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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 25.06.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 74 von 140

 

Grünen wollen mit einem Wort, dass Chancengerechtigkeit hergestellt wird. Und wir wollen nicht, dass wir bis zum Sankt Nimmerleinstag darauf warten, dass diese Gesamtschule, die dringend notwendig wäre, eingeführt wird, sondern wir wollen, dass jetzt etwas geschieht.

 

Und deswegen jetzt einmal ein paar Worte zu diesen Kindern, die von Benachteiligung betroffen sind.

 

Erstens einmal: Es ist ungefähr jedes vierte Kind in Wien, das benachteiligt ist. Ein Hauptgrund für die Benachteiligung ist, dass die Eltern wenig verdienen. Man hat festgestellt und nachgewiesen, dass nur 10 Prozent der Kinder, deren Eltern weniger verdienen als 1 500 EUR monatlich, eine AHS besuchen. Das geringe Einkommen der Eltern ist maßgeblich für die Benachteiligung. Und ich denke, das kann in dieser Stadt niemand wollen. – Das war der erste Punkt, dass sie wenig verdienen.

 

Der zweite Punkt: die niedrigen Bildungsabschlüsse der Eltern. Kinder, deren Eltern niedrige Bildungsabschlüsse haben, landen in der Regel in der Hauptschule. Und wenn wir uns das jetzt anschauen, die, die wenig verdienen, und die, die niedrige Bildungsabschlüsse haben, so sind das Kinder aus österreichischen Haushalten oder Kinder, deren Muttersprache Deutsch ist, genauso wie Kinder mit Migrationshintergrund. Die braucht man überhaupt nicht auseinanderzudividieren. Außerdem gibt es noch eine Gruppe, bei der erschwerend hinzukommt, dass die Kinder die deutsche Sprache nicht ausreichend verstehen und sprechen können.

 

Jetzt sage ich noch etwas, und dazu hat mich Herr GR Madejski sozusagen inspiriert: All das sind unsere Kinder! Alle sind unsere Kinder! (Zwischenruf von GR Dr Herbert Madejski.) Sagen Sie nicht Nein! Ich sage Ja! Die Kinder, deren Eltern wenig verdienen, sind unsere Kinder. Die Kinder, deren Eltern niedrige Bildungsabschlüsse haben, sind unsere Kinder. Und die Kinder, die Deutsch nicht gut verstehen können, sind unsere Kinder. (Beifall bei den GRÜNEN. – GR Kurth-Bodo Blind: Ohne Deutsch geht das nicht! – GR Dr Herbert Madejski: Wir hören das seit zehn Jahren! Was hat sich verbessert, seitdem Sie reden?) Es wäre wirklich fein, wenn sich die Dinge deswegen verbesserten, weil ich Gescheites spreche! Dann wäre es nämlich in Wien wesentlich besser, als es heute der Fall ist!

 

Jetzt möchte ich noch eine Frage in den Raum stellen: Wer muss eigentlich Interesse daran haben, dass all diese benachteiligten Kinder Chancengerechtigkeit erfahren? – Das möchte ich jetzt noch aufzählen, weil ich das für wichtig halte und weil ich mir denke, dass sich da vielleicht auch der eine oder andere oder die eine oder andere Freiheitliche irgendwo einordnen könnte: Interesse müssen daran alle Menschen in Wien haben, denen Menschenrechte und Kinderrechte irgendwie wichtig sind. Ich weiß: Das sind die, die Sie immer süffisant und zynisch als „Gutmenschen“ bezeichnen! Ich hoffe aber, dass es in Wien viele Gutmenschen gibt, die an Menschenrechten und Kinderrechten Interesse haben, die es ernst meinen und wollen, dass all diese Kinder einen möglichst hohen Schulabschluss machen!

 

Zweiter Punkt: Alle Menschen in Wien, die an einer florierenden Wirtschaft interessiert sind, sollten ebenfalls großes Interesse daran haben, dass alle Kinder möglichst hohe Schulabschlüsse machen und so gut gebildet sind, wie es nur irgendwie möglich ist. Die GRÜNEN sprechen nicht von „Humankapital“ und „bestmöglich nutzen“ et cetera. Aber auch diejenigen, die auf dieser Seite stehen und so denken, sollten eigentlich sagen: Wir können nicht auf jedes vierte Wiener Kind verzichten! Wir müssen alle fördern! Wo bleibt denn da Ihre hohe Wirtschaftskompetenz? (Zwischenruf von GR Mag Johann Gudenus, MAIS.) Ich weiß! Was ich sage, ist immer aufregend! Das freut mich sehr!

 

Dritter Punkt: Alle, die an einem friedlichen Zusammenleben in Wien Interesse haben, müssen daran interessiert sein, dass Menschen und vor allem Kinder und Jugendliche sich nicht an den Rand gedrängt fühlen, sondern dass alle Bildungschancen und Zukunftschancen sehen.

 

Wissen Sie nämlich, was geschieht, wenn das nicht der Fall ist? – Das führt dann tatsächlich zu all den Erscheinungen rund um Vandalismus, Gewalt, Alkoholmissbrauch, Kriminalität und so weiter, und diese Phänomene nehmen zu. Wollen Sie das wirklich? Wenn Sie wollen, dass jedes vierte Wiener Kind keine Bildungschancen sieht und keine Zukunftsperspektiven entwickelt, dann sagen Sie es laut! Sie treiben nämlich diese Menschen genau in die Richtung, die wir alle nicht wollen können! Das verursacht hohe Folgekosten, und daher sollten sich auch alle Menschen, die keine hohen Folgekosten bezahlen wollen, da einreihen und dafür sorgen, dass alle eine gute Ausbildung erhalten.

 

Nächster Punkt: Es gab eine Diskussion darum, ob es ein Vorschuljahr beziehungsweise ein letztes Kindergartenjahr geben soll, und dabei ging es um die fünf- bis sechsjährigen Kinder. Alle Unterlagen, Statistiken und Zahlen, die uns zur Verfügung stehen, zeigen aber, dass das letzte Jahr zu spät greift. Ich glaube, dass die Diskussion durchaus von beiden Seiten gut gemeint war, sie greift aber, wie gesagt, eindeutig zu kurz. Im Hinblick darauf ist eine Maßnahme notwendig, welche die hohe Bildungsfähigkeit der drei- bis sechsjährigen Kinder voll fördert und nutzt. Aus allen Unterlagen, die uns von der Reformpädagogik zur Verfügung gestellt werden, geht eindeutig die hohe Bildungsfähigkeit der Kinder in diesem Alter hervor.

 

Auf diesem Grund bringen wir heute einen Beschlussantrag ein, der bei den GRÜNEN gar nicht so leicht ausdiskutiert werden konnte, und zwar aus einem Grund, den ich noch erwähnen werde. – Wir wollen, dass es in Wien für jedes Kind – ich wiederhole: für jedes Kind, damit auch Sie es verstehen! – einen kostenlosen Kindergarten- oder Kindergruppenplatz geben soll, und zwar zunächst, aber nur bezogen auf die Bildungsfähigkeit, ab dem Alter von drei Jahren. Dieses Angebot soll qualitativ besser sein, als es jetzt der Fall ist.

 

Das ist von unserer Seite keinerlei Kritik an den tätigen KindergartenpädagogInnen, sondern wir sagen einfach, dass es zu wenig KindergartenpädagogInnen

 

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