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Landtag, 14. Sitzung vom 23.06.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 83

 

de Bewerbung abgelegt habe, aber dass es jetzt neue, andere Schwerpunkte in der Patientenanwaltschaft geben soll, hat er insbesondere darauf abgestellt, dass die juristische Seite der Tätigkeit künftighin betont und gestärkt werden soll. Um hier die Legendenbildung hintanzuhalten, will ich Ihnen sagen, dass sich die Bilanz der Erledigungen hinsichtlich der Entschädigungen einerseits durch den Patientenentschädigungsfonds, aber auch aus Haftungsfällen - also wo jemand tatsächlich Anspruch hat, dass sein Schaden, der einem Gesundheitsdienstanbieter vorwerfbar ist, außergerichtlich abgeglichen wird, und das ist ja unsere Aufgabe, wir arbeiten ja außergerichtlich - sehen lassen kann. Das ist mir wichtig, Ihnen zu sagen, weil es würde die Juristen und Juristinnen und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die auch im Pflegebereich Mittel erstreiten, zu Recht Mittel für die Patienten und Patientinnen erstreiten, kränken, wenn man hier stehen ließe, dass wir zu wenig in diesem Bereich gemacht hätten.

 

Ich will es Ihnen deutlich machen: Die Geschäftsfälle 2007 bis 2011, also die jetzt letzte Periode vor meiner Amtszeit: Unter der Leitung eines honorigen Juristen gab es 13.000 Geschäftsfälle. Ich vergleiche das jetzt mit meiner vorangegangenen zweiten Amtsperiode 2017 bis 2021: Da gab es 18.000, also 5.000 Geschäftsfälle mehr. Ich will nur dazusagen: Mit einem nahezu personell nicht aufgestockten Team haben wir diese Mehrarbeit gestemmt, und ja, es ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass ich mich öffentlich für Patienteninteressen stark gemacht habe. Es haben schlicht und einfach Leute angerufen und gesagt: „Frau Pilz, ich habe Sie gestern im Radio gehört, im Fernsehen gesehen, Sie haben jenes oder dieses gesagt, das hat mich motiviert, meine Rechte hier zu beanspruchen und bei Ihnen nachzufragen, ob Sie mir helfen können.“

 

Ja, ich sehe es als meine Aufgabe, die Öffentlichkeit über unsere Möglichkeiten zu informieren, zu sagen, was wir tun, was man hier bekommen kann, und das hat sich in Mehrarbeit für uns alle, für mein Team und auch für mich niedergeschlagen. Vergangenes Jahr hatten wir rund 4.000 Akten zu erledigen. 4.000 Akten sind aus diesen Anfragen, die an uns gerichtet wurden, zu bearbeiten gewesen, und ich bedanke mich bei meinem Team, dass sie nicht an diesem Zuwachs, auch an diesem Zuwachs in der Pandemie, der uns wirklich sehr, sehr beschäftigt hat, verzweifelt sind. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, GRÜNEN und NEOS.)

 

Und weil es um die juristische Kompetenz gehen soll, noch etwas, damit sich mein Team nicht kränken muss: In den Jahren 2007 bis 2011, also im letzten Zeitraum meines Amtsvorgängers, wurden 5,8 Millionen EUR an Mitteln aus Haftungsfällen erstritten, in der jetzt vergangenen 5-jährigen Periode 2017 bis 2021 über 9 Millionen EUR - das ist ein Zuwachs von rund zwei Dritteln.

 

Mein juristisches Team, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch aus der Pflege haben gut gearbeitet, haben juristisch hervorragend gearbeitet und viel erstritten. Im Kerngeschäft der Patientenanwaltschaft, nämlich der Behandlung von Schadensfällen, haben wir uns gesteigert, verbessert, mehr erreicht - also am Juristischen soll es nicht liegen. (Beifall bei ÖVP, GRÜNEN und NEOS.)

 

Ich will aber daran erinnern, dass ich, wie jeder Patientenanwalt vor mir und nach mir, einen gesetzlichen Auftrag habe, der nicht nur die Behandlung von Beschwerden bedeutet, sondern auch die Aufklärung von Missständen, das Abgeben von Empfehlungen und das Erteilen von Auskünften und noch ein paar andere Aufgaben. Wenn man jetzt also meint, künftighin muss man über Missstände nicht reden, oder es würde genügen, wenn man intern versucht, Interessensausgleich zu machen, dann weiß ich nicht, wie man diese Aufgabe erfüllen kann. Missstände sind Missstände, und die gehören als solche auch bezeichnet, auch dann, wenn es gewissen Playern im Gesundheitswesen nicht gefällt. Wenn die Patientenanwaltschaft das nicht tut, dann verfehlt sie ihre Aufgabe (Beifall bei den GRÜNEN.), und dazu bestellt die Stadt eine weisungsfreie, unabhängige Persönlichkeit, damit sie alle Aufgaben erfüllt und sich nicht darauf beschränkt, Einzelfälle abzuarbeiten.

 

Was waren die Missstände, um die es in der Vergangenheit gegangen ist? Ich greife nur wenige heraus, nämlich Dinge, die sich für die Patienten im Einzelfall nachträglich ausgezeichnet haben und wo einzelne Personen oder viele Personen Schaden erlitten haben, weil diese Aufgabe nicht im ausreichenden Maß erledigt wurde beziehungsweise, weil die Hinweise der Patientenanwältin nicht zu einer Veränderung geführt haben.

 

Ich spreche jetzt von der Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich: Es ist ein Ärgernis, dass man nach wie vor damit zufrieden ist, dass sich die Ärztekammer durch eine Tochter der Ärztekammer selbst evaluiert. Da kriegen die Ärzte einen Fragebogen, können sagen: Habe ich gut gemacht! Habe ich schlecht gemacht! - Wie sie für sich meinen, dass sie es richtig machen. Und nur in 7 Prozent der Fälle gibt es dazu Stichproben. Der Rechnungshof hat bestätigt und herausgefunden, dass 7 Prozent überprüft werden, aber dann bei 18 Prozent tatsächlich Fehler entdeckt wurden. Das System kann also gar nicht in dem Ausmaß funktionieren. Das System ist intransparent und wird komplettiert durch den Umstand, dass es auch keine Diagnosecodierungen im niedergelassenen Bereich gibt, dass man schlicht und einfach nicht draufkommt, wenn Ärzte zu spät diagnostizieren, wenn Ärzte fehldiagnostizieren oder wenn sie schlicht und einfach eine falsche Therapie verordnen.

 

Gut, dass der Verfassungsgerichtshof jetzt den Auftrag erteilt hat, die Qualitätssicherung neu zu organisieren. Das Ärztegesetz war diesbezüglich nicht verfassungskonform und es muss eine Neugestaltung geben. Der Bund ist beauftragt, die Österreichische Ärztekammer hat diese Aufgabe verloren, und jetzt soll das durch den Bund neu organisiert werden. Es ist Aufgabe der Patientenanwälte und -anwältinnen, draufzuschauen, dass da jetzt ein System der unabhängigen externen Qualitätsüberprüfung etabliert wird, und es ist gut, dass die Landes-Gesundheitsreferenten sich darauf verständigt haben, das zu tun.

 

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