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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 30.01.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 82

 

9. Bezirk, was damit zusammenhängen dürfte, dass es dort eine unheilige Allianz zwischen dem Herrn Planungsstadtrat und dem Herrn Bezirksvorsteher gibt. Erinnern wir uns zurück: Der Stau auf der Rossauer Lände ist noch nicht allzu lange her, wo man aus Jux und Tollerei einen Fahrstreifen einfach tagelang abgesperrt hat. Leidtragende war die Wiener Bevölkerung, aber dank entsprechender Bürgerproteste und dank entsprechenden parteipolitischen Einsatzes ist es letztendlich gelungen, dieses Unding wieder loszuwerden. Ein gleicher Fehler bei der Sensengasse wäre natürlich nicht annähernd so leicht korrigierbar, denn einen gesperrten Fahrstreifen kann man relativ leicht wieder aufmachen, aber 20 und 23 Meter hohe Bauten wieder wegzubekommen, das wird jedenfalls nicht möglich sein.

 

Die Widmung Sensengasse steht, kann man sagen, von Anfang an unter keinem besonders guten Stern. Es handelt sich um ein Geschäftsstück, das insgesamt dreimal von einer Tagesordnung genommen werden musste: einmal von der Tagesordnung des zuständigen Gemeinderatsausschusses, zweimal von der Tagesordnung des Stadtsenates. Was im letzten Stadtsenat passiert ist, wissen wir alle. Da hat der Herr Stadtrat ohne Vorinformation der Fraktionen einfach einen mündlichen Abänderungsantrag eingebracht. Und es gab die Sitzung des Gemeinderates im September, bei der das Geschäftsstück sich dann letztendlich ebenfalls nicht auf der Tagesordnung befunden hat. Ich bedaure, dass es heute auf der Tagesordnung steht.

 

Lassen Sie mich zwei Klarstellungen treffen, die mir wichtig sind, weil ich davon ausgehe, dass die Redner der Sozialdemokratie versuchen werden, das noch der ÖVP vorzuwerfen.

 

Erstens: Die Art und Weise, wie die BIG vorgeht, ist für mich absolut nachvollziehbar und verständlich. Die BIG hat hier marktwirtschaftlich zu agieren und selbstverständlich muss sie darauf drängen, diese Liegenschaft bestmöglich zu verwerten. Das hat nichts damit zu tun, dass der Gemeinderat selbstverständlich übergeordnete Interessen wahrzunehmen hat.

 

Punkt zwei: Ich gehe davon aus, dass Sie mir auch noch sagen werden: Aber seinerzeit, vor einem Jahr, da hat doch die Bezirks-ÖVP diesem Projekt zugestimmt. Da sage ich Ihnen: Nein, diesem konkreten Projekt wurde niemals zugestimmt. Der Herr Bezirksvorsteher hat die Garantie übernommen, dass dort der Grün- und Erholungsraum erhalten bleibt und dass die Sportanlagen für die Bezirksbevölkerung geöffnet werden können. Nur unter diesem Gesichtspunkt hat seinerzeit die Bezirks-ÖVP ihre Zustimmung gegeben. Mittlerweile wissen wir alle, was aus dem Projekt geworden ist, und haben wir in sehr deutlicher Art und Weise unsere Kritikpunkte die längste Zeit artikuliert.

 

Was hat man nun konkret vor? – In der Sensengasse plant man in der Struktureinheit 1 tatsächlich eine Verbauung mit 67 000 Kubikmeter Kubatur und einer möglichen Gebäudehöhe von 43 Metern über Wiener Null. Bei der Struktureinheit 2 – das ist der Spitz zwischen Spitalgasse und Sensengasse – sollen 31 000 Kubikmeter Kubatur verbaut werden mit einer Gebäudehöhe von maximal 46 Metern über Wiener Null. Wenn man weiß, in welchem Ausmaß die Höhenlage Sensengasse über Wiener Null liegt, so werden die Gebäude dort eine Höhe von 23 Metern erreichen, und wir haben es mit einer Bebauungsdichte von 62 Prozent zu tun. Das ist ganz enorm, damit kann man in keiner Art und Weise sagen, dass hier Grün- und Erholungsraum für die Bevölkerung erhalten bleibt, obwohl wir wahrlich nicht so viele grüne Oasen im Bereich innerhalb des Gürtels haben.

 

Mich würde auch interessieren, wie da im Stadtsenat die Meinungsfindung zwischen den sozialdemokratischen Stadträten erfolgt, denn die Frau Umweltstadträtin Kossina muss ja dazu eine ganz andere Meinung haben als der Planungsstadtrat, hat sie doch noch im April 2002 gesagt, jeder Quadratmeter Grünfläche ist wertvoll, vor allem in einem innerstädtischen Bezirk.

 

Im September hat es eine kurze Atempause gegeben. In der Gemeinderatssitzung vom 26. September 2002 ist zu unserer Überraschung und damaligen Freude das Geschäftsstück doch nicht auf der Tagesordnung gewesen, anstelle dessen erfolgte ein einstimmiger Beschluss in diesem Haus, ein Mediationsverfahren abzuhalten und die gesamte Verbauung noch einmal zu überlegen. Es heißt in diesem Beschluss ausdrücklich – und ich halte das fest, weil dem ausdrücklich vom Stadtrat und auch vom Bürgermeister, der für die Umsetzung von Gemeinderatsbeschlüssen zuständig ist, nicht Folge geleistet wurde –, dass ein Mediationsverfahren durchgesetzt werden soll und alle betroffenen Interessenten eingebunden werden sollen, Anrainer und Nutzer des Anne-Karlsson-Parks beispielsweise.

 

Das ist nicht passiert. Es gab in Wahrheit kein Mediationsverfahren, sondern bestenfalls moderierte Gespräche, und es war für einzelne Wiener, für einzelne Anrainer nicht möglich, sich in diesen Prozess einzubringen. Entsprechend enttäuscht haben natürlich die Bürger reagiert, haben die Plattformen, hat die Agenda-Gruppe reagiert, hat letztendlich auch die ÖH reagiert mit einer Presseaussendung, die erst gestern zu lesen war, weil das natürlich keine Art von Bürgerbeteiligung ist, wie wir sie uns vorstellen. Es gab keine Ergebnisoffenheit, es hat keine Möglichkeit gegeben, auf die Mediatoren Einfluss zu nehmen, der Zeitdruck war ein viel zu großer.

 

Das Allerärgste aber war, dass man den interessierten Bürgern gesagt hat, ihr habt jetzt eigentlich nur die Möglichkeit, einen Kompromiss zu finden, eine Zustimmung abzugeben, euch auf irgendetwas zu einigen, denn wenn euch das nicht gelingt, dann kommt das Projekt in seiner ursprünglichen Form. Mit dem Rücken zur Wand hat man hier die interessierten Bürger auf den Projektbetreiber losgelassen, und das ist keine Form der Bürgerbeteiligung, die ernst zu nehmen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich habe am Anfang darauf hingewiesen, dass absolute Mehrheit für die SPÖ absolute Machtausübung bedeutet. Diese absolute Machtausübung scheint der Bezirksvorsteher zu praktizieren, obwohl er in seinem Bezirk die absolute Mehrheit gar nicht hat.

 

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