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Landtag, 17. Sitzung vom 23.11.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 84

 

auch zum Beispiel Einbürgerung gemäß § 58c, den es ja noch nicht so lange gibt. Wir haben im letzten Jahr 3 Mal so viele Staatsbürgerschaften verliehen wie in den Jahren davor, nämlich 10.586 Staatsbürgerschaften. Grundsätzlich ist natürlich diese Nachfrage zu begrüßen. Wir haben in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern noch immer eine niedrige Einbürgerungsquote, eine sehr niedrige, auf Grund der restriktiven Gesetze, die vor allem auch sehr, sehr kompliziert in der Anwendung sind und in vielen Bereichen für Betroffene und für die vollziehende Behörde sogar schikanös sind.

 

Warum gibt es aktuell diesen starken Anstieg? - Aus meiner Sicht hat er zwei Gründe. Der erste ist, dass viele, die 2015 zu uns geflohen sind, jetzt das erste Mal antragsberechtigt sind und Anträge stellen, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen, denn für diese Bevölkerungsgruppe hat die österreichische Staatsbürgerschaft eine große Bedeutung, auch rechtlicher Natur.

 

Das Zweite, was wir sehen, ist, dass durch den Krieg in der Ukraine bei manchen Bevölkerungsgruppen innerhalb von Wien eine verständliche Verunsicherung stattgefunden hat und diese Verunsicherung - das ist meine Hypothese, die aber auch unterstützt wird von Personen, die uns wissenschaftlich begleiten - dazu führt, dass mehr Anträge auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestellt werden - weil die Antragsteller jeweils selbst davon ausgehen, mit der österreichischen Staatsbürgerschaft hier mehr Rechte und mittelfristig auch mehr Perspektive zu haben, auch als innereuropäische nationalstaatliche Angehörige, die jetzt vermehrt die Staatsbürgerschaft beantragen.

 

Wir haben als Stadt noch unter meinem Vorgänger auch eine wissenschaftliche Studie zur Staatsbürgerschaft in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse vor Kurzem präsentiert worden sind, nämlich dass es eine sehr hohe Identifikation der Personen, die die Staatsbürgerschaft erlangen wollen, mit Wien und mit Österreich gibt und dass es je nach Herkunft sehr, sehr große Unterschiede gibt, ob die Staatsbürgerschaft in Österreich begehrt wird oder nicht.

 

Prinzipiell muss das Ziel sein, hier die Verfahren zu vereinfachen. Die sind extrem komplex. Die bundesgesetzliche Materie ist für die vollziehende Behörde bei einer steigenden Anzahl von Verfahren sehr, sehr schwierig anzuwenden. Darum braucht es einerseits bundesweit gesetzliche Reformen im Bereich der Staatsbürgerschaft, und auf der anderen Seite bemühen wir uns natürlich, im Vollzug so zügig wie möglich vorzugehen und auch schneller zu werden.

 

Was tun wir? - Es gibt eine laufende Personalaufstockung, nicht nur die angekündigte Sofortmaßnahme, die ich letztes Jahr präsentiert habe, sondern es gibt laufende Personalaufstockungen im Bereich der Einbürgerung in der MA 35. Hier muss man dazusagen, dass die Rechtsmaterie so komplex ist, dass die Einschulung für die Einbürgerung bis zu einem Jahr dauern kann. Wir sind hier im Personalaufbau immer ungefähr ein Dreivierteljahr hinter den politischen Entscheidungen hinterher, es gibt aber von der Stadtregierung mehr personelle und finanzielle Ressourcen für die MA 35, um vor allem im Bereich der Inlandseinbürgerung noch zügiger zu werden.

 

Neben der Personalaufstockung gibt es eine Optimierung der Arbeitsprozesse, nämlich Prozessanalysen in allen Kernprozessen der Einwanderung und eine Optimierung der Prozesse, um effizienter zu werden und Zeit zu gewinnen. Es gibt Arbeitsgruppen zur Verfahrensvereinfachung, nämlich hinsichtlich der Frage, ob wir in der Abwicklung der Verfahren auch einzelne Arbeitsschritte auslassen können. Da wird es einige Bereiche geben, wo wir Verfahren vereinfachen können. Da gab es auch intensiven Austausch mit NGOs, mit Rechtsanwälten, mit unterschiedlichen Personen. Die Hauptpunkte sind aber gesetzlicher Natur, dementsprechend würde es hier eine Gesetzesänderung brauchen.

 

Neben der Optimierung der Arbeitsprozesse gibt es intensive Schulungen, in der MA 35 sind es 17.800 Ausbildungsstunden in der Abteilung allein im Jahr 2022.

 

Wir haben die Digitalisierung vorangebracht. Im Bereich der Staatsbürgerschaft gibt es jetzt seit Herbst 2022 das erste Mal einen digitalen Akt, der eingeführt worden ist und der kurzfristig, das muss man auch ehrlich sagen, mehr Arbeit verursacht, aber mittelfristig natürlich die Verfahren beschleunigen wird. In Form von Effizienz sichtbar werden solche Digitalisierungsprozesse aber wahrscheinlich erst in mehreren Monaten oder einem Jahr. Darüber hinaus gibt es digitale Ticketing-Systeme, um auch da die KundInnenfreundlichkeit zu verbessern.

 

Also insgesamt zusammengefasst: Die Anzahl der Rückstände ist zu hoch, wir wollen sie weiter drücken. Sie ist in den letzten zwei Jahren gesenkt worden, und die Bemühungen sind weiter dahin gehend, die Verfahren so schnell wie möglich abzuwickeln, auch immer abhängig davon, wie viele Unterlagen bei der Einreichung übermittelt werden. Oft kommt es vor, dass sehr, sehr viel nachgefordert werden muss, auch auf Grund der komplexen Gesetzeslage. Daher ergeht zum Schluss mein Appell an die Bundesregierung, das Staatsbürgerschaftsgesetz zu novellieren, um auch da eine Verfahrensvereinfachung zu schaffen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Präsident Ernst Woller: Danke. Die 1. Zusatzfrage wird von Frau Abg. Aslan gestellt. Ich erteile ihr das Wort.

 

9.46.24

Abg. Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE): Danke für die Beantwortung, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter, und für die Informationen, die uns ja zum Großteil bekannt sind. Ich finde es halt immer wieder traurig, dass die Missstände in der MA 35 ständig mit den bundesgesetzlichen Bestimmungen argumentiert werden, denn das Problem sind hier nicht die bundesgesetzlichen Bestimmungen, das Problem ist das Behördenversagen der MA 35. Das muss bearbeitet werden, denke ich. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Meine Zusatzfrage richtet sich darauf - weil Sie eben von Reformen geredet haben -, dass es immer noch Missstände in Bezug auf die Terminvergabe für Erstinformationsgespräche gibt. Wir bekommen immer wieder Beschwerden im Sinne von: Wir brauchen ein Jahr, bis wir überhaupt bei der Behörde unsere Unterlagen einreichen können! - Wird es da Verbesserungen geben? Wenn ja, wann werden diese Verbesserungen eintreten? - Danke.

 

Präsident Ernst Woller: Ich bitte um Beantwortung.

 

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