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Landtag, 29. Sitzung vom 25.10.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 34

 

möglichst flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschule ausgesprochen hat. Das haben wir in den Jahren darauf mit sehr viel Energie, auch mit sehr viel Geld und mit sehr viel pädagogischem Engagement betrieben, natürlich gesetzeskonform im Pflichtschulbereich auf Grund der geltenden Rechtslage.

 

Ich möchte die Frage kurz beantworten und natürlich auch begründen: Diese Vorgangsweise und diese rechtliche Basis wollen wir in Zukunft beibehalten und nicht ändern, weil sie für uns als Stadt eine langfristige und bedarfsgerechte Planung ermöglichen und auch die notwendige Steuerung ermöglichen, damit man eben ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot machen kann, und zwar sowohl an ganztägigen Schulen mit verschränkter Form als auch an Schulen mit einer getrennten Abfolge von Unterrichts- und Betreuungsteil.

 

Ich möchte aus meinem Herzen keine Mördergrube machen, für mich ist anzumerken, dass besonders das Modell der ganztägigen Schulform in verschränkter Form international, aber auch in Österreich eines ist, das pädagogisch viel mehr Möglichkeiten hat, besonders auch für die Förderung von Kindern, die noch mehr Förderung brauchen. Jedenfalls ist die Steuerung für die Stadt Wien wichtig, besonders auch, weil ein weiterer Ausbau notwendig ist. Die Zahlen bis jetzt sind meiner Meinung nach gut, lassen sich vor allen Dingen im Österreichvergleich mehr als sehen. Wir haben derzeit beispielsweise von den 216 Volksschulen der Stadt Wien fast 50 Prozent als ganztägige Schulformen geführt, wobei davon wiederum rund die Hälfte in verschränkter Form geführt wird. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass 75 Prozent keine verschränkten Ganztagsschulen sind. Stellt man in den Raum - man hört das manchmal in der Diskussion -, es gebe keine Wahlfreiheit oder die Eltern werden in irgendeiner Form zu einer verschränkten Ganztagsschulform gezwungen, dann bitte ich erstens einmal um Verständnis dafür, dass wir von einer flächendeckenden, nicht ausweichbaren Situation sehr, sehr weit entfernt sind. In drei Bezirken in Wien gibt es sogar überhaupt keine öffentliche Ganztagsvolksschule in verschränkter Form. Ich ersuche auch darum, sich die Ganztagsschulen vor Ort anzuschauen, denn das sind großartige Beispiele dafür, wie Schule funktionieren kann.

 

Das alles ist für mich eher ein Grund, zu sagen, wir müssen diesen Weg weitergehen, wir müssen ihn auch mit großer Energie weitergehen, da es auch im Hinblick auf die Bildungsqualität der beste Weg für die Kinder ist. Vielleicht noch als Zusatzzahl, wenn man so will, als Zusatzservice: Im Bereich der Mittelschulen kommen wir auch ungefähr auf diese Zahl, die Hälfte aller Standorte werden als ganztägig geführt, allerdings sind nur 6 Prozent der NMS in Wien Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht.

 

Ich bitte Sie, vielleicht noch einmal dezidierter - vielleicht vor Ort einmal -, sich die funktionierenden Ganztagsschulen anzuschauen, um auch ein bisschen die Ängste vor diesem Schulmodell abzulegen. Wir erfahren gerade bei den Campusschulen, die wir eröffnen, die selbstverständlich auf dieses Modell bauen, dass sie sich sehr, sehr hoher Beliebtheit auch in der Elternschaft erfreuen. In dieser Frage ist also sicher kein Platz für Alarmismus. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Präsident Ernst Woller: Die 1. Zusatzfrage wird von Herrn Abg. Ellensohn gestellt. Ich erteile ihm das Wort.

 

9.44.20

Abg. David Ellensohn (GRÜNE): Herr Landesrat!

 

Es ist gerade wieder die aktuelle OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ erschienen, in der unter anderem wieder einmal darauf hingewiesen wird, dass nicht nur in Österreich oder nicht nur in Wien, sondern überall Bildung natürlich auch sehr viel mit der Herkunft zu tun hat, dass Bildung zu einem guten Teil vererbt wird, Akademikereltern bekommen Akademikerkinder und andersrum. In Österreich ist dieser Effekt besonders stark ausgeprägt. Sehen Sie irgendeinen Zusammenhang mit den Punkten, die in der Frage angesprochen wurden, wie zum Beispiel gemeinsame Schule, Ganztagsschule, oder nicht?

 

Präsident Ernst Woller: Bitte, Herr Landesrat.

 

Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: Danke für die Frage. Es stimmt, die OECD-Studie „Equity and Quality in Education“ ist von den Erkenntnissen her leider nicht neu. In Wirklichkeit ist einem in der Bildungssoziologie seit den Studien von Pierre Bourdieu bewusst, dass Schule oft, und zwar in allen Ländern, die wir kennen, neben der Tatsache, dass Kinder lernen, eine sehr unerwünschte Funktion hat, nämlich die Funktion der Fortschreibung von Unterschieden und unterschiedlichen Chancen, die es in der Gesellschaft schon gibt. Wir sind der Überzeugung, genau das ist ein unglaublicher Missstand und man muss alles machen, um gerade Kindern, deren Rucksack besonders groß ist, zu helfen. Gerade Kinder, deren Elternhaus weniger förderlich ist, gerade Kinder, bei denen die Eltern vielleicht auch nicht imstande sind, beim, wenn man so will, Ausräumen dieses Rucksacks, im wahrsten Wortsinn, aber auch im übertragenen Sinne, zu helfen, brauchen mehr Förderung, damit sie durch die Schule mehr Chancen bekommen, als sie vorher haben. Es ist schon dramatisch, dass die OECD-Studien in großer Regelmäßigkeit immer wieder nachweisen, dass es in Österreich leider so wie in allen Ländern ist, nämlich dass Kinder, die einen schweren persönlichen Rucksack mitschleppen, es schwieriger in der Schule haben und dass diesen Kindern die Last der Herkunft von den Schulsystemen schlecht abgenommen wird. Diese Situation ist in Österreich besonders stark ausgeprägt. Das betrifft laut der aktuellen OECD-Studie unterschiedliche Bereiche, wie zum Beispiel den Leistungsabstand. Der Leistungsabstand zwischen dem Durchschnitt der benachteiligten Kinder und der weniger sozial benachteiligten Kinder ist in Österreich größer als in vergleichbaren Ländern. Es betrifft auch den Anteil der Leistungsunterschiede, den man auf die sozioökonomische Stellung der Eltern zurückführen kann. Dieser ist in Österreich größer als in den OECD-Ländern. Und es ist leider auch so, dass es in Österreich weniger Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten in PISA-Spitzengruppen schaffen, viel weniger als in nordischen Bildungssystemen. Das Ganze hat sehr viele unterschiedliche Gründe, aber einige Gründe werden auch immer wieder von Bildungswissenschaftlern und von der

 

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