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Landtag, 42. Sitzung vom 28.01.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 72

 

dass Sie den anwesenden Mandataren Ihre Wertschätzung entgegengebracht haben, und es auch ein gutes Signal war, dass Sie alle hier mit Handschlag begrüßt haben.

 

Das war früher nicht der Fall, ist ein gutes Zeichen. Und wenn Sie hier an der Debatte teilhaben, möchte ich in Ihre Richtung auch zwei Wünsche mit auf den Weg geben, die Sie betreffen.

 

Das Erste wäre vielleicht, dass Sie Ihre Kontakte entsprechend nutzen, damit zumindest der ORF, das Studio Wien, dieser Debatte entsprechenden Raum widmet. In den letzten Jahren, in denen ich hier das Wort ergreifen konnte, hatte man den Eindruck, dass diese Debatte völlig unter den Tisch gekehrt wird. Es ist für Leute, die ohnehin viel reisen und unterwegs sind, schwierig, hier das Wort zu ergreifen und dann nicht die mediale Publizität haben, die dem eigentlich gebühren sollte. Warum nicht einen Livestream machen? Diese eineinhalb Stunden werden die Wienerinnen und Wiener sicher schätzen ... wie es auch in Fragen der Europapolitik weitergeht. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Und der zweite Punkt, den ich dem Herrn Bürgermeister mit auf den Weg geben möchte, betrifft Ihre Parteienfamilie, nicht Sie direkt, aber Ihre Parteienfamilie, die Sozialdemokratie: Es hat sich jüngst im Europäischen Parlament etwas ereignet, das man eigentlich gar nicht glauben mag, und das aus meiner Sicht so kritikwürdig und so hanebüchen ist, dass ich es hier auch nicht verschweigen möchte.

 

Sie wissen, dass das Europäische Parlament jetzt noch aus 751 Mandataren aus 28 Nationen zusammengesetzt ist. Nicht wenige dieser Mandatare haben vor sich stolz ein kleines Fähnchen, das ihre Herkunft visualisiert, stehen. Ob das die Deutschen sind, ob das die Briten sind, die Österreicher, die Esten, die Letten, wer auch immer: Manche haben es und manche haben es nicht. Der Vorsitzende des Hauses, Präsident Sassoli, ein Sozialdemokrat, hat es den Mandataren untersagt, dieses kleine Zeichen ihrer nationalen Herkunft vor sich auf dem Tisch zu postieren, was auch entsprechend für einen großen Sturm der Entrüstung gesorgt hat.

 

Ich darf schon daran erinnern, dass es nicht Mandatare sind, die von der Europäischen Bürgerfamilie gewählt werden, sondern dass es Mandatare sind, die aus ihrer nationalen Wählerschaft heraus ein Mandat erhalten haben und dass es doch bitte nicht verwehrt sein kann, ein kleines Rot-Weiß-Rot-Fähnchen vor sich postieren zu können. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn sich das nicht ändern und sich bewahrheiten sollte, dass das wirklich verboten wird, auf seinem Platz ein Rot-Weiß-Rot-Fähnchen stehen zu haben, werde ich die Sozialdemokratie in den kommenden Jahren nicht aus der Verantwortung entlassen, dass Sie Derartiges dulden.

 

Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute über 25 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Ich möchte Ihnen allen hier etwas unterstellen, und zwar jedem Einzelnen: Dass Sie an den ursprünglichen Zielen des Europäischen Einigungswerkes, ja, genauso Interesse haben, wie jeder Mensch, der sich vernünftig den Dingen der Welt stellt, nämlich, dass wir auf unserem Kontinent nach dem Krieg drei Ziele vor Augen haben: Frieden, Freiheit und Wohlstand - möglichst für alle - zu generieren. Die einzige Geschichte, über die wir in der Europäischen Union ernsthaft und durchaus mit Konfliktlinien diskutieren, ist, wie, in welchem Ausmaß, auf Basis welcher Regeln diese Ziele verfolgt werden sollen.

 

Ich kenne da niemanden, der an zerstörerischen Intentionen festhalten würde. Ich kenne niemanden, der Schlechtes im Bereich der repräsentativen Demokratie für den Kontinent möchte. Es geht rein darum, das Regelwerk entsprechend zu definieren und das Verhältnis der supranationalen mit der nationalen Ebene, das Verhältnis eines Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente und auch das Ausmaß der direkten Demokratie entsprechend auszutarieren, damit dieses Werkel wieder funktioniert.

 

Sie müssen das aus der Vergangenheit her entsprechend anschauen, wohin diese Europäische Union gegen den Widerstand von Mehrheiten in Ländern entwickelt wurde. Es hat mit dem Maastricht-Vertrag begonnen. Sie wissen, dass es da eine Volksabstimmung gab, nicht bei uns, aber es gab sie in Dänemark. Die ging in die Hose. Was hat man gemacht? Man hat die Volksabstimmung wiederholt.

 

Dann war der nächste große Markstein der Zentralisierung, indem man eine Europäische Verfassung ins Leben rufen wollte. Und es gab wieder ein Referendum. Diesmal waren es die Franzosen, die diesem Ansinnen mit einer Mehrheit die Absage erteilt haben. Jetzt ist die Europäische Union heute drauf und dran, Abstimmungen möglichst zu wiederholen, andere Wege zu suchen, aber in einer Agenda der Zentralisierung festzuhalten. Nach dem Scheitern einer Europäischen Verfassung ist man daran gegangen, den Lissabon-Vertrag, der komplett anders klingt, zu etablieren und 90, 95 Prozent dessen, was die Europäische Verfassung beinhaltet hat, in dieses Vertragswerk überzuführen.

 

Blöderweise war es so, dass in Irland eine Abstimmung, ein Referendum darüber zwingend war. Wie ging diese Abstimmung aus? Sie erinnern sich vielleicht? - Negativ. Dann ist man mit Propagandamillionen hineingegangen, hat Erwartungen geschürt, die nicht gehalten werden konnten. Man hat eine zweite Abstimmung gemacht. Bei der zweiten Abstimmung ist es dann gut ausgegangen, gut im Sinne jener, die zentralisieren wollen, die den Staaten immer mehr Kompetenzen rauben wollen, auch den Parlamenten immer mehr an Kompetenzen rauben wollen, die direkte Demokratie möglichst zurückfahren wollen. Die haben gewonnen und die anderen haben verloren.

 

Dann gab es 2016 erneut einen Markstein. Die Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union. Und es geschah das, womit eigentlich niemand - ich auch nicht - gerechnet hat: Dass eine demokratische Mehrheit für den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union votiert hat. Ab dem Zeitpunkt hat man gemerkt, die europäische Nomenklatura will das eigentlich gar nicht zur Kenntnis nehmen und sucht nach Möglichkeiten, dieses Ergebnis wieder mit dem Trick einer zweiten Abstimmung zu unterlaufen,

 

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