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Landtag, 6. Sitzung vom 30.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 69

 

Stunde mit dem Thema „Schulreform für Österreich jetzt! Chancen für die Jugend eröffnen anstatt sich an alte Systeme klammern!" verlangt. Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs 2 der Geschäftsordnung ordnungsgemäß beantragt.

 

Ich bitte den Erstredner, Herrn Abg Vettermann, die Aktuelle Stunde zu eröffnen, wobei ich bemerke, dass seine Redezeit mit zehn Minuten begrenzt ist.

 

10.30.03

Abg Heinz Vettermann (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Der Schulschluss rückt näher und dadurch auch all die Diskussion über die Noten und das Durchfallen. Jedes Jahr gibt es Dramen: Kindern, die es bisher nicht mitgeteilt haben oder die „gute" Idee haben, dass sie davonlaufen könnten und, und, und. Wir versuchen, dem entgegenzuwirken, und das führt uns zur jetzigen Diskussion, mit der ich beginnen möchte.

 

Diese Diskussion über die Reform hin zur modularen Oberstufe hat sich leider festgebissen, nämlich an der Frage, ob man nun mit zwei, drei oder vier Fünfern aufsteigen soll. Ich kann auch mit dem jetzigen Kompromiss leben, dass man mit zwei Fünfern sicher aufsteigt und bei drei eine Konferenz entscheidet.

 

Das ist zwar nicht genau das, was ich möchte, aber es zeigt, worum es beim modularen System eigentlich geht, nämlich darum, dass man pro Halbjahr und Fach ein Modul hat. Diese Module sammelt man und kann dann eben weiter aufsteigen. Hat man ein Modul nicht geschafft, dann wiederholt man nicht das ganze Jahr, sondern nur dieses eine halbjährige Modul und wird dabei unterstützt.

 

Dass das funktioniert, sehen wir ja. Es gibt elf Schulen in Wien, wo das läuft. In sieben dieser Schulen funktioniert das voll so, wie wir uns das vorstellen, nämlich mit einer breiten Palette an Möglichkeiten und Modulen. In den vier anderen Schulen gibt es sozusagen ein Oberstufenreform-light-Modell, da gibt es nicht ganz so viele Auswahlmöglichkeiten.

 

Es geht nicht nur darum, dass man die Hauptfächer modulartig hat, sondern auch darum, dass man Wahlfächer hat, dass man einfach näher der Arbeitsweise an der Uni ist. Entstanden ist das, weil man gesehen hat, dass viele zwar die Matura haben, aber an der Uni nicht mitkommen und ein Jahr verlieren, bis sie sich an das System gewöhnt haben.

 

Ich freue mich – und es wundert mich, dass ÖVP und FPÖ immer so dagegen sind –, denn dieses System hat ja auch einen leistungsfreundlichen Effekt. Dabei werden nämlich einerseits die Schwächeren gefördert – für die gibt es sofort Unterstützung, das Modul wird eben wiederholt –, andererseits kann man die Module auch schneller hintereinander machen, also flotter zur Matura kommen. Das heißt, es bringt auch den Begabten mehr, die dann früher in die Uni kommen, die eben mit den Wahlfächern andere Module sozusagen dazubuchen, um ihrem Leistungsniveau entsprechend weiterzukommen.

 

Wir in Wien sind überhaupt Schulversuchsmeister, aber nur deshalb, weil es uns oft nicht gelingt, diese konservativen Blockaden wegzubekommen und das bundesgesetzlich zu verankern. Diese Modulsysteme, die ich jetzt genannt habe, die schon seit Jahren in Wien laufen, konnten wir eben auch nur schulversuchsmäßig ausprobieren, und das ist deshalb schlecht, weil es mal vor, mal zurück, mal nach links, mal nach rechts geht und sich dadurch optisch ein gewisser Stillstand ergibt.

 

Daher haben wir jetzt die Diskussion gehabt über diesen Pisa-Test, bei dem Lesen und elektronisches Lesen getestet wurden. Dazu haben wir in Wien jetzt ebenfalls einen Schritt gesetzt, nämlich mit dem Lesetest, damit wir darüber Bescheid wissen.

 

Da geht es nicht nur um Prozentsätze – da sind wir sogar um eine Spur besser, als wir beim Pisa-Test waren –, es geht auch um die Frage: Welche Schüler haben welche Gefährdung? Auch die 25 Prozent, die eine Nachschulung bekommen haben, sind, was ihre Leistung betrifft, sehr unterschiedlich, da gibt es wieder zwei, drei Unterscheidungen. Dementsprechend können wir jetzt erstmals individuell fördern.

 

Apropos individuelles Fördern: Weil es immer sozusagen diese Abwehr gegen entsprechende gemeinsame Schulmodelle gibt, habe ich mir das angeschaut. Finnland als Pisa-Sieger ist ja schon, ich möchte nicht sagen, abgedroschen, aber jedenfalls bekannt. Da sagt die ÖVP reflexartig: Die sind ja weit weg, die haben keine Ausländer (Heiterkeit bei Amtsf StR Christian Oxonitsch und den GRÜNEN.), die sind so weit im Norden, da lernt sich's leichter, denn wenn es so kalt ist, was sollen die Kinder anderes machen?

 

Daher habe ich mir gedacht, nehmen wir ein konservativ-katholisches Land, zum Beispiel Polen. Was haben die gemacht? Die haben 1999 eine massive Schulreform durchgeführt. Sie lagen bei 24 beim Pisa-Test, waren also ungefähr auf unserem Niveau, jetzt sind sie bei 12 beziehungsweise 9. Sie sind bei den 10 Prozent der besten, lesestärksten Länder angekommen.

 

Warum? Weil sie eine gemeinsame Schule haben, weil sie diese Schulreformen durchgesetzt und die Lehrerfortbildung gänzlich revolutioniert haben. Daran sieht man, dass die Struktur zwar nicht der einzige, aber ein ganz wesentlicher, wichtiger Faktor ist. Wir müssen daher auch von dieser Spaltung weg. Wir brauchen die Neue Mittelschule generell in ganz Österreich und besonders in Wien. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Auch da unterschreibe ich, was die Frau Minister sagt. Wenn man nur die Hauptschulen umstellt, ist es ein richtiger Schritt. 90 Prozent der Schulen wären betroffen, aber nicht in Wien, wir haben 50 zu 50. Wenn man nur die Hauptschulen umstellt, hat man erst einmal gar nichts gewonnen, da sind wir bei einer wirklichen Spaltung: 50 Prozent haben es bekommen, 50 Prozent nicht, nämlich 50 Prozent der AHS, und zwar mit steigendem Anteil, weil immer mehr Schüler in die AHS gehen. Das Verhältnis wird sich also nicht verbessern, sondern verschlechtern.

 

Auch die Industriellenvereinigung ist für die Neue Mittelschule, weil 20 Prozent der Schüler und Schülerinnen bei diesem gemeinsamen System eine bessere Ausbildung bekommen würden. Das wird denen durch diese konservative Blockade vorenthalten, denn diese Blocka

 

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