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Landtag, 29. Sitzung vom 29.04.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 79

 

Ich darf eines in Erinnerung rufen, und ich würde bitten, dass wir bei diesem Prinzip auch jetzt bleiben, weil dieses ein wenig aus dem Zusammenhang gerissene Zitat unter Umständen zu einer unsachlichen Diskussion führen könnte, und das haben Sie bei so einem Thema sicher nicht beabsichtigt. Ich möchte es nur ganz explizit sagen, weil ich glaube, dass das ein so komplexes Thema ist, dass wir versuchen müssen, es wirklich, zwar nicht emotionslos, weil das niemand von uns kann, aber doch mit sehr viel sachlicher Gebotenheit, zu diskutieren.

 

Was wir dort festgestellt haben - und so ist auch dieses Zitat der Kollegin Balic-Benzing, das Sie hier verwenden, zu verstehen -, ist, dass es leider nicht möglich ist - wahrscheinlich müssen wir uns eingestehen, durch welche Maßnahme auch immer -, alle Affekttaten, alle sich aus einer unglaublich schwierigen psychischen, sozialen Situation heraus ergebenden Tragödien - ich sage es einmal so - zu verhindern. Das hatten wir dort übereinstimmend festgestellt, und es wurde eigentlich auch von allen darauf hingewiesen, dass sich niemand diese Illusion gemacht hat, als die Anonyme Geburt ein-geführt wurde, dass es damit möglich ist, alle Affektsituationen zu verhindern.

 

Wir haben ja gerade an dem Tag, an dem wir dieses Thema diskutiert haben, wieder so eine Situation von einer jungen Frau erlebt, das heißt, wir haben es den Medien entnommen - das Jugendamt war natürlich involviert -, von einer jungen Frau, die offensichtlich durch alle noch so intensiven Beratungsangebote und Einladungen, Hilfe anzunehmen, nicht zu erreichen war und die dann ihr Baby in einem Lokal bekommen hat - man kann sich gar nicht vorstellen, unter welch grauenvoller psychischer Situation das alles abgelaufen sein muss -, auf der Toilette, und dann hat leider das Baby diese fürchterliche Situation nicht überlebt. Diese Frau war offensichtlich durch nichts zu erreichen. Ich befürchte - und das soll jetzt nicht heißen, dass wir die Hände in den Schoß legen, ganz sicher nicht, aber ich befürchte das -, dass es keinen Weg geben wird, um solche Situationen hundertprozentig auszuschalten, wiewohl ich es mir wirklich von Herzen wünschen würde.

 

Was wir tun, das wurde, denke ich, in dieser Diskussion auch sehr deutlich gemacht. Dieser Bericht ist ja das Ergebnis einer Diskussion, in der wir gesagt haben: Schauen wir uns noch einmal an, wie die Anonyme Geburt läuft und was wir besser machen können. Einiges ist da schon verändert worden, so wurde etwa die Öffentlichkeitsarbeit sehr sensibel gestaltet. Da sind wir ja auch in einer Zwickmühle: Einerseits sollen die Frauen wissen, dass es diese Möglichkeit gibt, andererseits wollen wir keine Werbung dafür machen.

 

Was sich aber jedenfalls in dieser Diskussion herausgestellt hat - und das ist die Prämisse, unter der ich bitte, die ganze Diskussion zu führen -, das hat die Kollegin, die die Gespräche mit den betroffenen Frauen im Zusammenhang mit dieser Untersuchung geführt hat und die sich im Frauengesundheitszentrum ganz besonders mit Frauen befasst, die sich für die Anonyme Geburt entscheiden, sehr beeindruckend festgestellt: Dass alle diese Frauen unter extremer psychischer Belastung stehen, sich in ganz schwierigen, zum Teil wahrscheinlich von uns allen gar nicht wirklich nachvollziehbaren, schwierigen Lebenssituationen befinden, sodass keine von ihnen in irgendeiner Art und Weise leichtfertig diese Anonyme Geburt vornimmt, sondern dass sie unter so starkem psychischen Druck sind, dass es ihnen manchmal subjektiv so erscheint, dass kein anderer Lösungsansatz da ist.

 

Die Konsequenz, die wir daraus ziehen, ist, dass noch stärker als bisher - und das läuft ja schon sehr gut, das hat die Kollegin Balic-Benzing dort auch berichtet - die Zusammenarbeit zwischen den PsychologInnen, den SozialarbeiterInnen und den Hebammen intensiviert wird und dass wir auch alles daran setzen werden, was von unserer Seite her möglich ist, um die Möglichkeiten zur Adoption zu vereinfachen. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass uns hier natürlich bundesgesetzliche Rahmenbedingungen gewisse Grenzen auferlegen.

 

Was wir tun können, das tun wir. Niemand glaubt, dass die Anonyme Geburt die Lösung der Probleme ist, die wir haben. Aber sie ist eines der vielen, vielen Angebote, die die Stadt Wien hat, um Frauen in diesen schwierigen Situationen eine Alternative anzubieten, eine Alternative von vielen.

 

Präsident Johann Hatzl: Zusatzfrage: Frau Abg Dr Pilz.

 

Abg Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im Rathaus): Danke, Frau Stadträtin!

 

Was ich an Ihnen sehr schätze, ist, dass Sie der Sache sozusagen sachlicher und mit weniger Vorgewissheit als Ihre Amtsvorgängerin entgegentreten. Denn ich hatte bei Ihrer Vorgängerin den Eindruck, sie hofft schon, dass sie jene verzweifelten Frauen, die dann offensichtlich von einer Geburt überrascht werden, erreichen könnte. Wir müssen uns wahrscheinlich verabschieden von solchen Omnipotenz-Phantasien, dass wir immer alle Menschen in allen Lebenssituationen erreichen, so traurig das auch ist.

 

Was ich Sie in dem Zusammenhang fragen möchte: Sie sagen selber, dass Beratung und Betreuung wichtige, ganz zentrale Dinge sind. Es gibt in anderen Ländern, beispielsweise in Frankreich, die Möglichkeit der Diskreten Geburt. Das heißt, dass man Frauen, die für sich selber sagen, ich sehe jetzt keinen Weg, mich diesem Kind gegenüber bekannt zu geben, es darf niemand davon wissen, es wäre sehr, sehr schwierig - aber so eine Lebenssituation kann sich ja innerhalb eines Jahres, innerhalb von 10 Jahren ändern, Väter können sozusagen aus dem Leben verschwinden oder Druck kann sich ändern -, die Möglichkeit der Diskreten Geburt gibt.

 

Das heißt, die Behörde hat die Daten und verwaltet sie ausschließlich diskret, sie gibt niemandem Auskunft, aber wenn das Kind oder die Mutter zu einem späteren Zeitpunkt voneinander wissen wollen, ist der Weg nicht für immer versperrt. Die Behörde fragt dann die jeweils andere Seite, ob sie die Anonymität lüften kann, und beide, Mutter und Kind, hätten die Möglichkeit, noch einmal miteinander in Beziehung zu treten. Für die Kinder wäre

 

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