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Gemeinderat, 45. Sitzung vom 27.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 111

 

war - er war Staatssekretär in der Regierung Renner nach dem Ersten Weltkrieg - und der eine Unterscheidung gemacht hat zwischen Kapitalist und Unternehmertum, nämlich den Entrepreneurs. Die Entrepreneurs zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie ihre wirtschaftliche Position durch Innovation ständig verbessern wollen. Demnach ist es immer der Unternehmergeist, der Innovationen und damit Wirtschaftswachstum erzeugt und vor allem natürlich auch den sozialen Wandel vorantreibt. - Da dürft ihr applaudieren, ja. (Beifall von GRin Dipl.-Ing. Selma Arapović und GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara.) Schumpeter sprach in diesem Zusammenhang von einer kreativen Zerstörung. Was meinte er damit? Er meinte, dass wir alle 60, 70 Jahre, alle paar Generationen im Sinne einer ökonomischen Entwicklung anstehen. Irgendwann einmal funktioniert das nicht mehr: noch mehr, noch größer, noch schneller. Das funktioniert eben mit den bestehenden Produktionsfaktoren nicht mehr. Dann aber entsteht etwas Neues. Davor muss aber natürlich das Alte einmal weggeschoben werden. Man kann eben nicht Photovoltaikanlagen, Windräder auf bestehende Kohlekraftwerke bauen. Das funktioniert irgendwann nicht mehr. Dann setzt sich eben Neues erfolgreich durch, wenn die alten Strukturen verdrängt werden - er nannte es: zerstört werden. Was dabei wichtig ist, ist, dass diese Zerstörung notwendig ist, also kein Systemfehler ist. Sie ist notwendig, damit eine Neuordnung stattfinden kann.

 

Dann wurde mir eigentlich schlagartig bewusst, dass das genau die jungen Menschen vor mir betrifft: All diese Krisen läuten jetzt einen Wendepunkt ein. Es ist quasi Zeit für etwas Neues, es ist Zeit für Mutiges, es ist Zeit für Kreatives - und es ist Zeit und es besteht die Notwendigkeit für neue Köpfe. Ich glaube, das haben auch alle, die vor mir gesessen sind, gespürt, und das war eben diese positive Energie, die von ihnen ausging, diese Kraft und diese Zuversicht, die an diesem Tag das ganze Rathaus geflutet hat.

 

Warum erzähle ich Ihnen das heute alles? - Weil wir jetzt am Werk sind. Es ist, glaube ich, vollkommen klar, was wir jetzt für neue Schritte setzen müssen, nämlich: Wir müssen alles tun, um die Wiener Wirtschaft bei ihrer notwendigen und auch nicht mehr aufhaltbaren Transformation in eine lokale, in eine nachhaltige, in eine klimafitte, in eine grünere Wirtschaft zu unterstützen, eben auf allen Ebenen. Da sind alle gefragt. Die Stadt ist gefragt, die SozialpartnerInnen sind gefragt, WAFF, Wirtschaftsagentur, und so weiter. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Noch wichtiger: Hören wir endlich auf, Kapitalisten zu fördern, unterstützen wir Entrepreneurs! Schumpeter hat das bereits vor 100 Jahren gewusst. (Heiterkeit bei GR Mag. Manfred Juraczka.) Es ist wirklich an der Zeit, die kreativen Köpfe und mutige Visionäre zu unterstützen, die unsere Gesellschaft gestalten werden (Zwischenruf von GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc und GR Mag. Manfred Juraczka.), Entrepreneurs, nicht die Kapitalisten. - Ich gebe euch dann eine Privatstunde in der Definition von Kapitalisten, lieber Herr Guggenbichler! (GR Mag. Manfred Juraczka: In deiner Definition, genau! In deiner Definition!)

 

Lassen Sie uns also weiterhin gemeinsam daran arbeiten - gemeinsam daran arbeiten, Herr Guggenbichler -, eine Zukunft aufzubauen, in der die Innovation keine Grenzen kennt und in der junge Geister - die können ruhig auch grauhaarig sein, aber es sollten junge Geister sein - ermutigt werden, wieder groß zu träumen und ihre Träume auch in die Realität umzusetzen! - Danke dafür und danke für eure Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Die tatsächliche Redezeit war acht Minuten. Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist GR Mag. Juraczka. Die selbstgewählte Redezeit ist zehn Minuten. Sie sind am Wort.

 

13.12.58

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Berichterstatter! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Es ist gar nicht so leicht, bei Budget- und Rechnungsabschlussdebatten Wiederholungen zu vermeiden, ich möchte es trotzdem tunlichst probieren. Ich beginne vielleicht mit einem unüblichen Schritt. Ich beginne damit, kurz zu schildern, wie ich den heutigen Tag als Konsument von Medien am Weg ins Rathaus wahrgenommen habe. Da hat Radio Wien in seinen 8 Uhr Nachrichten eine kurze Meldung gebracht: Der Wiener Gemeinderat wird heute das Budget beschließen. Da waren einige Eckpunkte zu hören: Es ist ein Doppelbudget für die Jahre 2024 und 2025 mit einer Budgetsumme von annähernd 20 Milliarden EUR. Für beide Jahre wird mindestens mit einem jeweiligen Verlust, also mit einer Neuverschuldung von 2 Milliarden EUR gerechnet. Und dann kamen noch die Oppositionsparteien sozusagen zu Wort. Die ÖVP kritisiert die Neuverschuldung, die FPÖ die Gebarung der Mindestsicherung und die GRÜNEN das Doppelbudget in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Man rechnet aber mit einer Annahme durch die rot-pinke Stadtregierung. - So trocken, so lapidar kann man den heutigen und den morgigen Tag auf 30 oder 45 Sekunden runterbrechen.

 

Ich möchte es mir dann doch ein bisschen komplizierter machen und ein bisschen in die Tiefe gehen. Ich habe daher sehr, sehr andächtig der Budgetrede des Herrn Finanzstadtrats gelauscht. Dass er sein Budget verteidigt, ist sein gutes Recht. Interessant ist aber, wie er es getan hat. Das erste Argument war: Wien wächst. Ja, stimmt, und natürlich entstehen daraus auch neue und zusätzliche Notwendigkeiten. Allerdings sollte es eigentlich auch so sein, dass eine wachsende Stadt zusätzliche Einnahmequellen erschließt. Was ich nicht möchte, ist, dass wir dieses Wachstum per se verteufeln. Die FPÖ sagt manchmal oder immer: Mein Gott, wir dürfen nicht wachsen! Dieser Meinung bin ich nicht. Ich war in den Nullerjahren dieses Jahrhunderts einmal in einer City im Norden der USA, in Detroit, und glauben Sie mir, das war eine Stadt, die damals innerhalb von 10 Jahren um rund 25 Prozent geschrumpft ist. Dort will man, wie es so lapidar in Wien heißt, nicht tot über dem Zaun hängen. Also: Ja, ich glaube, dass Wachstum durchaus ein Zeichen von Prosperität ist. Aber - und jetzt kommt der Unterschied zwischen Realität und Anspruch, zwischen dem, was der Herr Finanzstadtrat meint, und dem, was wir eigentlich

 

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