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Landtag, 26. Sitzung vom 27.06.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 75

 

mehr Leute von der großen Investmentbank bis zum kleinen Hauskäufer sind auf derartige Produkte eingestiegen. In Österreich ist die Kommunalkredit eines der unzähligen Beispiele, und auch in Deutschland haben sehr viele Sparkassen derartige Produkte verbrieft und gekauft. Es haben also unzählige Institutionen und Menschen auf der ganzen Welt damit – unter Anführungszeichen – gespielt.

 

Letzten Endes ist das Motiv zur Erfindung oder Einführung solcher Produkte nichts anderes als ein menschliches Verhalten, nämlich die Gier und die Lust am Verdienen, wenn ich einmal so sagen darf. – Diese Lust am Geldverdienen hat, wie gesagt, kleine Häuselbauer in Westösterreich genauso betroffen. Wie Sie wissen, hat man in Vorarlberg jahrelang den Euro und früher den Schilling gar nicht mehr gekannt, sondern hat überhaupt nur mehr in Schweizer Franken finanziert. Auf diese Weise hat es unzählige Gemeinden in Österreich und Deutschland – unter Anführungszeichen – erwischt. In Deutschland ist Dresden einer der größten Fälle. In Österreich waren es die ÖBB, die Österreichische Bundesfinanzagentur, 70 Kommunen in Niederösterreich. Die bekanntesten Beispiele sind Linz mit einem Risikopotenzial von jenseits der 400 Millionen EUR und Salzburg, wo das tatsächliche Exposure auch für uns alle, die wir das mitverfolgen, wie ich glaube, noch immer im Dunkeln liegt, weil die Geschäfte längst nicht alle glattgestellt und aufgedröselt wurden.

 

Was war der Hintergrund? – Der Auslöser war letztlich das Zusammentreffen des Immobilien-Booms in den USA mit raketenartig in den Himmel steigenden Preisen, also einer Hypothekenschwemme. Wenn die Preise steigen, kann man immer höher finanzieren, und die Amerikaner finanzieren ihren Konsum viel stärker fremd als wir in Österreich. Die haben dort kaum ein Sparverhalten, sondern finanzieren alles über Kreditkarten und über kurzfristige Kredite. Und das wurde eben über Jahrzehnte mit Hypothekenfinanzierung betrieben.

 

Damals gab es auch die gewollte politische Entscheidung von Präsident Clinton: Man wollte mehr Hauseigentümer in Amerika haben. Unterstützt wurde das Ganze von einer sehr liberalen Geldpolitik der Federal Reserve Bank. Die Geldschwemme wurde aufgedreht, indem die Zinsen über Jahre lang künstlich niedrig gehalten wurden. Und so kam es eben zu dieser Subprime-Krise. Die Rating-Agenturen haben, wie Sie wissen, noch ein paar Tage vor der Lehman-Pleite Lehman ein Triple A gegeben. Genauso war es bei vielen dieser verbrieften Produkte. Diese waren alle gut geratet, was aber letzten Endes nicht genützt hat. – Letzten Endes müsste man also sehr wohl auch über das Verhalten der Rating-Agenturen reden. Sehr viele Experten in den USA und auch eine Expertenkommission, die die Regierung Obama eingesetzt hat, sagen übrigens, dass die Krise vermeidbar gewesen wäre, wenn man rechtzeitig auf die Vorzeichen geachtet hätte.

 

Ich habe das auch wegen der Komplexität jetzt so ausführlich erklärt. – All diesem Treiben ist ein Grundsatz zuzuschreiben, meine Damen und Herren: „Denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Das war ein berühmter Film mit James Dean. Aber in diesem Realfilm der Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir es nicht mit James Dean als Superstar zu tun, sondern mit kleinen Häuselbauern, mit Finanzdirektoren, mit Sparkassenvorständen und mit Provinzpolitikern. So sagte zum Beispiel der St Pöltener Bürgermeister zu den SWAP-Geschäften seiner Gemeinde – er prozessiert übrigens mit der emittierenden Bank Raiffeisen –: Bei Kenntnis der Risken hätten wir die Geschäfte nicht abgeschlossen.

 

All diese Geschäfte, die die Kommunen über Jahrzehnte betrieben haben – und dazu gehörten nicht nur SWAP-Geschäfte, sondern auch die Aufnahme von Krediten in Fremdwährungen – waren geprägt von einem niedrigen Zinsniveau. Die Finanzierung in Schweizer Franken war auf Grund des niedrigen Zinsniveaus über Jahrzehnte hinweg wesentlich günstiger als die Finanzierung in Schilling oder später in Euro. Der sogenannte Spread lag über viele Jahre bei ungefähr 2,5 Prozent. Man hat sich also mit einer Schweizer-Franken-Finanzierung echt etwas ersparen und somit auch die Kreditrate leisten können.

 

Der zweite ausschlaggebende Punkt war ein relativ sicheres Wechselkursrisiko. Euro und Schweizer Franken haben sich über viele Jahre innerhalb eines kleinen Bandes bewegt. Heute hat sich das völlig umgedreht. Die Volatilität des Schweizer Frankens ist relativ groß. Der Spread, also der Unterschied zwischen Euribor und Schweizer Leitzins, ist heute minimal, keine Rede mehr von früheren Verhältnissen! Und dadurch ist es immer unattraktiver geworden, in Schweizer Franken zu finanzieren, und das Risiko wurde immer höher. Der Schweizer Franken pendelt in den letzten Jahren irgendwo bei knapp unter 1,20 zu 1,70, und ich meine, das macht bei der Umwechslung einen ganz schönen Unterschied! - Was will ich damit sagen? – Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Das Risiko der Schweizer-Franken-Finanzierung für Wien wächst, weil es dieses Wechselrisiko gibt.

 

Aber ich sage jetzt auch ganz offen an die Wiener Stadtregierung: Es hat über viele Jahre, was diese Fremdwährungsfinanzierungen betrifft, sozusagen ein Unschuldsbewusstsein oder, vielleicht besser ausgedrückt, kein Bewusstsein über das Verlustpotenzial gegeben. Daher muss man sehr vorsichtig sein, wenn man beginnen will, mit Steinen zu werfen. Das tue ich in dieser Hinsicht wirklich nicht, weil es einfach dieses Bewusstsein nicht gegeben hat, denn sonst wären ja der kleine Häuslbauer in Vorarlberg genauso wie der große Investmentbanker in Amerika lauter Verrückte gewesen! Das war aber nicht der Fall, sondern es waren einfach die Voraussetzungen anders. Wir haben in Wien über viele Jahre lang den Schweizer Franken als Allheilmittel zur leichteren Finanzierung gesehen. Das muss man einfach sehen. Das war halt billiger, und damit war die Schuldentilgung einfacher. Aber man kann auch gescheiter werden.

 

Kleiner Sidestep: Vorher wurden in einer Wortmeldung der Europa-Abgeordneten die Cross-Border-Geschäfte angesprochen: Ich würde sagen: Dazu würden wir heute die Zustimmung nicht mehr geben. Wir

 

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