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Landtag, 4. Sitzung vom 01.04.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 49

 

ein schlechtes Gewissen bei Ihnen erkennen. Aber ich habe schon ein bisschen Verständnis dafür und kann Ihnen sogar sagen, dass es bei Ihrem Verhalten bei der Behandlung des Problems Bettelei ein Schema gibt und dass Sie dieses Problem so behandeln, wie Sie viele Probleme in dieser Stadt behandeln, nämlich nach dem bekannten SPÖ-Schema, nach einem 5-Punkte-Prozess:

 

Erstens: Problem leugnen. Zweitens: Wenn es ein Problem gibt, sind andere schuld. Drittens: Eine Idee von anderen wird als die eigene ausgegeben. Viertens: Man bekommt Angst vor der eigenen Courage. Fünftens: Letztendlich bleibt das Problem ungelöst. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Lange haben Sie das Bettelproblem in Wien geleugnet. Als es dann gar nicht mehr anders gegangen ist, haben Sie gesagt, der Bund ist schuld – natürlich, wer denn sonst –, die Bundespolizei soll dieses Problem lösen. Sie sind dann aber doch draufgekommen, dass es ein Wiener Landes-Sicherheitsgesetz gibt und eine Landeskompetenz in dieser Frage, und Sie haben die Idee der ÖVP, nämlich die gewerbsmäßige Bettelei zu verbieten, aufgenommen und als die eigene ausgegeben.

 

Letztendlich haben Sie dann aber doch Angst vor der eigenen Courage bekommen und gemeint, ganz so haben wir das nicht gemeint mit dem Verbot der gewerbsmäßigen Bettelei, eigentlich ist ja nach wie vor nur die organisierte Bettelei verboten und nicht jene, die dazu dient, eine wiederkehrende Erwerbsquelle zu schaffen. Und das ist natürlich völlig unverständlich, wenn man weiß, dass der Begriff der Gewerbsmäßigkeit im Strafgesetzbuch definiert ist und jede andere Interpretation eine geradezu mutwillig unrichtige ist, noch dazu, wenn man die Idee des Verbots der gewerbsmäßigen Bettelei als die eigene ausgibt. Lesen Sie den § 70 des Strafgesetzbuches nach! Da steht ganz eindeutig drinnen, dass eine gewerbsmäßige Begehung immer dann vorliegt, wenn die Absicht besteht, durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Das ist ausjudiziert, und da gibt es eigentlich relativ wenige Probleme im Verwaltungsrecht.

 

Wer allerdings der Bundespolizeidirektion Wien und den einzelnen Polizisten auf der Straße Probleme macht, sind Sie mit Ihrer Interpretation, obwohl es schon die Aufgabe von Politikern, vom Bürgermeister abwärts, wäre, den einschreitenden Polizeibeamten den Rücken zu stärken. Die tun sich natürlich sehr schwer, wenn sie von Ihnen ganz andere Signale bekommen. Denn das ist natürlich eine exponierte Amtshandlung, und warum sollte ein einzelner Polizist sie vornehmen, wenn er den Eindruck hat, es ist ja von der Politik, vom Bürgermeister abwärts, gar nicht gewollt.

 

Es war ein bisschen besser. Die Polizei hat unter den gegebenen Umständen ihr Bestes versucht, war auch nicht erfolglos. Wir hatten in den letzten Monaten sicherlich einen Rückgang bei der Bettelei zu verzeichnen. Es gab hunderte Anzeigen und Festnahmen, letztendlich ist es aber in den letzten Wochen mit dem wärmeren Wetter wieder schlecht geworden. Vorgestern gab es alleine auf der Wollzeile zu einem einzigen Zeitpunkt 4 Bettler auf einem Abschnitt von weniger als 100 m.

 

Es ist daher richtig, ein generelles Bettelverbot zu verlangen, nicht, weil man aus rein juristischen Gründen nicht auskommen könnte mit der gewerbsmäßigen Bettelei – das wäre schon möglich, schon jetzt sind an die 99 Prozent aller Bettelhandlungen in Wien verboten –, aber Sie wollen es nicht so verstehen und Sie sagen wider besseren Wissens andere Dinge. Daher ist es notwendig, sich für ein generelles Bettelverbot einzusetzen, nämlich aus politischen Gründen und weniger aus juristischen Gründen.

 

Dann darf ich auch noch einen Mehrparteienantrag einbringen, der sich genau mit dem Phänomen befasst, mit dem sich Kollegin Matiasek jetzt ausführlich beschäftigt hat, nämlich mit der Bettelei unter dem Vorwand des Zeitschriftenverkaufes. Ich darf diesen Antrag gemeinsam mit den Herren von der FPÖ Johann Gudenus und Johann Herzog einbringen, weil man es sich nicht gefallen lassen kann, dass das Betreten eines Supermarktes nur noch sehr erschwert möglich ist. Es ist dies ein Phänomen, das es vor ein bis zwei Jahren noch nicht gegeben hat, dieses vorgebliche Anbieten von Zeitschriften, nur damit man sich etwas erbetteln kann.

 

Machen Sie Zählungen, schauen Sie sich an, vor wie vielen Supermärkten tatsächlich die Bettler mit diesen Zeitschriften stehen. Ich glaube, es sind mehr als 50 Prozent. In absoluten Zahlen ist das eine ganz, ganz hohe Zahl. Das hat es vor kurzer Zeit, wie ich sagte, noch nicht gegeben, mittlerweile stehen vor ganz, ganz vielen Supermärkten diese Bettler mit ihren Zeitschriften, und es ist ganz schwer für die Polizei, dagegen vorzugehen.

 

Ich darf also beide Beschluss- und Resolutionsanträge einbringen. Der erste wird ausschließlich von der ÖVP eingebracht und betrifft ein generelles Bettelverbot, der zweite ist gemeinsam mit der FPÖ. Ich appelliere in erster Linie an die Abgeordneten der SPÖ, sich diese Sache zu Herzen zu nehmen und einen Beitrag zu leisten für mehr Sicherheit und für mehr Lebensqualität in dieser Stadt. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg Hebein. Ich erteile es ihr.

 

13.36.14

Abg Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus)|: Werter Herr Vorsitzender! Werte Abgeordnete!

 

ÖVP und FPÖ sind schon unsagbar dankbar und so was von erleichtert, dass sie immer wieder Ausreden hernehmen können, um einfach der Wirklichkeit ja nicht in die Augen zu sehen. Es gibt Armut, es gibt Bettler und Bettlerinnen. Und das, was Sie machen, ist so was von abgrundtief armselig, indem Sie hier hergehen und Bilder suggerieren, wonach alle von Bettelbanden gesteuert sind, alle werden verstümmelt. Sie arbeiten mit Behinderung, mit Bildern, mit Mercedes, mit Villen, um nur ja nicht hinzuschauen, was denn hinter diesen Menschen steckt. Wer sind denn diese Menschen? (Abg Johann Herzog: Sie verteidigen das noch!)

 

Aber nein, Sie gehen sogar einen Schritt weiter und sagen den Menschen, die helfen wollen, die selber entscheiden wollen, ob sie einem Bettler oder einer Bettlerin was geben wollen oder nicht: Macht euch nicht mitschuldig, denn die bekommen das Geld nicht, sondern nur die

 

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