oder aus München, die sagen, ich brauche das nicht so dringend. (Heiterkeit bei den GRÜNEN.) Das sind also nicht ausschließlich Leute, die das dringend brauchen würden.

 

Wir haben eine ganze Menge Aufgaben rundherum. Das größte Bild ist bei der Schule, da hört man das auch am häufigsten. Auch mein Ältester ist gerade Taferlklassler. Dort heißen die Kinder, dann eben Saliha, Leyla, Ibrahim und witzigerweise drei Mal Marcel in seiner Klasse, da gibt es alle möglichen Namen. Nur sage ich Ihnen eines: Die Kinder wissen noch gar nicht, dass sie Probleme untereinander haben müssen, nur weil sie nicht alle in Wien geboren sind. Wenn man denen das nicht beibringt, dass sie gegeneinander leben müssen, dann leben die nämlich zusammen. Die machen das von selber! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Das gilt für alle, die da Kinder kriegen. Wenn Sie Ihren Kindern nicht beibringen, dass der andere ein Problem darstellt, weil sein Großvater aus Pülümür kommt … Ich liebe diesen Ortsnamen. Es ist eine Ortschaft mit 3 000 Leuten, es werden nicht immer alle hinkommen, habe ich gehört, also ungefähr so klein wie das Dorf, wo meine Eltern wohnen. Es geht darum, das zu als große Chance begreifen.

 

Nun komme ich kurz zum Thema Arbeitsmarkt. Senol Akkilic wird genauer darauf eingehen. Was wir liegen lassen an Bildungsqualifikationen, die die Leute mitbringen! Jetzt macht man in Wien ja ein stärkeres Nostrifikationsprogramm als in den anderen Bundesländern. Aber es gibt Fälle, wo Leute qualifiziert sind, bestimmte Berufe auszuüben, wie etwa im Krankenhaus im Pflegebereich oder als Arzt/Ärztin zu arbeiten, die aber eine oder zwei Qualifikationsstufen darunter arbeiten!

 

Nehmen wir ein anschauliches Beispiel: Soll man dem David Alaba oder dem Ümit Korkmaz, die in der österreichischen Nationalmannschaft spielen, wobei das Stadion "Ü-Ü-Ü!" ruft, wenn Ümit gut spielt, soll man sie, weil sie nicht in der 57. Generation von hier sind, nicht mitspielen lassen, beziehungsweise ihnen sagen, du darfst zwar mitspielen, aber du bekommst nicht nur keine Fußballschuhe, sondern wir binden dir auch noch die Füße zusammen, dann kannst du nicht so schnell rennen, und dann wirst schon sehen, wie weit du kommst mit deinem Fußball!? Das würde uns doch nichts nützen! Das würde denen, die Fußball schauen, nichts nützen, weil dann die Mannschaft schlechter spielen würde. Und das gilt auch für uns, die Stadt Wien als Mannschaft, als Team. Auch in der Stadt Wien spielen wir sozusagen besser zusammen, erzielen bessere Ergebnisse, wenn wir alle Qualifikationen nutzen. Deswegen gibt es eine Menge Programme.

 

Aber das Wichtigste von allem ist – und das ist wirklich die zentrale Frage, ich orte auch ein ganz breites Bündnis in diesen Fragen, die Wirtschaft weiß das schon lange –, dass wir durch Zusammenleben weiterkommen. Wir haben in Wien die Charta des Zusammenlebens, die 2012 den Schwerpunkt darstellen wird, wo wir natürlich Rechte und Pflichten definieren. Nur: Gleiche Rechte für alle, gleiche Pflichten für alle, überhaupt keine Frage, selbstverständlich. Aber noch einmal: gleiche Rechte

 

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