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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 88 von 130

 

erlernen wollen und die die Regeln des Zusammenlebens nicht beherrschen und denen man sie auch nicht vermittelt hat.

 

Sie haben gemeint, Frau Stadträtin, das Thema Zuwanderung rangiere als Wahlmotiv relativ weit hinten. Das ist nicht so, das war, glaube ich, ein Irrtum, das zu denken. Auf diesen Irrtum, dass ohnedies alles bestens funktioniere, auf den bauen Sie ja seit Jahren das Integrationskonzept auf, auch nach Ihrem neuen Motto, das Sie jetzt flächendeckend plakatieren: „Wir lassen die Menschen nicht allein.“ Nun ja, gerade im Bereich der Zuwanderungspolitik und der damit verbundenen Probleme sind viele Wienerinnen und Wiener allein gelassen worden, und irgendwie zeigt sich doch nicht allzu viel Hoffnung, dass es hier rasch zu Verbesserungen kommt.

 

Sie fordern eine Halbe-Halbe-Lösung ein und stellen fest, Integration sei die Verantwortung der Zuwanderer genauso wie die der ansässigen Bevölkerung. Ich glaube, man muss klar und deutlich feststellen, Integration ist selbstverständlich die Verantwortung derer, die hierher kommen und die Verantwortung von Ihnen, nämlich der SPÖ. Schieben Sie die Verantwortung bitte nicht ab, weil da könnte man ja vielleicht noch zu dem Schluss kommen, dass an dem, was hier in Wien nicht funktioniert, vielleicht die ansässige Bevölkerung schuld ist. Das kann doch wirklich nicht sein, und das weisen wir ganz entschieden zurück. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Nach einer Wahlschlappe, kann man sagen, im Jahr 2008 - dieser Wahlschlappe, die durchaus stark auf Ihre verfehlte Integrationspolitik zurückzuführen ist - kommen Sie jetzt zum ersten Mal offiziell auf die Idee, Neuzuwanderern Hausordnung und Spielregeln zu vermitteln. Die Stadt stellt also erneut ihr Integrationsprogramm vor, so funktioniert das Zusammenleben und Sie geben unter dem Motto „Wie tickt der Wiener oder die Wienerin.“ Wissenswertes über die Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Strukturen der Stadt bekannt.

 

Ich weiß schon, man muss heute immer sehr witzige und sehr griffige Titel für alles finden. Ich frage mich aber trotzdem, ob es sehr geschickt ist, sagen wir es einmal so, das unter dem Titel „Wie tickt der Wiener oder die Wienerin.“ zusammenzufassen. Man muss sich ja vorstellen, dass man es hier mit Menschen zu tun hat, die vielleicht nur sehr schlecht Deutsch sprechen und unter dem „Wie tickt jemand.“ versteht man im Großen und Ganzen, oder man wendet es im Großen im Ganzen eher dann an, wenn man sagt, der tickt nicht richtig.

 

Aber Sie haben, und das hat uns sehr erstaunt, doch immerhin hier zum ersten Mal die Themen angesprochen wie etwa Hausordnung, Mülltrennung oder das richtige Verhalten bei einem Spitalsbesuch.

 

Ja, das sind wichtige Themen, und wir sprechen genau diese Themen seit Jahren an. Und wenn ich mich zurückerinnere, Sie haben alle Anträge und Initiativen wirklich reflexartig abgelehnt, etwa zu Umwelt- und Naturschutz oder zur Mülltrennung. Aber das ist ja genau das, was zu Konflikten im Wohnbereich führt, und man darf die Leute gar nicht einmal dafür verantwortlich machen, sie kennen es eben nicht anders. Die Hausordnung, dass man um Mitternacht eben nicht mehr in den Innenhöfen tobt und schreit und dass das normal ist, das muss man vermitteln, das haben Sie bis jetzt versäumt. Das hat die Leute wirklich verärgert und hat ihnen zum Teil auch ihre Lebensqualität genommen. Und wenn Sie dann zu einer Beschwerdestelle gegangen sind, nachdem sie ohnedies 15 Mal irgendwo abgeblitzt sind, bei SPÖ-Bezirksvorstehern oder sonst wo, und zu einer Art Mediation gekommen sind, dann hat man ihnen gesagt: „Trinken’s halt einen Kaffee miteinander.“ Jetzt frage ich Sie schon, wie soll jemand, der etwa eine Nachtarbeit machen muss oder der wirklich fit sein muss und schlafen soll, weil er um 4 Uhr aufstehen muss, wie soll so jemand, der dann den lieben Nachbarn ohnedies schon fünf Mal ersucht hat, leiser zu sein und immer auf taube Ohren stößt, wie soll der das beim Kaffee lösen. Das ist doch alles ein Schmäh und ein Holler, und so kann das nicht funktionieren. Es ist gut, wenn Sie nun versuchen, diese Dinge sehr konkret anzusprechen.

 

Oder etwa das Thema Spitalsbesuch: Ein ganz wichtiges Thema, egal, ob es um den Besuch von Ambulanzen oder von PatientInnen geht. Auch das hat bei vielen jahrelang für Ärger gesorgt. Frisch operierte Patienten mussten ertragen, dass in ihrem Krankenzimmer eine Großfamilie einen lustigen Besuch veranstaltet hat. Vom Großcousin bis zur Urstrumpftante waren alle da und wer sich beschwert hat, ist wieder gegen Wände gelaufen. Genauso in den Ambulanzen, wo sich eine solche Großfamilie - es ist vielleicht wo anders so üblich, in Wien aber nicht - über Stunden aufgehalten hat, und Menschen mit Schmerzen, die auf einen Arzt gewartet haben, das Warten unerträglich gemacht hat.

 

Also das sind Dinge, die muss man ansprechen und ich bin froh, dass Sie damit beginnen. Es erinnert mich ja auch ein bisserl an unsere Forderung „Erst Deutsch, dann Schule“. Wie lange haben wir das gesagt, und plötzlich kommen Sie darauf, dass es so sein muss. Ja, es gibt eben Ansätze, die man in der Integrationspolitik wahrnehmen muss. Sie beginnen jetzt leider immer viel zu spät und auch sehr zögerlich mit der Umsetzung. Schmettern sie in Zukunft auch gerade FPÖ-Anträge nicht reflexartig ab, sondern nehmen Sie sich die Mühe und denken Sie wenigstens darüber nach, ob das nicht doch eine gescheite Sache ist, die das Zusammenleben in Wien erleichtert.

 

Herr Klubobmann Oxonitsch hat vorhin den mangelnden Willen der Opposition zur Zusammenarbeit beklagt. Nun ja, das ist aber genau das, was Sie machen. Es ist ja manchmal sehr schwer, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, weil alles reflexartig geschieht. Ablehnen, was von anderen kommt, bei Ihnen hieße die Zusammenarbeit halt, demütig und widerstandslos alles zu akzeptieren, was sie vorschlagen, aber so kann das nicht funktionieren.

 

Es bewegt sich die SPÖ jedenfalls sehr langsam im Bereich der Integration, aber es ist ja für Sie vielleicht ganz praktisch, jetzt eine Art Neustart zu machen. Das heißt, wir vergessen, was davor war und fangen jetzt neu

 

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