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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 29.04.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 80 von 89

 

sehr, sehr viele Menschen mittlerweile quasi das, was sie sich gerade noch herausschwitzen können: eine schwere Belastung. Ich komme noch genauer darauf zurück, welche Gruppen es schärfer trifft. Der Gemeindebau leistet zwar im Wesentlichen schon noch auch einen Beitrag dafür, dass das Mietenniveau nicht komplett explodiert, aber er kommt nicht mehr zur Gänze dem nach, was er sein soll, nämlich ein sozialer Wohnungsbau.

 

Wenn man über Mieten redet und über die Situation von Menschen, die Miete zahlen müssen, muss man natürlich über das Mietrechtsgesetz reden, und da muss man alle, die hier stehen, immer wieder daran erinnern: Die ÖVP sitzt seit 1986 ununterbrochen in der Bundesregierung, die Sozialdemokratie hat in den letzten 40 Jahren 33 Jahre lang den Bundeskanzler gestellt. Dieses Mietrechtsgesetz hätte man also irgendwann auch zugunsten von Mietern und Mieterinnen verändern können, und nicht das, was laufend passiert, nämlich eine Aushöhlung des Mietrechts, leider zugunsten der Hausbesitzer/Hausbesitzerinnen und der VermieterInnen. Es schaut momentan leider auch nicht so aus, als ob das schnell anders werden würde.

 

Jetzt könnte man polemisch sagen: Wohnpolitik ist der Sozialdemokratie offensichtlich nicht wichtig genug, denn sonst gäbe es längst wieder klar überprüfbare Mietzinsobergrenzen und nicht das, was wir momentan haben: irgendwelche Phantasiezuschläge. Das sage ja nicht ich, sondern das sagt die Arbeiterkammer, eine Organisation, die nicht völlig von der Sozialdemokratie entfremdet ist. Jährlich kommt ein Bericht von Herrn Köppl - das können Sie nachgoogeln, Sie geben „Köppl Mieten teurer Wien" ein -, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, Jahr für Jahr der gleiche Bericht, der immer richtig ist, immer auf den richtigen Fehler zeigt und immer auch Handlungsanleitungen hat. Die werden allerdings von seinen Kollegen und Kolleginnen, in dem Fall von den SozialdemokratInnen, nicht aufgenommen.

 

Ich nehme ein paar Beispiele heraus, wo wir da herinnen im Haus schon fast Einigkeit hatten, zum Beispiel die Maklerprovisionssenkung. Da war hier noch Herr Faymann für dieses Ressort zuständig: Ein Antrag der GRÜNEN auf Senkung der Maklerprovisionen - es ist ein paar Jahre her, 2004 - ist hier mehrheitlich durchgegangen. Sozialdemokratie und GRÜNE haben zugestimmt, das Abstimmungsverhalten der anderen zwei Fraktionen habe ich nicht im Kopf.

 

Aber kaum war Herr Faymann woanders, ist es nicht mehr gegangen. Jetzt wird ein bisschen darüber geredet, passiert ist überhaupt nichts. Die höchsten Maklerprovisionen innerhalb der Europäischen Union sind die höchsten Maklerprovisionen, und fertig! Es tut mir immer ein bisschen weh, wenn ich sehe, dass man irgendwo hinwechselt, den Hut wechselt und auf diese Dinge vergisst. Ich weiß schon, dass es da Mehrheiten braucht, aber es war offensichtlich auch nicht gerade der Stolperstein für irgendeine Verhandlung, denn man hat nicht einmal davon gehört, dass darüber geredet worden wäre.

 

Was wir schon hören, ist jetzt, dass wir eine Novelle zum Wiener Wohnbauförderungsgesetz kriegen, die es erlaubt, dass unabhängig vom Kostendeckungsgrad in Zukunft 5,40 EUR für den Quadratmeter eingehoben werden können, wohingegen es jetzt 3,08 beziehungsweise 3,70 EUR sind; das hängt mit der Sanierung zusammen. Das ist natürlich nicht gerade sozial. Jetzt nehme ich den höheren, von 3,70 auf über 5 EUR, das macht die neue Novelle möglich, und des Weiteren müssen die Hauseigentümer in Zukunft die Hauptmietzinsreserven nicht mehr vorlegen. Für wen das ein Vorteil ist, wissen wir auch: nicht für die Mieter und Mieterinnen, sondern für den Vermieter und für den Hauseigentümer. Das ist schon akkordierbar zwischen ÖVP und SPÖ, die anderen Punkte, die hier schon einmal mehrheitsfähig waren, offensichtlich nicht.

 

Was auch immer gut geht, und deswegen freue ich mich stets, wenn Wahlen stattfinden, weil den Leuten manchmal Gutes getan wird, auch wenn es oft temporär ist: Bei der letzten Nationalratswahl haben Sie den Menschen im Gemeindebau eine Nicht-Preiserhöhung gegönnt, also quasi eine niedrigere Miete, als damals gesetzlich möglich gewesen wäre. Jetzt kommen im Oktober wieder Wahlen, daher würde ich fast sagen: Schenken Sie doch den Gemeindebaumietern und -mieterinnen wieder etwas!

 

Ich weiß ohnehin, dass das nachher wieder rückgängig gemacht wird. Das war damals auch so. Es gab ganz kurz einen Aufschrei: „Jetzt kommt die Nationalratswahl, machen wir in Wien ein Aussetzen der Erhöhung für ein paar Monate!" Kaum war die Wahl vorbei, ist nachher selbstverständlich die Erhöhung gekommen. Das haben vorher auch alle gewusst, das hat niemanden überrascht, trotzdem finde ich: Immerhin hat man ein paar Monate etwas davon gehabt, das ist mir lieber als nichts.

 

Wenn Sie also mit so etwas kommen, ist das wenigstens die Art von Wahlkampfforderungen oder Wahlkampfschmähs, die tatsächlich einen positiven Effekt haben, wenn auch nur über einen kurzen Zeitraum. Damals habe ich gesagt: Vielleicht müssten wir jedes Jahr wählen, dann hätten die Leute womöglich mehr davon. Das geht sich aber auch nicht immer aus.

 

Gemeindebau - das ist heute schon gesagt worden: Es werden viele Sanierungen so lange verzögert, bis die Sanierung so teuer wird, dass man den Mieterinnen und Mietern erklärt, die Sanierung wird leider dazu führen, dass die Mietkosten nicht ein bisschen steigen, sondern sich verdoppeln, verdreifachen oder bis zu vervierfachen.

 

Beispiel 15. Bezirk, Possingergasse: 90 Jahre alt, einer der ersten Gemeindebauten. Dort ist genau das vorgerechnet worden: über 300 Prozent Mietsteigerung. Was sagen die Leute dann, wenn man ihnen das vorrechnet? Na, das will ich nicht - wer will schon dreimal so viel Miete zahlen?! Dort wohnen viele alte Leute, die ohnehin mit dem Geld über den Monat schwer auskommen. Dort hat man sich jetzt überlegt: Moment, dann machen wir das nicht, es ist Wahlkampf, das schaut nicht gut aus, machen wir etwas anderes. Jetzt gibt es trotzdem eine Sanierung, aber die Erhöhung macht nicht mehr so viel aus, sondern nicht einmal mehr die Hälfte

 

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