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Gemeinderat, 23. Sitzung vom 27.06.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 99

 

öffentlichen Diskussion gerückt ist, denn das zeigt, wie wichtig diese Institution ist!

 

Wer die diesbezüglichen Diskussionen in den letzten Jahren verfolgt hat, musste allerdings feststellen, dass eine öffentliche Diskussion über den Kindergarten als Bildungseinrichtung nur in sehr geringem Maß stattgefunden hat und dass sich die Öffentlichkeit und auch die politische Öffentlichkeit sehr wenig dafür interessiert haben. Man hat den Kindergarten immer nur als eine Betreuungseinrichtung betrachtet, wo die Kinder halt hingehen, damit die Mütter arbeiten können, es gab aber keine breite Diskussion über die Aufgaben des Kindergartens. Die angestrebte Diskussion über den Kindergarten als Bildungseinrichtung fand nicht statt.

 

Wir GRÜNEN haben schon seit Jahren gefordert, dass der Kindergarten als Bildungseinrichtung gesehen wird, und zwar als erste und vielleicht sogar wichtigste Bildungseinrichtung in der Bildungslaufbahn eines Menschen. Auch EntwicklungspsychologInnen, KinderpsychologInnen, PädagogInnen und BildungsexpertInnen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es im Kindergarten einer entsprechenden Qualität bedarf, damit der Bildungsauftrag erfüllt werden kann. Dieser kann nämlich nur dann erfüllt werden, wenn es ein gewisses Maß an Qualität gibt.

 

Diese Qualitätsdiskussion wird von Seiten der Stadt Wien jedoch seit Jahren verweigert. Wir haben beim Rechnungsabschluss wieder einen Antrag auf Senkung der Gruppengrößen und auf Veränderung der Betreuungsverhältnisse im Kindergarten, in Kindergruppen und in den Hortgruppen eingebracht. Die Stadt Wien verneint diese Qualitätsdiskussion aber. Sie stellt sich dieser Diskussion nicht und weigert sich, auch nur irgendwie über Qualität im Kindergarten nachzudenken!

 

Egal, was PädagogInnen beziehungsweise ExpertInnen sagen: Die Kindergruppen werden mit 28 bis 29 Kindern vollgestopft, eine einzige Pädagogin arbeitet mit den Kindern, und dann wundert man sich, dass nicht die tolle Bildungsleistung erbracht wird, die wir uns alle offensichtlich vom Kindergarten erwarten.

 

Auch die Diskussion um die Qualität der Ausbildung der KindergartenpädagogInnen, die von diesen selbst immer wieder angestrebt wird, wird in dieser Stadt nicht geführt. Es gibt schon unzählige Anträge, dass es eine gemeinsame pädagogische Ausbildung aller PädagogInnen geben muss. Auch diesbezüglich verweigert die Stadt aber die Kommunikation, das Einsehen und das Verständnis, dass Qualität im Kindergarten einfach wichtig ist und dass das zur Qualitätsdiskussion dazugehört. Offensichtlich ist die Stadt auf diesem Qualitätsauge blind!

 

Wenn man aber offensichtlich nicht einsehen will, dass Qualität notwendig ist, um die Bildungs- und Zukunftschancen der Kinder positiv zu beeinflussen, dann frage ich mich, wieso dann in den letzten Jahren plötzlich auch bei der SPÖ das letzte Kindergartenjahr beziehungsweise das verpflichtende Vorschuljahr doch immer mehr ins Zentrum gerückt wurde! In der letzten Zeit wurde das ja als die Lösung dargestellt! Diese Diskussion war aber immer von Defiziten geprägt und nicht von der Qualitätsdiskussion, die ich angeführt habe.

 

In der letzten Zeit ging es nur mehr darum, warum so wenige Kinder Deutsch können, wenn sie aus dem Kindergarten kommen. Ich meine, diese Diskussion, der sich offensichtlich auch die SPÖ schon angeschlossen hat, greift viel zu kurz! Es geht dabei nämlich nicht um den Kindergarten als Chance. Es geht bei dieser Debatte nicht um die Bildungs- und Zukunftschancen der Kinder und nicht um die intellektuellen, sozialen und emotionalen Entwicklungsfähigkeiten, die bereits im Kindergarten gefördert werden können, sondern – auch ausgelöst durch die PISA-Ergebnisse – immer nur darum, warum der Kindergarten versagt hat und warum die Kinder nicht Deutsch können.

 

Vor allem stellt man sich auch die Frage: Wie können wir noch mehr Kinder in den Kindergarten bringen? – Ich bin eine begeisterte Anhängerin des Kindergartens, und ich meine, dass alle Kinder in den Kindergarten gehen sollen, aber nicht, weil man sie dazu verpflichtet oder zwingt, sondern weil man eingesehen hat, dass es gut und richtig ist, dass sie dorthin gehen und etwas lernen.

 

Das Lernen wird in dieser Diskussion aber immer nur mit Schule gleichgesetzt. Deswegen heißt es ja auch: verpflichtendes Vorschuljahr. Das Lernen im Kindergarten bedeutet aber etwas ganz anderes! Das Lernen im Kindergarten hat nichts damit zu tun, dass Arbeitsblätter ausgefüllt und Buchstaben abgemalt werden, um zu sehen, wie viele Buchstaben ein Kind schon kennt, wenn es in die Schule kommt, und ob es schon im Zahlenraum zehn rechen kann. All das sind Forderungen an die Vorschule. Man beschäftigt sich aber – wie gesagt – nicht damit, was Lernen im Kindergarten wirklich bedeutet.

 

Im Kindergarten geht es nämlich um Lernen in einer Gruppe mit gleichaltrigen oder auch älteren und jüngeren Kindern. Die Kinder sollen lernen, sich zu einigen, einen Aushandlungsprozess zu starten, etwas auszuprobieren und zu erforschen. Sie sollen feststellen, dass es auch etwas anderes als das Zuhause und die eigene Wohnung gibt. Das nähere Umfeld und Räume, die man nun auch mit einer Gruppe von Gleichaltrigen besucht, sollen erkundet werden. Man kann sich austoben, man kann sich dort umsehen, man kann über Grenzen gehen. – All das ist Lernen!

 

Das ist kein Lernen wie in der Schule, nämlich still sitzen, Listen ausfüllen, geprüft werden, Tests machen und Leistungen im klassischen Sinn zeigen. Und dieses Lernen im Kindergarten wird meiner Meinung nach viel zu sehr unterschätzt und kommt in der Diskussion, die in den letzten Wochen und Monaten geführt wurde, viel zu kurz!

 

Es geht dabei, wie ich schon gesagt habe, immer nur darum: Warum können zu wenige Kinder Deutsch, wenn sie in die Schule kommen? – Es stimmt, dass es Kinder gibt, die ein sprachliches Defizit haben! Das sind aber nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund, sondern auch Kinder, die aus einem klassischen österreichischen Haushalt kommen. Auch bei diesen kann es Defizite geben! Es gibt bei den Kindern aber nicht nur Defizite in

 

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