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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 30.01.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 11 von 64

 

Dann können wir durchaus darüber reden.

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Die zweite Zusatzfrage: Frau GRin Schöfnagel, bitte.

 

GRin Barbara Schöfnagel (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

 

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass man insgesamt gesehen die Schüler vorher testen sollte, ob sie die Sprache beherrschen oder nicht oder zumindest so weit beherrschen, dass sie dem Unterricht folgen können. Das betrifft nicht nur ausländische Kinder, sondern auch inländische Kinder, ob die den österreichischen Pass haben oder nicht. Die Sprachkenntnisse für die Schule wären also sehr wesentlich.

 

Ich bin auch der Meinung wie Ihr Parteivorsitzender Gusenbauer, man sollte vor der Schule schon beginnen, den Kindern die Sprache beizubringen. Auf welcher Ebene, das muss diskutiert werden.

 

Meine Frage aber geht in eine andere Richtung. Wenn alleine die Kinder die Sprache können, das reicht nicht. Ich bin der Meinung, die Eltern sollten es auch können. Bei den Einbürgerungen haben wir jetzt schon ein Procedere, aber es gibt ja sehr, sehr viele Eltern beziehungsweise gerade auch Mütter, die die Sprache nicht beherrschen und auch nicht leicht lernen, weil sie ja nicht einmal schreiben und lesen können.

 

Ich frage Sie deshalb: Haben Sie etwas vor in der Richtung, dass man die Alphabetisierung jener Frauen noch verstärkt, die zum Teil schon den österreichischen Pass haben, aber nicht einmal schreiben und lesen können und schon gar nicht die deutsche Sprache lernen können?

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.

 

Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!

 

Zunächst einmal: Ja, ich stimme mit Ihnen überein, es ist vernünftig, dass man die Sprache kann, wenn man in einem Land lebt. Ich halte es schon für sehr vernünftig, wenn man beispielsweise in Italien seinen Urlaub verbringt, dass man einigermaßen Italienisch können sollte. Das erleichtert in vielerlei Hinsicht die Kommunikation und ist für jüngere Leute mindestens so bedeutsam wie für ältere, auch wenn wahrscheinlich unterschiedliche Anwendungsgebiete der Sprachkenntnisse vorhanden sind. (GR Dr Wilfried Serles: An welche Gebiete denken Sie?)

 

Aber das ist – und das meine ich jetzt noch eine Spur ernster – eine Frage des Angebots. Es ist eine Frage des Angebots, dass Leute, die eine Sprache lernen wollen, im gegenständlichen Fall Deutsch lernen wollen, das auch können. Und auf einen kleinen Unterschied möchte ich Sie schon hinweisen: Man hat auf der Bundesebene die Verpflichtung eingeführt, und ich schaue mir den Besuch der Sprachkurse an. In Wien hingegen haben wir das Prinzip der Freiwilligkeit, und ich schaue mir den Besuch dieser Kurse an. In Wien wird das Angebot um ein Vielfaches mehr angenommen, als dies auf der Bundesebene der Fall ist, nicht zuletzt deshalb, weil das Angebot in Wien um ein Vielfaches höher ist, als dies von Bundesseite her bei Verpflichtung zur Verfügung gestellt wird.

 

Ich sage Ihnen da in aller Offenheit: Ja, wenn wir das gemeinsam wollen, dass Menschen, die hier in unserem Land leben, egal wie lang, Deutsch lernen, dann wird es in erster Linie davon abhängen, welches Angebot wir ihnen machen, damit sie auch Deutsch lernen können. Und ich glaube, der Wiener Weg ist besser als das, was auf der Bundesebene gemacht wurde.

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Danke schön. – Die dritte Zusatzfrage: Frau GRin Sommer-Smolik.

 

GRin Claudia Sommer-Smolik (Grüner Klub im Rathaus): Herr Bürgermeister!

 

Ich hoffe, wir sind uns einig in dem Sinne, dass Zwang und Verpflichtung nicht wirklich der richtige Zugang im Bezug auf Integration sein können, und auch einig darin, die Schule jetzt nicht plötzlich vorzuziehen, nämlich die fünfjährigen Kinder jetzt schon in die Schule zu schicken und ihnen nicht die drei Jahre, die sie jetzt im Kindergarten verbringen können, zu gönnen und sie auch Kinder sein lassen, die spielerisch lernen, was sie lernen können.

 

Jetzt ist meine Frage an Sie: Halten Sie es als Integrationsmaßnahme nicht für notwendiger, statt Zwang und Verpflichtung mehr muttersprachliche PädagogInnen – und es ist mir wichtig, dass es PädagogInnen sind – in Wiener Kindergärten einzusetzen, um hier eine Sprachförderung, die ja nicht erst mit fünf Jahren beginnt, sondern schon viel früher, um eine wirkliche Sprachförderung zu ermöglichen?

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte.

 

Bürgermeister Dr. Michael Häupl: Frau Gemeinderätin!

 

Ich hoffe, wir stimmen auch darin überein, dass nicht alles, was Pflicht ist, auch Zwang sein muss, denn sonst hätten wir auf die maria-theresianische Schulreform verzichten können, und das wollen wir ja mit Sicherheit nicht tun.

 

Ich glaube, dass unter dem Prinzip dessen, dass man Sprachunterricht verstärken soll, Hilfe zum Erwerb dieser Sprachkenntnisse – ich wiederhole mich: egal, ob Inländer oder Ausländer; das ist für mich überhaupt nicht die Frage – eine vernünftige Sache ist. Mir geht es dabei nicht um die Frage der Integration von Ausländern, sondern mir geht es dabei um die Frage der sehr frühzeitigen Integration von Kindern in das Schulsystem.

 

Wir sollten von unseren eigenen persönlichen Erfahrungen der Schule auch ein bisschen abstrahieren. Es ist vieles Gott sei Dank anders geworden im Laufe der Zeit, und daher denke ich, dass die Frage der pädagogischen Vermittlung von Sprache nicht etwas ist, was an der Kindergarten/Schulgrenze sich abrupt verändern sollte, sondern selbstverständlich auch im Volksschulalter entsprechend durchschlagen soll. Und wir alle wissen, dass nach modernen pädagogischen Methoden die Vermittlung von Sprache auch eine sehr spielerische sein kann. Ich habe durchaus auch Eigenerfahrungen damit, in spielerischer Form Sprachen zu lernen, denn man ist ja oft mit der Notwendigkeit, Sprachen zu lernen, konfrontiert, ohne dass man das in der Schule gelernt hat, weil

 

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