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Landtag, 8. Sitzung vom 24.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 68

 

dass es ein respektvoller Erweis der Tätigkeiten und der Taten der Familie Rothschild ist.

 

Deswegen möchte ich noch einen letzten Appell an alle anwesenden Abgeordneten von SPÖ und NEOS sowie an den Herrn Bürgermeister und an die gesamte Stadtregierung richten: Bitte hören Sie mit diesem sehr fragwürdigen Umgang auf und gewähren Sie den Nachkommen der Familie Rothschild ein Mitsprache- und ein Mitwirkungsrecht durch die Wiedereinsetzung des Stiftungskuratoriums, das seit 1945 von der MA 40 geführt wird, damit es neu organisiert und auf saubere Beine gestellt werden kann. - Vielen Dank.

 

Präsident Mag. Manfred Juraczka: Herr Abgeordneter, für den Fall einer etwaigen Zweitmeldung haben Sie eine Restredezeit von elf Minuten und zehn Sekunden. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Schmid. Ich erteile es ihm.

 

12.00.33

Abg. Dr. Gerhard Schmid (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Landesrätin! Herr Landesrat! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich glaube, der vorliegende Bericht zeigt in seiner beeindruckenden Tiefe wirklich in einer großartigen Art und Weise, wie wichtig dieses Zusammenwirken von Wissenschaft und Politik ist und sein kann. Politik und Wissenschaft können ein großartiges wechselseitiges Verhältnis eingehen. Sie zeigen in diesem Bericht, der in so umfassender Weise und mit so großem Tiefgang erarbeitet wurde, einen Spiegel der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, der wunderbar vermittelt wird, weil wir die gelebte Geschichte aus diesem Bericht herauslesen.

 

Daher halte ich es für richtig und notwendig, dass man sich entschieden hat, diese sehr heikle und sensible Thematik einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen. Das ist mit dieser Studie auch dahin gehend gelungen, dass Menschen unserer Generation ja die Verpflichtung haben, aus der Geschichte die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Das ist eine Verantwortung, die wir von den uns vorausgegangenen Generationen mitgenommen haben, wir sind aufgerufen, sie mitzunehmen. Was mich persönlich beeindruckt hat, war die Zusammensetzung der Kommission, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unterschiedlichsten Zugängen, vor allem in der historischen Materie, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, mit unterschiedlichen Biographien, sodass schon auf Grund der Tatsache der Zusammensetzung der Kommission klar sein konnte, dass da eine sehr weite und breite Sicht der Materie hergestellt werden kann.

 

Wenn Sie sich die Thematik im Detail anschauen, dann genügt einmal nur der Blick aufs Inhaltsverzeichnis und Sie sehen, welche Detailfragen da angegangen wurden und welche Detailfragen Berücksichtigung gefunden haben. Wenn wir uns dann das Jahr 1905 anschauen, eine Zeit der Polarisierung, eine Zeit, in der auch in Wien der Nationalitätenkonflikt der alten Monarchie an allen Ecken und Enden spürbar war, in der Antisemitismus praktisch bei vielen Menschen zum Umgangston des täglichen Lebens gehört hat und Antisemitismus auch ein Instrument der Politik geworden war.

 

Ich möchte Frau Stadträtin, heute Landesrätin, auch ganz herzlich für die Auseinandersetzung mit der Lueger-Problematik danken, wobei es darum gegangen ist, sozusagen einen Kontrapunkt zu setzen. Daher ist diese Stiftung des Freiherrn von Rothschild im Jahr 1905 vor diesem historischen Hintergrund nicht genügend zu schätzen, denn das ist ein klares Zeichen von politischem Humanismus gewesen, das ist auch ein klares Zeichen der Toleranz gewesen. Wenn jemand mit einem jüdischen Hintergrund im Jahr 1905 sagt, ich setze da Stiftungsvermögen ein, ja, das mittellosen Menschen zu Gute kommen soll, wurscht, welche Nationalität sie haben, wohlgemerkt am Höhepunkt des Nationalitätenkonfliktes, wurscht, aus welchen sozialen Milieus sie kommen und welche religiöse Gesinnung sie haben, es soll für alle da sein und diesen Zweck erfüllen, dann war das eine für diese Zeit extrem mutige Entscheidung und ein Akt der Toleranz und Humanität von jemandem, den wir heute, wahrscheinlich auch in meiner Gesinnungsrichtung, als Großkapitalisten bezeichnen würden.

 

Das wäre eine Aufforderung an alle jene, die jetzt große Kapitalvermögen scheffeln, sich heute noch ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu werden, was sie bewusst aber nicht tun. Dieses Beispiel aus der Geschichte könnte da auch schon sehr, sehr wichtig sein. Die Abhandlungen ersparen wir uns jetzt. Dass das Stiftungsvermögen durch die Hyperinflation der 20er Jahre gelitten hat, dass man dann später auf das Vermögen zugreifen musste, um die Einrichtungen am Leben zu erhalten, dass schlussendlich in den 20er Jahren die neu aufkommenden Krankenkassen ein soziales Gesundheitssystem sozusagen auch sichern konnten, sei als Anmerkung hinzugefügt.

 

Im Nationalsozialismus hat es ja dann die Zwangsauflösung vieler Stiftungen gegeben. Die Historiker haben diese Frage sehr detailliert und sehr genau und sehr präzise untersucht und sind zum Ergebnis gekommen, dass es sich um keine Arisierung handelt. Aber sie sind auch zum Ergebnis gekommen, dass vermutlich auch ein politischer Kriminalfall dahintersteckt, weil sie vermuten, dass vor allem Wertpapiervermögen direkt in die NSDAP übertragen wurde und man wahrscheinlich auch aus heutiger Sicht gar nicht ausschließen kann, dass sich damals führende NSDAP-Funktionäre auch persönlich bereichert haben. Aber das alles ist im Bericht detailliert dargestellt.

 

Ich glaube, es ist wichtig und ein gutes Zeichen, dass die Stadt Wien im Rahmen vieler Aufarbeitungsinitiativen - es sind die Ehrengräber, es sind die Straßenbezeichnungen, und so weiter, das wurde heute bereits genannt - diese Initiative gesetzt hat Es gibt aber viele andere punktuelle Aufarbeitungen in sensiblen Bereichen unserer Geschichte, die aber kritisch und offen und ohne Scheuklappen erfolgen müssen. Das ist gut so, dass es das gibt, und das ist auch entsprechend hervorzuheben. Dass es im Jahr 1945 oder in der Zeit nach 1945 ja auch verschiedene Aufrufe gegeben hat, auch im Zuge der Arisierung, und da keine Meldungen erstattet wurden, das ist ja auch aus dem Bericht deutlich zu erkennen.

 

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