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Landtag, 2. Sitzung vom 17.12.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 85

 

derösterreich zum Wohle der dortigen legislativen Zustände das Präsenzrecht im Landtag haben wollen. Darauf hat der Landtagspräsident von Niederösterreich nicht offiziell, aber anlässlich einer Begegnung mir gegenüber erklärt, dass man die Volksanwaltschaft eigentlich abschaffen sollte. – Das ist im Gesamtbereich einer möglichen Denkskala eine nicht unoriginelle Bemerkung!

 

Kurz noch zur Statistik: Im Jahr 2014 gab es 1.176 Beschwerden betreffend die Wiener Landes- und Gemeindeverwaltung, also einen Anstieg gegenüber dem Jahr 2013 mit damals 1.063 Beschwerden. Das ist eine Erhöhung um etwas mehr als 10 Prozent. Seit 2010 nimmt die Zahl der Beschwerden ständig zu. Die häufigsten Beschwerdethemen in Wien sind Probleme im Zusammenhang mit der Mindestsicherung, der Jugendwohlfahrt, der Staatsbürgerschaft – nämlich betreffend die Dauer der Verfahren, die dramatisch ist – sowie mit dem Bau- und Raumordnungsrecht.

 

2014 konnten von den eingeleiteten Prüfverfahren 968 und 268 aus dem Vorjahr übernommene abgeschlossen worden, es gab also insgesamt 1.236 Beschwerdeerledigungen. In knapp 10 Prozent der Fälle wurden Missstände in der Verwaltung festgestellt. In absoluten Zahlen handelt es sich also um 73 Missstände, in 689 Fällen wurde keine Beanstandung ausgesprochen. In den restlichen Fällen war keine Zuständigkeit der Volksanwaltschaft gegeben.

 

Ich füge in Klammer hinzu: Die Leute glauben, dass wir auch für Gerichtsentscheidungen und derlei Angelegenheiten zuständig sind, und man kann ja nicht verlangen, dass in der Bevölkerung ein präzises Wissen über den Unterschied zwischen der unabhängigen Rechtsprechung und der Verwaltung besteht.

 

Wir sind aber jedenfalls für alles offen, und wir erklären den Leute zumindest, warum etwas nicht geht, und damit sind wir in sehr hohem Maß eine Art Pazifizierungsamt für nicht mögliche Erledigungen, und die Leute haben jedenfalls etwas davon, wenn ihnen etwas ordentlich erklärt wird.

 

Im Übrigen wir hatten wir im Betrachtungszeitraum 1.1.2015 bis 15.12.2015 1.228 Beschwerdefälle, die Zahl ist also schon wieder gestiegen.

 

Im Bereich der Menschenrechtskontrolle haben wir von 1.7.2012 bis 15.12.2015 insgesamt 1.501 Kontrollen durchgeführt. Dabei geht es um nicht freiwillige Anhaltung, Beobachtung von Demonstrationen und Zwangsakte. Von diesen 1.501 Geschäftsfällen entfallen 493 auf Wien, das sind 32,8 Prozent.

 

Ich danke vielmals auch für Ihre Aufforderung, dass man die Berichte der Volksanwaltschaft auch tatsächlich lesen sollte! Ich lade Sie nochmals dazu ein, das nicht zu vernachlässigen, denn wenn man die Berichte liest und die Homepage betrachtet, dann weiß man, wie ich jetzt sagen möchte, was in der Republik los ist. Daraus ergibt sich wirklich ein Querschnitt wie in einem geologischen Befund mit leichter Oberfläche, aber auch mit Tiefenwirkung, wenn Sie mir diesen Euphemismus gestatten.

 

Vor allem möchte ich hier auch unterstreichen – und bitte Sie, auch unterstützend hinsichtlich des Gedankens zugange zu sein –, dass wir die Prüf- und Kontrollbefugnis auf ausgegliederte Rechtsträger im gleichen Maße ausdehnen wollen, wie dies dem Rechnungshof zukommt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

 

Es ist nämlich eine offenkundige Tatsache, dass durch die Ausgliederungen der Vergangenheit wesentliche Bereiche des Verwaltungsgeschehens der parlamentarischen Kontrolle, und zwar nicht der Rechnungshofkontrolle, aber der Volksanwaltschaftskontrolle entzogen wurden. Daher sollte zur Herstellung eines gleichförmigen Gebildes betreffend Kontrollanliegen die Prüf- und Kontrollbefugnis eben auch auf die Volksanwaltschaft ausgedehnt werden.

 

Die Sache wird im Parlament abgehandelt und es ist dies wie immer, wenn es um etwas Ernstes geht, das sogenannte Bohren von harten Brettern: Zuerst gibt es freundliche Erklärungen, und jeder sieht das ein. Dann greift man aber unter Umständen in irgendwelche Besitzstände ein, und Kontrolle ist eben doch nichts so Angenehmes. Es braucht sich aber, wie schon gesagt, überhaupt niemand vor der Volksanwaltschaft fürchten! Jede individuelle oder amtswegige Beschwerde wird ohne Ansehung von Namen, Stand, Herkunft, Sachverhalt oder Parteizugehörigkeit nach professionellen rechtsmethodischen Vorgängen geprüft, ob entweder etwas dran ist oder nicht. Kontrolle ist jedenfalls ein parlamentarisches Gut, das den Parlamenten zukommt und nicht vernachlässigt werden soll.

 

Ich greife einen einzigen Fall von allen Fällen, die durchwegs interessant sind, heraus, weil es dabei um die Schwächsten der Gesellschaft, nämlich um Kinder geht: In der Geschäftsgruppe für Bildung, Jugend, Information und Sport finden Sie einen Fall dargestellt, der, vom Einzelfall abgesehen, generelle Bedeutung hat.

 

Es geht ein chronisch krankes Kind mit Diabetes. Dieses wurde in mehreren städtischen Kindergärten nicht aufgenommen. Das wurde nicht damit begründet, dass es zu wenige Plätze gibt, wiewohl das, was Abg. Ellensohn gesagt hat, dass mehr Plätze eingerichtet werden sollen, gut und richtig ist. Die Begründung lautete vielmehr, dass das Personal Angst hat, und es geht aus der Stellungnahme des Magistrates der Stadt Wien hervor, dass chronische Erkrankungen von Kindern, auch wenn es sich um relativ leichte Fälle handelt, ein Aufnahmehindernis in städtischen Kindergärten und Kinderkrippen sind.

 

Das ist absolut unerträglich! Die Kinder haben sowieso schon die Krankheit, und dann werden sie noch doppelt stigmatisiert durch die Verweigerung eines Platzes in einem Kindergarten! Das kann doch eine Gesellschaft nicht hinnehmen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

 

Ich darf jetzt daran erinnern, dass ab nächstem Jahr barrierefreier Zugang geboten ist. Es ist um zig-fache Millionenbeträge quer durch das Land alles umgebaut worden, es wurden etwa Erleichterungen bei Türen geschaffen, damit alle Leute mit Gehbehinderung hineinkommen. Aber es gibt offenbar auch sonstige Barrieren, etwa die Barriere, dass im Hinblick auf ein kleines Patscherl mit drei Jahren gesagt wird: Nein! Wir haben niemanden, der auf dich schauen kann. – Daher muss in

 

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