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Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 65

 

Die Frage ist jetzt: Geht es weiter in Richtung eines neoliberalen Europas, damit aber wieder in die nächste Krise, die vorprogrammiert ist, weil ja der Grund dafür eine neoliberale Entfesselung der Märkte war? Oder geht es weiter in die Richtung eines sozialen Europas? Geht es weiter in die Richtung eines Europas der Arbeitsmarktpolitik und der Solidarität? Für Letzteres stehen wir, für Letzteres wollen wir kämpfen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Dass wir nicht allein kämpfen - uns umdrehen, und die Bürgerinnen und Bürger stehen nicht hinter uns -, dafür ist eine zweite ganz, ganz zentrale Sache notwendig. (GR Mag Wolfgang Jung: Ein wahres Wort: Die Bevölkerung steht nicht hinter uns!) Monika Vana hat es angesprochen: Es ist selbstverständlich die zentrale Aufgabe von uns, gegen Demokratiedefizite in der Europäischen Union und ihren Institutionen zu kämpfen, dafür zu kämpfen, dass mit der Zivilbevölkerung, mit den Bürgerinnen und Bürgern EU-Politik gemacht wird.

 

Denn man muss in aller Offenheit sagen: Bürgerinnen und Bürgern stellen die Frage: „Wozu brauchen wir das?" Und vielen, vielen, vielen fällt die Antwort darauf nicht ein. Das ist nicht die Schuld der Bürgerinnen und Bürger. Dass man es braucht, ist eindeutig: Wir brauchen die Europäische Union, so wie sie uns braucht. Das ist ja sozusagen der Rahmen meiner ganzen Rede. Dass es aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, setzt voraus, dass Politiken mit Bürgerinnen und Bürgern gemacht werden. Daher ist das auch so ein zentraler Punkt, der ja heute erwähnt worden ist - ich kann das nur unterstützen -, und auch ein zentraler Punkt unserer Europadeklaration. Es freut mich, dass wir diesen Weg damit weitergehen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Jetzt über das Thema der Stadt hinaus: Ich kann nicht so tun, als wäre nicht die ganze letzte Runde eher im Zeichen einer wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung mit Europa gestanden. Der positive Weg, den wir gehen, ist auch ein Weg, der unsere Interessen als Städte schützt. Aber selbstverständlich ist das auch ein Beitrag zu einem Europa als Solidargemeinschaft. Das ist nämlich die Basis für die größte europäische Errungenschaft: Europa als Friedensprojekt!

 

Ich möchte schon sagen, das ist das genau konträre Gegenbild zu einer Politik der Missgunst, des Neids, der Entsolidarisierung und des gegenseitigen Ausspielens, wie es leider momentan auch gespielt wird. Ich schaue nicht umsonst in diese Richtung, wenn ich das sage, denn schauen wir uns einmal an, wohin das führt, was Leute wie zum Beispiel Herr Kollege Herzog gerade vorgeschlagen haben mit dem in den Raum Stellen von „Gehen wir aus dem Euro raus!", mit dem in den Raum Stellen (GR Johann Herzog: Die Vorschläge von Wissenschaftlern!) von de facto unserem Ausstieg aus der Europäischen Union, nämlich dann, wenn wir die Beiträge aussetzen.

 

Ich meine, wenn in einer Solidarunion Nettozahler sagen: „Wir zahlen einfach in Zukunft nichts", dann stellt man doch in den Raum: Wir brauchen das alles nicht. Was damit im Raum steht, ist, ehrlich gesagt, ein schauerliches Programm. Ein schauerliches Programm nicht oder nicht nur für Griechenland, ein schauerliches Programm nicht nur für die Europäischen Union, ein schauerliches Programm für uns! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Denn wenn wir handeln, um den Euro zu sichern (GR Mag Wolfgang Jung: Können wir ja nicht! Das ist ja das Problem!), wenn wir handeln, um Griechenland zu helfen, dann handeln wir in Solidarität, das ist richtig, in Solidarität zu Griechenland, das ist auch richtig, aber vor allen Dingen in Solidarität mit uns! Schauen wir doch einmal die Möglichkeiten ... (Beifall von GRin Prof Dr Elisabeth Vitouch.) Vereinzeltes Klatschen, danke schön!

 

Schauen wir uns doch einmal genau an, was wir hier tun; und noch einmal, leider habe ich zu wenig Zeit dafür. Es ist völlig richtig - alle haben das gesagt, auch Sie -, es ist irrsinnig viel zu kritisieren an der Art und Weise, wie der Euroschutzschirm aufgespannt ist, welche Bedingungen Griechenland zum Beispiel hat, aber noch viel mehr, wie die europäischen Finanzmärkte geregelt, nämlich nicht geregelt sind. Die Rating-Agenturen sind auch schon angesprochen worden, darüber könnte man stundenlang reden. Es ist unsere Aufgabe, für diese Verbesserung zu kämpfen und das einzufordern.

 

Nur: Deshalb zu sagen, weil wir da dagegen sind, hören wir ganz auf, und weil wir mit der Richtung, in der unser Pferd marschiert, nicht zufrieden sind, erschießen wir das Pferd, ist absolut der falsche Weg. (GR Mag Wolfgang Jung: Der jetzige Weg ist am Ende, Herr Kollege!) Denn wenn wir nicht dafür kämpfen, die Situation, so wie sie jetzt ist, zu verbessern und Griechenland zu retten, dann schaden wir uns selber. Wir erschießen quasi nicht nur das Pferd, sondern schießen auch uns in beide Knie. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

Was ist die Alternative? Die Alternative ist: Wir hören auf zu zahlen, Griechenland geht pleite, und was bis jetzt gezahlt wurde, 1,2 Milliarden EUR, ist gleich einmal weg. Super, das ist gleich einmal weg! (GR Mag Wolfgang Jung: Ja, das ist ohnehin schon weg! Das gibt jeder zu! Wachen Sie auf!) Dann: Die Schulden in Griechenland bleiben in Euro stehen, durch die folgende Abwertung würden sie sogar noch steigen. Griechische Sparer würden ihr Geld abziehen, griechische Banken würden in die Knie gehen. Am Ende des Tages sind wir nicht nur bei der Pleite Griechenlands, sondern bei einer europäischen Finanzkrise, die wir natürlich zu zahlen haben.

 

Was ist die Folge? Die Folge ist eine Destabilisierung des Euro. Die Folge ist ein Arbeitsplatzverlust in allen europäischen Staaten. (GR Mag Wolfgang Jung: Wenn der jetzige Weg weitergeht, passiert das alles!) Die Folge ist, dass europäische Banken, die ja interdependent mit den griechischen Banken sind, in die Knie gehen und wir sie retten müssen. Europäische Staaten müssen sie retten, nämlich alle, mit einer weit schlechteren Voraussetzung als 2008!

 

Das ist eine Folge, die wir nicht wollen können, und zwar ganz pragmatisch. Man kann von einem Friedensprojekt reden, ich tue das gerne, man kann von einem Integrationsprojekt reden, ich tue das gerne, man kann von einer solidarischen EU reden, auch das tue ich gerne, aber in dem Fall kann man es ganz pragmatisch

 

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