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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 26.06.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 7 von 118

 

MigrantInnenfeindlichkeit, Antifeminismus, und natürlich wie immer aus unrichtigen und zum Teil abstrusen Behauptungen, zum Beispiel die von der geschlechtssensiblen Pädagogik - die ja den Abbau von Benachteiligungen und Diskriminierungen von Mädchen zum Ziel hat -, auf den steigenden Musliminnenanteil von Mädchen in Schulen zu kommen. Das ist selbst für die Freiheitliche Partei eine neue Qualität in der Auseinandersetzung beziehungsweise eigentlich ein Armutszeugnis. Und ich denke, meine Nachrednerin, Frau GRin Alev Korun, wird hier ausführlich zur integrationspolitischen Seite der Debatte Stellung nehmen.

 

Ich möchte mich gleich der Situation und den realen Problemen von Frauen in dieser Stadt zuwenden. Mein Kollege StR Ellensohn und andere grüne Kolleginnen haben ja schon an dieser Stelle das Problem der ungleichen Verteilung von Reichtum und Ressourcen in dieser Stadt angesprochen. Frauen sind von Ungleichverteilung besonders betroffen, Wien liegt zwar bei vielen Indikatoren wesentlich besser als andere Bundesländer, zum Beispiel bei den Kinderbetreuungseinrichtungen für über Dreijährige, oder auch bei Gewaltschutzeinrichtungen, aber die Situation in Wien ist alarmierend, insbesondere im Bereich von Arbeitsmarkt und Einkommen.

 

Ich möchte Ihnen ein paar aktuelle Beispiele realer Situationen von Frauen in Wien schildern: 10 Jahre nach dem Frauenvolksbegehren und 30 Jahre nach der Verankerung des Grundsatzes gleicher Lohn für gleiche beziehungsweise gleichwertige Arbeit im österreichischen Rechtssystem gilt noch immer, dass Frauen in Wien ein fünfmal höheres Armutsrisiko als Männer haben, der Einkommensvorteil der Männer in Wien beträgt satte 41 Prozent, Männer leisten aber dafür weniger. Meine Kollegen, vielleicht für Sie ganz interessant, Männer in Wien leisten durchschnittlich 35 Stunden pro Woche an Arbeit, während Frauen, ich habe es ja selbst nicht glauben können, deshalb mein Hänger, ich dachte es wäre umgekehrt, Frauen arbeiten im Schnitt pro Woche 45 Stunden, sie bekommen aber wesentlich weniger bezahlt. Frauen leisten nämlich zwei Drittel der unbezahlten Arbeit nach der neuesten Arbeiterkammerstudie, Männer leisten drei Fünftel der bezahlten Arbeit. Also auch hier ganz klar eine sehr ungleiche Verteilung zwischen Männern und Frauen bei Arbeit, bei Arbeitszeit und bei Einkommen in Wien.

 

Und Frauen in Wien sind trotz Gleichbehandlungsgesetzes auch in Spitzenpositionen immer noch stark unterrepräsentiert. In den 200 größten Kapitalgesellschaften finden sich in der Geschäftsführung 5 Prozent Frauen, in den Aufsichtsräten 10 Prozent Frauen und in der betrieblichen Forschung 15 Prozent Frauen. Das heißt, es ist hoher Handlungsbedarf für eine Umverteilungspolitik in dieser Stadt gegeben und ich denke, es braucht offensive und aktive Frauenpolitik mit dem Ziel der Gleichstellung in allen Bereichen und, Frau StRin Frauenberger, ich war ein wenig enttäuscht bei Ihrer Antrittspressekonferenz, als Sie das Wort Gleichstellungspolitik explizit offensichtlich vermieden haben. Sie sprechen sehr viel von Gleichbehandlung, von Gleichberechtigung, auch von Chancengleichheit, aber leider nicht von Gleichstellung.

 

Ich denke, das ist eigentlich das Ziel, das auch von Expertinnen und Experten hier diskutiert wird, die offensive Gleichstellungspolitik. Und ich denke, die Antworten liegen eigentlich auf dem Tisch, es wäre die Entkoppelung von Sozialleistungen und Sozialversicherungsleistungen von Erwerbsarbeit, deshalb haben die Grünen auch das Modell der Grünen Grundsicherung entwickelt, es wäre wesentlich für eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen in Wien.

 

Auch hier ein paar Zahlen zur so genannten eigenständigen Existenzsicherung in Wien: Über die Hälfte der Frauen in Wien mit Kindern unter 15 Jahren, die erwerbstätig sind, können von ihrem Einkommen nicht mehr leben, weil sie weniger als 800 EUR im Monat, also das so genannte Existenzminimum, verdienen und auch die durchschnittliche Sozialhilfeleistung und die durchschnittliche Notstandshilfeleistung der Frauen in Wien ist unter dem Existenzminimum. Das heißt, hier wäre die Grüne Grundsicherung gerade auch für Frauen von eminenter Bedeutung.

 

Wir brauchen, wie mein Kollege David Ellensohn gestern schon angesprochen hat, eine gender-gerechte, also geschlechtspezifische Steuerreform mit Umverteilung und Besteuerung auch von Vermögen und wir brauchen eine Absicherung atypischer Arbeitsverhältnisse, atypischer Beschäftigung, Einbeziehung atypischer Beschäftigter in Sozialversicherung und Arbeitsrecht. Das würde vor allem den Frauen helfen.

 

Vom Bund kommt ja leider sehr wenig an. Im Bund, und da sind wir deshalb sehr enttäuscht, weil doch die SPÖ, als sie noch in Opposition im Bund war, auch von diesen Pulten aus hier zum Teil sehr fortschrittliche Ansätze in der Frauenpolitik vertreten hat, die sie aber auf dem Weg in die Regierung jetzt allesamt offensichtlich verloren hat. Ich erinnere nur an Anträge zum so genannten Papa-Monat, Anträge zur Förderung der Väterkarenz auch im öffentlichen Dienst, Anträge zur Arbeitslosenanwaltschaft, ich erwähne jetzt gar nicht die Nichtabschaffung der Studiengebühren.

 

Ein großes Versprechen der SPÖ war auch die Besserstellung von Handelsangestellten. Sie wissen, zwei Drittel der im Handel Beschäftigen sind Frauen und müssen zu sehr schlechten Arbeitsbedingungen, zu einem der niedrigsten Kollektivverträge, arbeiten und auch die jetzt wieder diskutierte weitere Ausweitung der Ladenöffnungszeiten und die Sonntagsarbeit - zumindest während der EURO 2008 - wird wieder einmal ohne die seit Jahren versprochene Besserstellung für Handelsangestellte vonstatten gehen.

 

Wir vermissen aber auch in Wien Visionäres in der Frauenpolitik. Ich habe es schon angesprochen, Frau Kollegin Frauenberger, Sie sind seit Jänner im Amt und ich nehme Ihnen Ihr persönliches Engagement für Frauen und Frauenpolitik wirklich ab, ich kenne Sie schon sehr lange, aber wir haben doch etwas Neues in Ihrem Arbeitsprogramm vermisst. Wir vermissen klare Worte zu den strukturellen Problemen von Frauen am Wiener

 

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