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Landtag, 40. Sitzung vom 20.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 76

 

Ich möchte zum Abschluss kommen. Nehmen wir den heutigen Tag als Anlass, die Widersprüche, die sich immer wieder stellen, aufzustellen. Heute vor 30 Jahren wurden die Kinderrechte unterzeichnet. Wir dürfen das feiern. Die Zeitungen schreiben darüber. Es geht darum, das Sensibilisieren oft in unsere Herzen schwierig und in unsere Hirne ganz schwer hineinzubekommen. Aber wir feiern die Konvention, einen rechtlich bindenden Vertrag. Dieser Vertrag besagt in Art. 2, dass Kinderrechte für alle Kinder gelten. Ich glaube, egal, welches Geschlecht ein Kind hat, woher es kommt und welche Religion es hat, es gilt immer als Kind. Das sollten wir entsprechend bemerken. In Art. 19 sagen wir, dass alle Kinder geschützt werden müssen, und in Art. 24, dass Kinder gesund aufwachsen sollen. Es braucht eine umfassende, es braucht eine ordentliche Kinderpolitik. Wir in Wien versuchen das. Wir hoffen, es in Österreich auch weiterzumachen. Wir, das sind eben auch die Menschen, die es seit 30 Jahren verabsäumt haben, das zu tun. Lassen Sie es uns gemeinsam weiter gutmachen oder wiedergutmachen! Lassen Sie uns alle Widersprüche beseitigen! Lassen Sie uns jedem Kind die gleiche Chance auf ein glückliches Leben in Würde geben! - Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Präsidentin Veronika Matiasek: Als nächster Redner ist Herr Abg. Mag. Hobek zum Wort gemeldet. Bitte.

 

11.08.58

Abg. Mag. Martin Hobek (FPÖ)|: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf den Rängen und daheim vor den Bildschirmen!

 

Zwei Mitglieder meines Haushalts werden heute 103. Das ist ein hoffnungsfrohes Alter, denn es handelt sich nicht um 103 Jahre, sondern um 103 Tage. Auch wenn man schon vorher kinderfreundlich war, in den letzten Jahren Onkel von einigen Nichten und Neffen wurde, so schärft sich die Sichtweise doch schlagartig. So bekommt auch die UN-Kinderrechtskonvention plötzlich eine viel konkretere persönliche Bedeutung. Ihr Inhalt ist immer noch aktuell, weil zeitlos. Manche Herausforderungen leider auch. Manche haben sich gewandelt.

 

1987, also knapp vor der Konvention, war ein Ohrwurm von Suzanne Vega um die Welt gegangen. „Luca“ erzählte von häuslicher Gewalt gegen Kinder, die den Nachbarn nicht verborgen bleibt. Der Vorname Luca nahm daraufhin in Österreich eine steile Karriere, wie einige Jahre später auch der Vorname Kevin. Aber geändert hat sich vorerst nichts.

 

Es wurde weiterhin weggeschaut und weggehört. In den 1990er Jahren erschütterte der Dutroux-Skandal ganz Belgien in seinen Grundfesten. An den österreichischen Stammtischen blieben die Belgier-Witze mit den unfassbaren Causae von Wolfgang Priklopil und Josef Fritzl in den Hälsen stecken. Diese Fälle internationaler Aufmerksamkeit und Tragweite haben aber immerhin einiges bewirkt. Dass ein deutsch-französischer EU-Abgeordneter in einem seiner Bücher wollüstig schwadroniert, wie ihm kokette Kindergartenkinder an die Unterwäsche gehen, einige seiner Parteigenossen sich offen als Pädophile bekennen und für eine Lockerung von Kinderschutzgesetzen kämpfen, wäre heute gottlob nicht mehr möglich. Und dass ein Schweizer Literat einen Preis in Kärnten bekommt, weil er in seinem Text mit großem Genuss serienweise Säuglinge vergewaltigt, ist mittlerweile auch undenkbar. Die aktuelle Diskussion um den Verein Original Play zeigt die grundsätzlich positive Entwicklung: Im Zweifelsfall besser zu vorsichtig als zu nachlässig. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Im weltweiten Vergleich verfügt Österreich über ein großartiges Sozialsystem, auch was Kinder betrifft. Das darf uns aber nicht dazu verleiten, sich selbstzufrieden auszuruhen. Das betrifft vor allem auch uns Politikerinnen und Politiker. Auch bei uns gibt es Kinderarmut. Um ein allgemein bekanntes Beispiel zu nennen: Wir sind uns einig, dass eine gute Ausbildung eine fundamentale Basis für den späteren Lebensweg bedeutet. Da wäre es vielleicht zu hinterfragen, ob es vorrangig wichtig ist, seinen Vornamen tanzen zu können.

 

Oder ein anderes aktuelles Stichwort: die Neonatologie im AKH. Einer meiner Buben landete unmittelbar nach der Geburt dort. Ein Problemfall, wie uns geschildert wurde. Umso besorgter waren wir, als wir seinen Platz drei Tage später leer vorfanden. Er war auf die Kinderchirurgie verlegt worden, erfuhren wir. Auf der Kinderchirurgie lag meine Frau auf einer Art Feldbett und musste sich, wenn ich einmal gerade nicht da war, das Essen selbst vom Gang holen. So viele und so große Unterschiede im selben Haus. Die windeseilige Verlegung aus der Neonatologie konnten wir uns erst nach der „Falter“-Titelgeschichte erklären. Wenn sogar ein nicht gerade stadtregierungskritisches Medium die dramatischen Hilferufe eins zu eins transportiert, dann sollte uns das Auftrag im Interesse unserer Neugeborenen sein.

 

Auch für unsere Kinder steckt der Teufel manchmal in einem Detail, das durch die engmaschigen Netze des Sozialsystems schlüpft. Ich begleite seit nunmehr fast drei Jahren einen Fall, mit dem ich in einer meiner Sprechstunden befasst worden bin. Der kleine J. - voller Name und Adresse dem Redner wohl bekannt - kommt, wie viele andere Kinder, in Wien auf die Welt. Die Eltern sind nicht verheiratet. Die Mutter ist bosnische Staatsbürgerin. Der Vater ist Österreicher. Der Vater überlässt alle Formalitäten der Mutter, die aber mit dem eigenen Leben selbst kaum zurechtkommt. Resultat: J. verfügt über keinerlei Staatsbürgerschaft. Er ist jetzt fast 17, konnte sich bis zuletzt an keiner Schule anmelden, konnte keine Arbeit bekommen und nicht ins Ausland fahren. StR Czernohorszky und sein Büro wurden nach einem Hilfeersuchen dankenswerterweise tätig. Aber trotzdem muss J. als waschechtes Wiener Kind, jetzt als offiziell Staatenloser, um seine Einbürgerung kämpfen. Als ich im AKH die Geburtsurkunden und Staatsbürgerschaftsnachweise für meine beiden Burschen besorgte, musste ich an J. denken, für den Selbstverständliches alles andere als selbstverständlich war. Wäre er unter 14 Jahren gewesen, wäre es für ihn viel einfacher gewesen, aber bei Weitem noch nicht ganz einfach, wenn die Eltern nicht - unter Anführungszeichen - funktionieren.

 

Das ist auch meine Überleitung zum Schlusssatz. Wir alle sind gefordert, die UN-Kinderrechtskonvention mit

 

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