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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 64

 

der sozialen Bedürfnisse in allen Bereichen dienen, die zur Lebensqualität und zur nachhaltigen Entwicklung beitragen, insbesondere im Bereich Transport, Umwelt, Kommunikation, Information, Energie, Wasser, Ver- und Entsorgung, Gesundheit, Kultur, Bildung, Ernährungssicherheit und Wohnungswesen. Diese Dienstleistungen sind für das Gemeinwohl von derartiger Wichtigkeit, dass Wettbewerb ganz eindeutig ein nachrangiges Kriterium darstellt. Vielmehr müssen sie ganz anderen Anforderungen genügen, wie einerseits einem gleichberechtigten Zugang, das heißt Verbot der Diskriminierung auf Grund sozialer, persönlicher oder geografischer Zuordnungen. Zweitens einer verlässlichen Qualität und Kontinuität der Dienstleistung. Und zum dritten der Universalität. Das heißt, sie müssen auch dann klar sein und einsetzbar sein, wenn es Probleme mit der Rentabilität gäbe.

 

Bestehende Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sind durch ungesteuerte Entwicklung einer neoliberalen Politik durchaus gefährdet und eine daraus abgeleitete Liberalisierung, die nur noch zum Selbstzweck wird und weder reguliert noch kontrolliert oder in ihren Folgen beurteilt wird, kann dazu führen, dass diese Dienste durch neue Monopole und/oder Oligopole ersetzt werden. Privatisierung kann darüber hinaus auch dazu führen, dass die politische Kontrolle unmöglich wird. Und eine Schwächung der politischen Verantwortung der staatlichen Behörden für die im Dienste der Bürgerinnen und Bürger geschaffenen Leistungen der Daseinsvorsorge, ist für uns inakzeptabel. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Die Verantwortung für die Daseinsvorsorge muss weiterhin ganz klar einer demokratischen und politischen Ebene zugeordnet bleiben.

 

Die Politik der derzeitigen Bundesregierung, es kommt immer wieder , weil es einfach kommen muss. Weil es uns einfach alle betrifft. Die sich unter anderem im Bericht der Aufgabenreformkommission niederschlägt, und die in weiten Bereichen der "Daseinsvorsorge" - wie zum Beispiel Wasser, Abfall und Nahverkehr, was ja zur zwangsweisen Privatisierung empfohlen wird - ohne jeglichen Nachweis unterstellt, dass kommunale Dienstleistungen entsprechende quantitative oder qualitative Nachteile aufweisen und noch dazu zu teuer seien. Diese Politik ist ausschließlich von einer neoliberalen Perspektive geprägt. Die bitter gesammelten internationalen Erfahrungen zeigen durchaus auch, dass es eine ganze Menge negativer Erfahrungen im Bereich der "Daseinsvorsorge" gibt, die dem ansatzweise nicht Rechnung tragen.

 

Gerade die Liberalisierung im öffentlichen Verkehr führt regelmäßig zu massiven Verschlechterungen in der Qualität der Leistungen, aber auch ganz besonders bei den Lohn- und bei den Arbeitsbedingungen des Personals. Darunter leidet auch die Verkehrssicherheit. Ich denke mir, Beispiele wie in Großbritannien oder in Schweden sind uns allen bekannt und brauchen hier nicht explizit aufgeführt zu werden.

 

Auf Ebene der Europäischen Union wurden jetzt schon sehr weite Teile der "Daseinsvorsorge" als wirtschaftliche Tätigkeit qualifiziert und vom Wettbewerbsrecht des EG-Vertrags erfasst. Insbesondere durch eine bisweilen wirklich exzessive Auslegung und Anwendung des Beihilfenverbots wurden langfristige Entscheidungen der öffentlichen Hand zur Sicherstellung der Dienstleistungen der "Daseinsvorsorge" unterwandert. Ferner gibt es auch nach wie vor heftige Bestrebungen, weitere Bereiche der "Daseinsvorsorge" einer dringenden Liberalisierung zu unterwerfen. So wurde zum Beispiel im Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments ein Berichtsentwurf beschlossen, der nicht nur die Wasserversorgung und den Nahverkehr völlig liberalisieren will, sondern der sogar öffentliche Betriebe aus dem Bereich der "Daseinsvorsorge" explizit und generell ausschließen will. Grundsätze der marktbezogenen Liberalisierung stehen eindeutig im Vordergrund, während Qualifikationskriterien eher nur deklaratorischen Charakter haben.

 

Dass dieser Verordnungsvorschlag in den EU-Mitgliedsstaaten kontroversiell diskutiert wurde und letztlich auf Ablehnung gestoßen ist, dokumentiert nicht zuletzt auch der Diskussionsverlauf im EU-Parlament. Dem ursprünglichen Berichtsentwurf - wir haben es ja heute schon gehört - sind sage und schreibe 486 Abänderungsanträge zugegangen. Mit der Ablehnung dieses Verordnungsentwurfs betonen die Abgeordneten das Subsidiaritätsprinzip und eine große Mehrheit der ParlamentarierInnen ist der Ansicht, dass die Zuständigkeit für den Nahverkehr bei den lokalen Behörden auf kommunaler Ebene verbleiben soll. Das Recht der zuständigen Behörden, Nahverkehr ohne Ausschreibung vorzunehmen, sollte unter den neuen Vorschriften auch weiterhin bestehen.

 

Die Auseinandersetzung um die "Daseinsvorsorge" als Kernaufgabe der öffentlichen Hand, insbesondere der Kommunen, muss aus österreichischer und aus Wiener Sicht einfach weitergeführt werden und ist für uns existenziell notwendig und wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Die Bedeutung der öffentlichen Wirtschaft vor allem im Bereich der "Daseinsvorsorge" ist seit Beginn der Neunzigerjahre ein Thema der Europäischen Gemeinschaft. So wurde insbesondere vom Europäischen Parlament hervorgehoben, dass sich die Gemeinschaft nicht nur auf die Einrichtung eines Wettbewerbssystems konzentrieren soll, sondern dass die wirtschaftliche und die soziale Kohärenz und der Verbraucherschutz beachtet werden müssen.

 

Im Jahre 1996 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung mit dem Titel "Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa", wobei betont wird, dass Solidarität und Gleichbehandlung in einer offenen und dynamischen Marktwirtschaft grundlegende Ziele der Europäischen Gemeinschaft seien, dabei jedoch auch den Leistungen der "Daseinsvorsorge" eine wichtige, bedeutende Rolle zukommt. Die Diskussion hat dann schließlich 1997 in der Aufnahme des Artikels 16 bei den EG-Verträgen von Amsterdam gemündet, mit dem konstatiert wird, dass es Bereiche der nicht hoheitlichen Leistungserstellung jenseits der marktwirtschaftlichen Steuerungssysteme gibt, und dass diese Dienste für den sozialen und territorialen Zusammenhang von großer Bedeutung sind. Die

 

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