Gemeinderat,
38. Sitzung vom 30.10.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 32 von 106
gesagt haben, aber doch auf ein, zwei Dinge, die in
meinen Augen wesentlich sind.
Also, ich finde, dieses Geschäftsstück, das wir heute
beschließen, ist durchaus ein sehr wichtiges. Und wenn ich so überlege und es
vor mir Revue passieren lasse, dann ist es von den vielen
Integrationsmaßnahmen, die von der Stadt Wien seit sehr vielen Jahren
vorbereitet und umgesetzt werden, wahrscheinlich einer der klügsten Schritte,
die es in den letzten Jahren gegeben hat. Und wieso: Ich habe mehrfach von hier
aus kritisiert, dass man in den letzten drei Jahrzehnten leider verabsäumt hat,
eine gemeinsame Perspektive in der Integrationspolitik zu entwickeln. Man hat
verabsäumt, auch öffentlich eine Debatte, einen Diskurs darüber zu führen, was
ist unsere Gesellschaft, was sind uns in der Tat wesentliche Werte, und wie
kann man es schaffen, wenn Menschen einmal eingewandert sind, ihnen innerhalb
dieser Gesellschaft ein Zuhause zu geben.
Das heißt, nicht nur ein Bekenntnis zu Österreich von
ihnen einzufordern, sondern zu fragen, wie kann man den Weg in ihre Köpfe
finden, und was noch viel, viel schwieriger ist, meine Damen und Herren, wie
kann man den Weg in ihre Herzen finden, denn den Weg ins Herz eines Menschen
kann man nicht vorschreiben, den muss man suchen. Und eines kann ich Ihnen auf
Grund der eigenen Erfahrung sagen, weil ich ja auch selber vor 23 Jahren
in diese Stadt eingewandert bin: Wenn man willkommen geheißen wird zu Beginn,
wenn man gefördert wird zu Beginn, wenn es bestimmte Angebote gibt, dann ist es
gut, dann reagieren die Menschen positiv darauf, dann sind sie de facto zu
90 Prozent der Fälle auch gerne bereit, sie in Anspruch zu nehmen und dann
kann man sehr wohl, liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem man sie nämlich
anerkannt und gesagt hat: „Willkommen, du Neuankömmling, du hast das Recht, von
uns betreut zu werden und begleitet zu werden bei den ersten Schritten in
diesem Land“, auch zu ihnen sagen: „Du hast aber auch sehr wohl die Pflicht
mitzuwirken, das heißt, dich auch einzubringen.“
Und schlussendlich ist es nichts anderes als ein
dialektischer Prozess, wenn man so will. Das bedeutet, dass sich Schritt für
Schritt innerhalb eines längeren Zeitraumes Menschen in diesem Land zurecht
finden, Freundschaften schließen können, soziale Kontakte knüpfen können,
wirtschaftlich einen Erfolg haben können - das ist im Übrigen auch nicht
unbedingt, wie soll ich sagen, das ist ein Detail, es gehört sehr wohl auch
dazu, dass man die Migrationsgeschichte sozusagen, die Einwanderung in
Österreich durchaus auch als Erfolg, als persönlichen Erfolg empfinden kann,
und dass am Ende dieses Vorganges, nach 5 Jahren, 6 Jahren, nach
10 Jahren, irgendwann einmal der Mensch auch sagen kann, ich gehöre
hierher, ich bin stolz darauf, Österreicherin und Österreicher zu sein, ich
bekenne mich zu diesem Land, ich bin hier genauso zu Hause, wie ich immer noch
auch dort zu Hause bin, von wo ich einmal hergekommen bin. Das ist das Ziel,
das meines Erachtens jede kluge und sinnvolle Integrationspolitik befolgen
sollte.
Und das ist es, was ich meine, wenn ich davon
spreche, dass wir eine gemeinsame Perspektive brauchen. Und zweifelsohne wird
die deutsche Sprache, die hier auch die Landessprache ist und mitunter auch die
Sprache ist, die, sagen wir, fast die gesamte österreichische Bevölkerung
hervorragend beherrscht, auch jene Basis sein, die Kommunikation ermöglicht und
die im Übrigen auch sozialen und ökonomischen Erfolg ermöglicht. Ich meine, man
wird sich auch relativ schwer tun, in Österreich voranzukommen, wenn man
Deutsch nicht sehr gut, um nicht zu sagen, ausgezeichnet spricht. Und folglich
ist es gut, sich Gedanken zu machen, wie ich Neuankömmlinge erreichen kann, wie
ich Neuzuwanderer unmittelbar nach der Einwanderung erreichen kann und ihnen
Deutschkurse bieten, ja, sehr wohl auch allgemeine Orientierung bieten kann,
damit sie eben tatsächlich wissen, welche Behördenwege gibt es, welche
Leistungen es gibt und was ich alles beachten muss.
Ja, es macht Sinn, ihnen auch Orientierung zu bieten
im Zusammenhang mit der Österreichischen Verfassung, dem Rechtssystem, den
wesentlichen Normen, die für uns alle gelten und die man nicht notwendigerweise
kennen muss, je nachdem aus welchem Teil des Globus man herkommt und last but not
least, es macht Sinn, sie auch in dem durchaus sehr schwierigen und komplexen
Prozess der Anerkennung ihrer mitgebrachten Qualifikationen zu begleiten. Denn
was wir auch haben, und das seit vielen Jahren in Wien, ist, dass Menschen
durchaus hochqualifiziert oder jedenfalls als Facharbeitskräfte einwandern und
dann mangels Anerkennung dieser Qualifikationen jahrelang, manchmal auch ihr
ganzes Leben lang, dequalifiziert leben. Und dann werden Sie auch verstehen,
dass es für sie sozusagen individuell dann auch so ist, dass sie die
Migrationsgeschichte nicht als Erfolgs-Story erleben, sondern als Misserfolg,
und das hat auch nachteilige Folgen.
Es gibt mehrere Länder, die es uns in den letzten
Jahrzehnten vorgemacht haben, und die durchaus auch ganz große Erfolge
vorzuweisen haben.
Ein vielzitiertes Beispiel ist Kanada. Kanada ist ein
Ort, in dem Neuzuwanderer all das, was ich Ihnen gerade geschildert habe, in
den ersten Jahren nach der Zuwanderung zur Verfügung gestellt bekommen, und
sehr wohl auch eine Mitwirkungspflicht haben. Und ich bin bereit, über diese
Mitwirkungspflichten zu diskutieren, auch hier im Haus, aber unter der
Voraussetzung, dass ihnen auch ein Angebot, das diesen Namen verdient,
unterbreitet wird und unter der Voraussetzung auch, dass sie für dieses Angebot
nicht gleich kräftig zur Kasse gebeten werden nach der Neuzuwanderung, denn
wenn sie mit Kurskosten konfrontiert werden, die sie sich nicht leisten können,
dann ist es ziemlich klar, dass dieser Weg auch scheitern würde.
Also, worauf ich hinaus will, ist,
es macht mäßig Sinn in unseren Debatten hier, wenn wir auch all diese
Diskussionen über die Begleitung und den Einstieg von Neuzuwanderern, die
richtig und sinnvoll sind, missbrauchen, um ihnen in Wahrheit neue Schikanen
und neue Hürden, sozusagen neue Prügel vor die Beine zu werfen.
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